Lieber Chris,
Auch ich bin von meiner Liebsten warm gewechselt worden (nach sechs Jahren).
Fühl dich also verstanden und gedrückt von mir.
Ein Schlag auf die Schulter; wir müssen da jetzt durch, auch wenn es weh tut.
Unsere Beziehung fing wie bei euch mit einem warmen, vielleicht eher lauwarmen Wechsel an und ist nun durch einen warmen Wechsel beendet.
Das scheint ein Muster von ihr zu sein und zeugt nicht gerade von Selbstbewusstsein.
Mir tut das wahnsinnig weh, auch weil ich meiner Liebsten einen solchen Schritt nie im Leben zugetraut hätte. Ich habe ihr immer voll vertraut. Manchmal beschleicht mich der Verdacht, dass sie mich auch schon früher betrogen hat, auch wenn ich das eigentlich nicht glauben kann. Mein Vertrauen ist eben so total zerstört worden, dass ich nicht mehr weiß, was ich noch glauben soll.
Neben dem Vertrauensverlust und anderen Dingen, ist es bei mir gerade das Kopfkino, das mit großer Phantasie und Detailreichtum zuschlägt.
Die Vorstellung, dass sie mit ihm schläft, bringt mich an den Rand dessen, was ich aushalten kann. Um mich diesem Gefühl nicht auszuliefern, gehe ich in mich und versuche hinter das Kopfkino zu kommen. Sie schläft mit ihm, jetzt, morgen oder an einem anderen Tag; meine Aufgabe aber ist es, sie jetzt los- und freizulassen. Das Band zwischen uns ist zerschnitten.
Das ist eine Tatsache.
Mir bleibt, auch wenn es weh tut, nichts anderes übrig als zu sagen: möge ihr Stöhnen, wenn der andere in ihr ist, sie erheben, befreien, glücklich machen. Einst galt ihre Leidenschaft mir, wir waren verbunden durch unsere Leidenschaften in einer Leidenschaft. Nun sind wir getrennt. Die Bilder in meinem Kopf, die mich peinigen, betreffen ihre Leidenschaft. Ich wehre mich dagegen, dass ihre Leidenschaft nicht mehr meine will, sondern seine.
Meine Leidenschaft ist ersetzt, in die nächstbeste Pfütze geworfen worden. Das ist für mich das, was am Kopfkino schmerzt und dieser Schmerz kommt vor aller Wut. Gehe ich aber hinter diesen Schmerz, sehe ich, dass meine Leidenschaft nicht mehr ihr gilt, sich gar nicht mehr mit ihrer verbinden kann, da sie damit beschäftigt ist, gegen Tatsachen anzukämpfen:
dass sie nun einen anderen liebt,
dass wir getrennt sind,
dass unserer Beziehung zerstört ist usw.
Meine Leidenschaft stemmt sich mit aller Kraft gegen das Loslassen. Es ist wie bei einer Sonnenfinsternis; so als würde die Sonne all ihre Leuchtkraft eingebüßt haben. Doch der Mond bewegt sich weiter und die Sonne wird dann von neuem leuchten, denn an meiner Leidenschaft hat sich ja nichts wesenhaftes verändert. Es ist wichtig sich dies klar zu machen: eine Trennung kann meine Leidenschaft, meine Liebesfähigkeit nicht auslöschen, ganz im Gegenteil. Bewegt sich die Sonne aber synchron mit dem Mond, d. h. mit der Trennung, dem Nicht-Loslassen, bleibt sie verdeckt. Es reicht völlig aus, mich auf die eigenen Leidenschaft zu konzentrieren und den Mond ziehen zu lassen. Sie wieder scheinen, hoffentlich für eine Andere, die sich mir in Freiheit zuwendet. In Freiheit hat sich meine alte Liebe von mir abgewendet, in Freiheit ist meine Leidenschaft nun alleine.
Es gehört eben zu den Grundtatsachen des Lebens, dass Menschen in selbstbestimmter und freier Entscheidung lieben und sich genau so auch wieder trennen. Manchmal überlappen sich diese Vorgänge … Liebe lebt von der Freiheit; Zwang, Sehnsucht, Wut, Nicht-Wahrhaben-Wollen können Freiheit nicht ersetzen. Wenn man die Freiheit in ersten Fall will und genießt, muss man sie auch im anderen annehmen.
Viele Grüße
Seden
24.07.2013 01:49 •
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