Hallo Siron,
vielen Dank für deine lange, ausführliche und einfühlsame Message.
Du hast sicher recht, ich habe die Situation die ganze Zeit von meiner Seite aus gesehen, aber was will man machen? Es ist nunmal ganz natürlich, daß man zuerst in den Spiegel blickt, bevor man seine Augen auf jemand anderen richtet. Ich habe mich die ganze Zeit bemüht, ihn nicht aus dem Blick zu verlieren, immer zu schauen, was er gerade denken könnte, was er meinen könnte. Aber er hat es mir natürlich auch sehr schwer gemacht. Wie kann ich denn annehmen, daß sein Mir-macht-das-nix-aus-Gehabe eine Art Rückgewinnungsversuch sein sollte?
Weißt du, in vielen Dingen hast du sicherlich recht. Auch, daß ich manches von dem, was du geschrieben hast, gar nicht hören oder lesen wollte. Aber ich habe doch darüber nachgedacht, und habe auch ein paar Schlüsse gezogen. Vielleicht war seine Annäherung an meine Freundin ein Versuch, wieder an mich heranzukommen, aber ganz ehrlich, spätestens als er gemerkt hat, wie ätzend ich das fand, hätte er den Erfolg seiner Aktion doch in Frage stellen müssen.
Ich denke, ich bin ein erwachsener Mensch und er ja noch viel mehr als ich. Warum kann man dann nicht einfach sagen Du fehlst mir, ich liebe dich, bitte komm zurück?? Wieso fällt es ihm so schwer, gefühlstechnisch offen zu sein?
Du hast auch geschrieben, daß du es schade fändest, daß diese Trennung auf einer rein rationalen Ebene abgelaufen ist. Zum einen stimmt das nicht, denn ich mußte feststellen, daß in meinem Gefühlscocktail schon seit einiger Zeit nicht mehr nur Liebe, sondern auch Gewohnheit, Mitleid und Bequemlichkeit Einzug gehalten hatten. Routine... Klar, ich mag ihn immer noch sehr gerne, aber vor allem seit wir zusammengewohnt haben, war ich von so vielen Dingen genervt. Von Kleinigkeiten wie seiner permanenten Unpünktlichkeit hin zu großen Charakterfehlern wie seinem schwarz-weißen Schubladendenken.
Ich habe unter der Situation sehr gelitten. Einerseits hatte ich ihn lieb gewonnen und konnte mir nicht vorstellen, ihn zu verlassen, andererseits merkte ich, daß sich meine Gefühle veränderten und ich immer unzufriedener in der Beziehung wurde. Und dann habe ich meine Lage analysiert von der Verstandsseite und versucht, rauszufinden, woran das liegt. Und als ich erkannt habe, daß wirklich grundlegende Dinge den Auschlag für meine Unzufriedenheit gegeben haben, konnte ich wirklich nicht anders als mich von ihm zu trennen. Zumal er nun wirklich nicht bereits war, auf mich auch nur einen Schritt zuzugehen.
Du sagtest, du seist ein Typ, der immer bereit ist, viel für eine Partnerschaft zu tun. Nun, ich denke, das bin ich auch, aber sobald ich an den Punkt komme, daß ich meine eigene Persönlichkeit verbiege, meinen Charakter verkleide und mich selbst und meine Entwicklung behinder, werde ich doch insoweit egoistisch, als daß mir mein eigenes Leben wichtiger ist. Ich kann mir nicht vorstellen, mich für einen Partner soweit zu verändern, daß ich mich nachher selbst nicht mehr erkenne. Das könnte ich vor mir selbst auch gar nicht verantworten. Und das hat er ja indirekt von mir erwartet. Dadurch, daß er sich nicht in der Lage sah, einen Kompromiß zu schließen, hat er ja von mir verlangt, mich so lange auf ihn zuzubewegen, bis es paßt. Aber ich wäre dabei unterwegs irgendwann verloren gegangen, und das wollte ich nicht.
Mißglückter Kommunikationsversuch? Mag sein. Als ich das Gespräch mit ihm suchte, war es nicht meine Intention, mich von ihm zu trennen. Aber im Verlauf des Gespräches und auch in den letzten Tagen und Wochen stellte sich immer mehr heraus, daß wir zusammen auf keinen grünen Ast kamen. Vielleicht komme ich auch deshalb mit dem Faktum Trennung mittlerweile besser klar. Ich weiß, daß es nicht anders werden kann. Wir können beide nicht über unseren Schatten springen.
Traurig bin ich darüber sicher, aber es wäre unrealistisch zu sagen Ach, die Liebe wird uns schon über alle Hürden hinweghelfen. Meiner Meinung nach kann sie das nämlich nicht schaffen. Ich rede dabei nicht von Krisen, die in jeder Beziehung auf einen warten, und die auch ich schon oft habe überwinden müssen. Nein, ich rede von wirklich gravierenden Differenzen, was Erwartungen an und Einstellung zu einer Beziehung angehen. Wie kann ich glücklich zusammenleben, wenn beide Partner von einer Beziehung etwas anderes erwarten und damit auch von ihrem jeweiligen Partner? Das kann nicht funktionieren. Und die Liebe kann das für einige Zeit übertünchen, aber irgendwann kommt es durch, und dann ist es der Verstand, der sich mit den alltäglichen Probleme, Konflikten und Zweifeln rumschlagen muß.
Daher finde ich es legitim, eine solche Entscheidung durchaus mit dem Kopf zu fällen. Was das Herz dazu sagt, darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein...
Ich hoffe, ich habe jetzt nicht zu verwirrend geschrieben und konnte dir annähernd deutlich machen, wie ich mich fühle. Ich bin nunmal kein Mensch, der Entscheidungen aus dem Bauch heraus trifft. Vielleicht wird meine Entscheidungsfindung durch ihn beeinflußt, aber den Knopf drückt immer noch der Verstand.
In diesem Sinne
Liebe Grüße
Fussel