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Wie im Keim erstickt

V
Hallo Zusammen,

Ich hatte ja schon ein paar Worte zu meiner letzten Beziehung geschrieben. Nach der wohnräumlichen Trennung Anfang Oktober 2019 ging es mir schnell deutlich besser.

Ich fing an Dinge zu tun, die ich mir nie im Leben vorstellen konnte. Ich ging allein in die Disco, allein ins Kino, allein ins Restaurant etc.

Die Erfahrungen waren allesamt sehr unterschiedlich. Einige gut, andere interessant, manches hätte ich mir sparen können. Mein Fazit zu dieser Zeit: Dir kann eigentlich alles passieren, wenn du einfach öfters unter Menschen gehst.

Hätte zum Beispiel auch nie für möglich gehalten, dass man von Frauen im Club als einzelner Mann auch aktiv angesprochen wird. Ist mir all die Jahre nie passiert, wenn ich in der Gruppe unterwegs war. Ich fand es dann immer schön und völlig ausreichend, wenn sich ein entspanntes Gespräch mit dem anderen Geschlecht ergeben hat. Intentionen wen mit nach Hause zu nehmen, oder überhaupt wiederzusehen, hatte ich dabei nie. Was aber blieb, waren eben schöne Erinnerungen, weil die Abende sich (vor allem durch die unverbindlichen aber angenehmen Gespräche) einfach rund anfühlten.

Tja seit Corona war es das dann. Die 10 Tage Urlaub im Lockdown zu Ostern zogen sich nahezu unerträglich in die Länge. Plötzlich war man von der Außenwelt total abgeschnitten. Die neu gefunde Lust an sozialer Interaktion auf eigene Faust und allein, unbefriedigt, gar verboten.

All die Dinge die plötzlich möglich schienen, allein verreisen, allein zum Konzert etc. Riegel davor.

Dass Datingapps nur die Illusion vermarkten, man könne dort ernsthaft jemanden kennenlernen, wenn man genügend Zeit und Geld investiert, begriff ich dann auch sehr schnell. Außerdem bin ich für das Internetzeitalter sowieso nicht wirklich geschaffen. (Kein Facebook,Insta etc.) Ich bin nicht gut darin mich selbst zu feiern oder anzupreisen und finde diese Eigenschaft bei anderen Menschen auch meistens ziemlich eklig.

Ich spüre wie meine Euphorie sinkt. Es ist nun der nächste Lockdown. Es ist nicht absehbar, wann man sich wieder frei und unbeschwert mit fremden Menschen treffen kann. Die Flügel die mir nach meiner Trennung gewachsen, sind momentan nutzlos und im Verfall, weil der Himmel für den sie geschaffen wurden versperrt bleibt.

Die Tage ziehen sich wie Kaugummi. Ich arbeite, schlafe, und vertreibe mir die restliche Zeit mit Hausarbeit und rumgammeln.

Ab und an telefoniere ich mit Freunden und Verwandten. Das ist für den Moment schön, aber dann kommt die Leere zurück. Mit ihr kommen die Erinnerungen. Alte längst beantwortete Fragen tauchen wieder auf. Menschen, die ich aus gutem Grund längst verdrängt hatte, nisten wieder in meinen Gedanken.

Sie schaffen dies, weil dort Platz ist. Platz der längst mit neuen Eindrücken und Erfahrungen belegt sein sollte, die aber im realen Leben grad nicht stattfinden konnten und können.

Ab und an verjagt ein Sixpack meine Geister, aber schon rührt sich die mahnende innere Stimme, die da sagt: Verlier dich nicht! Du weißt was aus Menschen wird die Trost im Alk. suchen. Hast es selbst erlebt.

Momentan treibt mich die Frage um, wird das Leben irgendwann wieder normal? Und wenn ja, werde ich dann nochmal die Kraft finden meine guten Ansätze von vor Corona aufzugreifen und fortzuführen? Oder gelingt es mir gar das schnerzhafte Gefühl fehlender sozialer Teilhabe aus meinem Leben zu tilgen? Geht es anderen ähnlich? Was sind eure Bewältigungsstrategien um am Ball zu bleiben und nicht aufzugeben in diesen dunklen kalten widerlichen Corona-Winter-Lockdownmonaten?

