Hallo an alle, ich bin neu hier, lese aber schon ein paar Tage mit. Es tut gut zu sehen, dass ich nicht alleine bin.
Vorgestern hat sich mein Freund nach fast drei Jahren Partnerschaft von mir getrennt. Wir sind beide Studierende und haben zusammen gewohnt, bis er vor zwei Monaten studientechnisch die Uni wechseln musste, 400 km entfernt. Das er gehen würde müssen, wussten wir seit etwa einem Jahr und ich habe bei der Planung und der Umsetzung geholfen. Das war sehr anstrengend, weil er wegen des Umzugs große Krisen hatte. Auch klar ist, dass er in 1,5 Jahren an meinen Studienort zurückkehren wird und ich dann noch da sein werde.
Von Anfang an hatte ich Angst vor dem Gedanken seines Umzugs, weil ich ahnte, dass es jeweils für uns beide separat und die Beziehung schwierig werden würde. Generell habe ich große Verlustängste und andere Ängste. Er hat mich immer aufgefangen, von Anfang an. Er war in solchen Zeiten und Momenten immer da, hat mich gehalten. Dass das auf Dauer anstrengend sein kann weiß ich, aber ich sprach offen und häufig mit ihm darüber, er schien das auszuhalten und ich habe nach und nach gelernt zu vertrauen. Das erste Mal in meinem Leben, zumal er -ohne Übertreibung- in 26 Jahren Lebenszeit tatsächlich der einzige Mensch ist, der mich so lange so nah bei sich ertragen und mir in schweren Zeiten tatsächlich Stütze sein konnte, so wie ich ihm umgekehrt.
Allerdings hat er selbst ein so geringes Selbstwertgefühl, dass er nie seine Wünsche, Bedürfnisse, Träume etc. geäußert hat. Sobald er in sich gehen hätte müssen und sei es nur bei der kleinsten Kleinigkeit, machte er komplett dicht und blieb dauerhaft bei einem Ich weiß nicht, was ich tun kann/soll, damit sich etwas für mich besser anfühlt stehen. Seine Emotionen zu reflektieren war und ist für ihn ein Fremdwort, weil er Angst davor hat, was zum Vorschein kommen könnte. In seiner Familie verdrängt man Gefühle auch eher, anstatt über sie zu sprechen. Er frisst alles so lange in sich hinein, bis er nicht mehr verdrängen kann. Ich dagegen reflektiere mich sehr genau und teile mich mit, habe ihn in alles Wichtige miteinbezogen, was mich bewegte, auch in alle Entscheidungen, wollte auch aktiv an unserem Kommunikationsproblem arbeiten.
Es wäre mir so wichtig gewesen, ihm beizubringen, dass man glücklicher lebt, wenn man auf sein Innerstes hört und zwar nicht erst, wenn alles zu spät ist. Zumal ich gesehen habe und immer noch sehe, wie gutmütig und sensibel er eigentlich ist (auch, wenn er kalt wirkt wenn er mauert, um nichts zu spüren), dass er toll und liebenswert ist und dass er diese Seiten an sich überhaupt nicht wahrnimmt. Das tut mir unglaublich weh.
Vorgestern sagte er mir also, dass er mich nicht mehr liebt und dass das Einleben im neuen Studienort ihm das gezeigt habe. Dass wir keine gemeinsame Basis hätten und zu verschieden seien. Wenn er daran denke, warum er in den letzten Monaten mit mir zusammen gewesen sei, käme ihm die Antwort Aus Pflichtgefühl und weil ich nicht ohne ihn klar käme. Letzteres kann ich nicht glauben, zumal wir uns gegenseitig Halt gegeben haben, auch wenn er seine Probleme kaum zuließ. Offen dafür war ich immer und das weiß er.
Mir ist klar, dass er nicht mehr zurückkommt. Es tut nur so wahnsinnig weh, dass es vielleicht aufzuhalten gewesen wäre, hätte er seine Wünsche und Bedürfnisse so offen kommuniziert wie ich meine. Wie soll man denn jemanden glücklich machen, wenn einem nicht gesagt wird wie man es am besten anzustellen hat? Letztendlich hat er mir keine Chance gelassen und das tut weh. Er hat mich einfach wie immer im letzten Moment vor vollendete Tatsachen gestellt.
Ich bin durcheinander und tief verletzt, aber ich möchte ihn gehen lassen, weil ich ihn liebe und ihm so unendlich dankbar dafür bin, was er mir gegeben hat. Auch, wenn ich selbst ihm zu anstrengend bin und keine Hoffnung habe, dass sich jemals ein Mensch findet, der meine Nähe wirklich bis an mein Lebensende erträgt.
Wie findet man zu sich selbst zurück? Wie lernt man sich selbst lieben, wenn man allen Menschen auf Dauer zu anstrengend ist, selbst, wenn sie sich fest vornehmen zu bleiben? Und wie um Himmels Willen verkraftet man es, wenn man weiß, dass man sich spätestens dann nicht mehr aus dem Weg gehen kann, wenn man sich wieder täglich auf dem Campus begegnet und so mit seinem eigenen Versagen konfrontiert wird?
30.05.2017 10:31 •
#1