Guten Morgen „Purzelbärchen“
Ich habe mir den Faden durchgelesen und habe begonnen, mir ein Bild von euch und von der Situation zu machen. Es tut mir sehr leid, dass sich bei dir noch so wenig positiv entwickeln konnte. Und ich möchte herausfinden, woran das liegt und ob du etwas verändern kannst in der Herangehensweise bei der Verarbeitung.
Sehr überrascht war ich über deine harte Reaktion auf den Post von Charla. Dass du ihn als „Reinwürgen“ empfunden hast, lässt mich vermuten, dass du in irgendeiner Gedankenschleife stecken geblieben bist, die mit SCHULD zu tun hat. Du stellst deine SCHULD schon in den Titel des Fadens. Und niemand will wirklich SCHULD an etwas haben. Im Zuge der Verarbeitung schwappt die SCHULD also immer wieder zu deinem Expartner. Mal bei dir, mal bei ihm. Egal, bei wem sie gerade liegt, du kannst offensichtlich nicht ohne diesen Begriff. Bewusst oder unbewusst. Und meiner Meinung nach liegt die Lösung genau darin: Das mit der SCHULD ganz sein zu lassen und nach einem anderen Weg der Verarbeitung und des Abschließens zu suchen.
Zitat: Dazu kam dass ich mich mehr und mehr von ihm zurückzog, bzw er nervte mich mit seiner ständigen stoischen Ausgeglichenheit. Er verstand alle und jeden, aber nur nicht mich. Unser Liebesleben gab es fast nicht mehr, nur noch kuscheln und Bussi, mehr ging ja nicht. Ich wurde ihm gegenümmer aggressiver. warum weiss ich auch nicht, völlig ungerecht, niemand behandelte ich so fies wie ihn, er wehrte sich leider viel zu wenig.
Wenn wir also von SCHULD reden, ist ja hier schon klar, dass du die hattest. Aber wenn wir das nicht tun, sehe ich eine Frau, die mit dem Rückzug und der Einschränkung ihres Mannes völlig überfordert war. ER war harmoniebedürftig und wurde angesichts lauten und leidenschaftlichen Verhaltens immer leiser. Er hatte dem nichts mehr entgegenzusetzen, was die Situation hätte verbessern können. Du wolltest aber gerade mit dem lauten Verhalten ihm gegenüber erreichen, dass er aus der Reserve kommt, wach wird und nach Lösungen sucht. Hättet ihr in dieser Situation einen neutralen Berater hinzu gezogen, so wäre das möglicherweise zu lösen gewesen. So aber wurde die Distanz zwischen euch ab da immer größer. Er brauchte die Distanz, um an deiner Aggression nicht krank zu werden. Du brauchtest die Aggression um ihn wachzurütteln.
Wenn ich also den Begriff der SCHULD ganz weg lasse, und stattdessen von URSACHEN und VERANTWORTUNG rede, sieht die Sache ganz anders aus. Denn die Ursache lag in einer fragilen Ebenbürtigkeit in eurer Beziehung. Solange er gesund war, herrschte Ebenbürtigkeit, du warst halt laut und leidenschaftlich und er war halt ausgeglichen und ruhig. Da wart ihr einander ebenbürtig. In dem Moment, indem der Mann durch seine Krankheiten und Einschränkungen, durch seine Angst vor dem Tod und vor unlösbaren Problem immer ruhiger wurde, ging aber auch diese Ebenbürtigkeit verloren. Du wirktest auf ihn immer „stärker, größer, kompromissloser, aggressiver“ und er hatte dem nichts entgegenzusetzen außer seiner Ruhe, seinem Rückzug – und irgendwann auch seiner Resignation.
Es geht also überhaupt nicht um SCHULD, sondern es geht um Eigenschaften, die ihr beide mit in die Beziehung gebracht hattet, die aber durch die stark veränderte Situation angesichts von Krankheiten nicht mehr ergänzend wirkten, sondern stattdessen den Graben zwischen euch vergrößerten. Was auf der Strecke blieb, ist die Ebenbürtigkeit. Er fühlte sich unverstanden. Im Gespräch war er dir möglicherweise argumentativ unterlegen. Darum entzog er sich auch mehr und mehr den Gesprächen, denn danach fühlte er sich noch kleiner und machtloser. Er suchte nach Auswegen. Und dann suchte er sein Heil in der Flucht.
Das ist traurig. Aber du bist nicht SCHULD daran, sondern die Ursache für diese negative Entwicklung lag genau da, wo 5 Jahre lang die Ursache für eine wunderschöne und leidenschaftliche Beziehung gelegen hatte: In euren unveränderbaren Eigenschaften, die ihr mit in die Beziehung gebracht hattet. Solange beide stark waren, brachten die Freude und Glück. Sobald Schwäche ins Spiel kam, kam auch Sprachlosigkeit ins Spiel und die Ebenbürtigkeit ging flöten.
Du könntest also aufhören nach SCHULD zu suchen und zunächst einmal anerkennen, dass das, was euch beiden so lange glücklich gemacht hatte, in der Krise nicht mehr hilfreich sondern schädlich war. Und da ihr niemanden hattet, der euch darauf aufmerksam machte, half ihm irgendwann nur noch die Flucht.
Nochmal: Das ist sehr traurig, aber es ist nicht schuldbehaftet, sondern es war vermutlich unausweichlich. Und wenn es dir gelingen sollte, das alles aus einem veränderten Blickwinkel zu sehen, können vielleicht auch die Verarbeitung und das Abschließen besser gelingen.
Herzliche Grüße