02.12.2020 20:39 • x 9 #1


H
Zitat von vonMazedonien:
Momentan treibt mich die Frage um, wird das Leben irgendwann wieder normal? Und wenn ja, werde ich dann nochmal die Kraft finden meine guten Ansätze von vor Corona aufzugreifen und fortzuführen? Oder gelingt es mir gar das schnerzhafte Gefühl fehlender sozialer Teilhabe aus meinem Leben zu tilgen? Geht es anderen ähnlich? Was sind eure Bewältigungsstrategien um am Ball zu bleiben und nicht aufzugeben in diesen dunklen kalten widerlichen Corona-Winter-Lockdownmonaten?


Verzage nicht es kommt der Tag dann ist alle wieder normal. Du kannst schon bald Dinge tun die dir gut tun.

02.12.2020 21:06 • #2


A


Wie im Keim erstickt

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F
Hallo Mazedonien

glaub mal, das können viele gut nachvollziehen, und zwar nicht nur Menschen, die alleine leben. Es wirkt alles grau, wie das Wetter zur Zeit, trist, aussichtslos. Keine Vorfreude auf ein Konzert, einen Kurztrip, einen spontanen Kaffee beim Spaziergang. Und jeden Tag Corona, Corona, Corona im Fernsehen, in der Zeitung, im Radio.
Bewältigungsstrategien: soziale Kontakte gehen in der Kneipe, auf einem Konzert leichter. Aber: Ich fange zum Beispiel Gespräche beim Bäcker an. Keine langen, klar. Oder mit Leuten, die mit dem Hund draußen sind, hat man immer gleich einen Anknüpfungspunkt (Der ist aber noch jung, oder?, Was für ein hübscher Hund, ist das ein xy?). Erst Kontakt mit dem Hund aufnehmen, je nach Lage. Geht in Parks gut. Gut auch: Waschsalon. Hat geöffnet. Ins Gespräch kommt man auch gut an Bushaltestellen oder Bahnhöfen. Einfach Mal fragen, ob das der Zug nach A ist. Oder mit welcher Linie man eigentlich nach B kommt.
Klingt merkwürdig? Funktioniert aber. Manchmal entwickeln sich tatsächlich nette Gespräche, und wenn nicht - gut, dann nächstes Mal.
Zweite Strategie: konzentriere Dich auf die anstehenden Zulassungen für Impfstoffe. (Keine Impfdebatte jetzt, bitte). Egal, wie Du selbst zum Thema Impfen stehst: es wird den Druck rausnehmen. Klar dauert es noch ein paar Monate, bis vielleicht 30 oder 40 Prozent der Menschen in Deiner Stadt geimpft sind. Aber ein Ende der Teil-Lockdowns ist in Sicht! Ganz sicher.

02.12.2020 22:51 • #3


Catalina
Mir geht es ähnlich wie dir. Und das, obwohl ich nicht alleine lebe. Trotzdem...

Ich vermisse es, mich frei und unbefangen draußen bewegen zu können, ohne ständig daran denken zu müssen, dass ich Abstand halten muss, wo ich meine Maske anziehen muss...einfach mal wieder Freunde treffen und umarmen...ganze Gesichter zu sehen und nicht nur Augen und Maske.

Hab letztens irgendwo ein Schild gesehen, auf dem stand: Lächeln statt Händeschütteln und dachte mir nur Haha, wo man davon auch soviel seht mit Maske...

Ich finde es auch belastend, dass schon so lange keine normale Freizeitgestaltung mehr möglich ist. Den ganzen Sommer kein einziger Flohmarkt, kein Stadtfest, keine Konzerte - nix. Und jetzt fallen auch die Weihnachtsmärkte aus, an gemütliches Weihnachtsshopping ist unter den Umständen eh nicht zu denken. Macht so einfach keinen Spaß.

Auch wenn ich versuche, das Beste draus zu machen und eh jemand bin, der sich auch gut alleine beschäftigen kann, ich muss zugeben, so langsam schlägt mir die Situation ziemlich aufs Gemüt. Es fühlt sich einfach an, als wäre das Leben auf Standby geschaltet und man weiß nicht, ob und wann wieder sowas wie Normalität einkehrt.

Ich hoffe auch auf die Impfung und das sich die Lage dann irgendwann wieder entspannt.

Zitat von vonMazedonien:
Was sind eure Bewältigungsstrategien um am Ball zu bleiben und nicht aufzugeben in diesen dunklen kalten widerlichen Corona-Winter-Lockdownmonaten?

Tja, so wirkliche Strategien habe ich nicht. Ich versuche mich zu beschäftigen, Dinge zu erledigen, die sonst immer liegenbleiben, oder mich mit Sachen zu befassen, für die ich sonst keine Zeit habe. Ich telefoniere und schreibe viel mit der Familie und Freunden, allerdings ist das auf Dauer kein Ersatz für persönlichen Kontakt.

Ich hasse den Winter mit seiner ständigen Dunkelheit und der Kälte sowieso, aber dieses Jahr ist es ungleich härter und ich muss aufpassen, keine Winterdepression zu entwickeln.

Wir müssen wohl einfach durchhalten, aber das finde ich schwer, wenn das Licht am Ende des Tunnels noch so verdammt weit weg ist...

03.12.2020 01:01 • x 5 #4


H
Hallo,

mir geht es ganz genau so wie dir, der Text hätte fast von mir sein können. Ich glaube es dauert noch eine ganze Weile bis es wieder normal wird aber ich glaube, wenn es endlich wieder losgeht, dass jeder so froh darüber sein wird, dass man ohne Probleme wieder an diese Ansätze anknüpfen kann und ich hoffe, dass die Menschen wegen diesem langen social distancing noch kontaktfreudiger werden.

Ich versuche eben viel mit meinen Freunden in Kontakt zu bleiben, täglich. Ansonsten stecke ich Zeit und Energie in meine Wohnung, hier was streichen da was verändern. Fange an leckere Dinge zu kochen und ich hasse Kochen eigentlich, da es für mich absolute Zeitverschwendung ist aber jetzt hat man ja mehr wie genügend Zeit versuche mich gut zu ernähren und mache wenn es geht täglich Sport.
Dating oder Kontakte knüpfen ist bei mir im Moment auf null. Ich versuche es jetzt einfach so zu akzeptieren und geduldig zu sein. Ich fühle mich aber trotzdem sehr oft einsam und auch ich öffne mir dann ne Flasche Wein, mach meine beste Musik drauf und tanze dazu etc...
Auch bin ich am überlegen (aber dies auch schon vor Corona) mir einen Hund zuzulegen, denn dann kommt man auch raus und ist nicht so alleine daheim.

Liebe Grüße

03.12.2020 16:48 • #5


V
Mir macht ehrlichgesagt auch Sorgen, dass viele Clubs, Bars und Kneipen nach der Pandemie garnicht erst wieder aufmachen. Gerade den Discotheken ging es ja vor Corona schon mies. Egal wie man es momentan dreht und wendet, man wird entweder gezwungen über das Internet neue Kontakte zu knüpfen, oder es ganz bleiben zu lassen. Mich trifft es eben auch besonders, weil ich in den 6 Jahren Beziehung in einer fremden Stadt nicht so viele eigene Kontakte knüpfen konnte. Habe ja meine Zeit weitestgehend mit der Betreuung der Tochter meiner Ex-Madame (sorry wenn ich es im Nachhinein so sagen muss) einfach nur letztlich vergeudet. Die Zeche dafür zahl ich nun dank Corona doppelt, denn nun ist wieder ein Jahr meiner Jugend draufgegangen.... Auch wenn es blöd klingt, aber mit 33 ist man auch als Mann an einem Punkt, an dem man sich langsam mal festlegen möchte, wo es in Zukunft hingeht. Ich habe zwar keinen verzweifelten Kinderwunsch, glaube aber, dass es mit der richtigen Frau nochmal was werden könnte. Der Gelegenheiten diese kennenzulernen fühle ich mich momentan massiv beraubt, gar darum betrogen, denn ich hege ernsthafte Zweifel daran, dass es richtig und fair sein soll die gesamte Bevölkerung in (Schutz)Haft zu nehmen, um Risikogruppen zu schützen. Reicht doch wenn Oma und Opa zu Hause bleiben bzw. echte Schutzmasken anstatt Deko zur Verfügung gestellt bekommen. Als HIV nach Deutschland kam, wurden weder die Bord. geschlossen, noch herrschte Kond.. Nur da redet keiner mehe davon... Sorry ich bin halt echt etwas genervt von dem Ganzen.

03.12.2020 20:13 • #6


F
Ähm - nicht nur Oma und Opa müssen geschützt werden. Auch alle chronisch Kranken, Vorerkrankte und und und. Es sterben nicht nur Ü-70 (und auch deren Tode sind nicht schön oder unerheblich). Es gibt tausende mit schweren Langzeitfolgen. Deren Behandlung Personal bindet und Kosten verursacht, die über die Krankenkasse alle Zahlen, nicht zu vergessen die teilweise monatelange Einschränkung durch Arbeitsunfähigkeit oder verringerte Leistungsfähigkeit.
Sorry, das wird jetzt zu lang... Sei froh, wenn Du gesund bist, und sei froh, wenn Dir Corona und wochen- oder monatelange Kopfschmerzen, Müdigkeit, Leistungsabfall, Atemnot beim Treppensteigen erspart bleiben.
Darüber wird noch relativ wenig berichtet. Aber solltest Du mal ne nette, attraktive ITS-Schwester kennenlernen, eine hübsche Frau, deren Bruder Asthma hat oder eine entzückende junge Dame, deren Vater herzkrank ist, wäre mein Tipp, den Oma-und-Opa-Spruch nicht zu bringen.
Ansonsten empfehle ich Dir schnellstens einen USA-Urlaub, ich glaub, da kannst Du (noch) so ziemlich alles machen, was Dir fehlt.
HIV wird übrigens anders übertragen als Corona. Du kannst mit einer HIV-Positiven arbeiten, ausgehen und auch S. haben.
Letzter Punkt: An AIDS sind leider viele Menschen gestorben, die noch lange hätten leben können, wenn man damals so gute Forschungsmöglichkeiten gehabt hätte wie heute. Zahlreiche Infektionen über Blutkonserven wären vielleicht verhindert worden. Aber da redet ja heute auch keiner mehr von.

03.12.2020 22:03 • #7


Catalina
Es gibt viele Branchen, um die ich mir Sorgen mache. Nicht nur die Gastronomie, auch Künstler, Musiker, Schauspieler am Theater, die gesamte Veranstaltungsbranche ist in Gefahr. Von allem, was mit Tourismus zusammenhängt mal ganz zu schweigen. Ich frage mich wirklich, wie wir als Land das stemmen sollen, dass nicht ganze Wirtschaftszweige vor die Hunde gehen.

Zitat von vonMazedonien:
Reicht doch wenn Oma und Opa zu Hause bleiben bzw. echte Schutzmasken anstatt Deko zur Verfügung gestellt bekommen.

Ähm, nö. Ich z.B. habe eine Autoimmunerkrankung, bin zur Zeit immunsupprimiert, gehöre damit zur Risikogruppe. Jeder, der ein schwaches Immunsystem hat, gehört dazu. Also u.a. Menschen mit Vorerkrankungen und auch Säuglinge. Deshalb reicht es eben nicht, wenn Oma und Opa zuhause bleiben. Finde solche Sprüche ehrlich gesagt auch ziemlich respektlos.

Zitat von vonMazedonien:
Als HIV nach Deutschland kam, wurden weder die Bord. geschlossen, noch herrschte Kond.. Nur da redet keiner mehe davon...

Jetzt vergleichst du aber Äpfel mit Birnen. HIV wird nicht durch einfachen Kontakt von Mensch zu Mensch übertragen, sondern nur durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten beim 6 oder durch Bluttransfusionen. Damals war die Forschung leider noch nicht so schnell wie heute, sonst hätten wohl viele Menschen vor dieser Krankheit bewahrt werden können.

Weißt du, ich bin auch genervt von den ganzen Einschränkungen, manchmal würde ich am liebsten einfach flüchten. Irgendwohin, wo ich wieder normal leben kann. Geht aber nun mal nicht, weil dieses (sorry) Drecksvirus einfach überall ist. Also müssen wir versuchen, bestmöglich mit der Situation umzugehen. Und auch wenn es mich ankotzt und ich manche Regelungen völlig schwachsinnig finde, ich halte mich an alles, denn ich könnte nicht damit leben, wenn ich wüsste, dass wegen mir jemand an Corona erkrankt oder sogar stirbt.

03.12.2020 23:13 • x 1 #8


Waldfee47
Irgendwie tröstlich, was Ihr geschrieben habt.
Kenne das auch alles.
Gehöre auch zur Risikogruppe, obwohl ich noch nicht Oma bin...
vermisse mein Cafe, in welches ich gehe, wenn mir alleine die Decke auf den Kopf fällt..
lese da oft Zeitung und trinke einen Latte Machiatto....
führe momentan teils Gespräche mit der Bächereiverkäuferin etc. pp
hatte schon gute Gespräche...
irgendwann wird alles wieder anders...
bis dahin schreiben wir uns hier den Kummer von der Seele, somit sind wir nicht alleine.
Es grüßt euch die Waldfee

03.12.2020 23:24 • x 2 #9


A


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