Hallo Polly89,
@Kontra hat mich hier auf deinen Thread verlinkt. Auch ich möchte dir erstmals mein Mitgefühl für deine Situation aussprechen. Das klingt wirklich heftig.
Zitat:Sie macht mich weiterhin psychisch fertig, ich finde sie einfach nur anstrengend. Eine Mutter ist sie für mich schon lange nicht mehr (seit meiner Jugenden eigentlich schon nicht mehr). Abwer ich habe sie natürlich trotzdem lieb und möchte nicht, dass sie sich was antut, oder dass es ihr schlecht geht, wenn ich den Kontakt abbreche. aber so kann es für mich auch nicht weitergehen.
Ich kenne diese Situation nur zu gut. Genau so ging es mir bis vor kurzem mit meiner eigenen Mutter. Auch sie war für mich schon lange keine Mutter mehr, der Begegnungen mit ihr gaben mir überhaupt nichts positives, nein, auch sie erpresste mich emotional, setzte mich so unter Druck, instrumentalisierte mich so für ihre eigenen Bedürfnisse und überschritt dabei meine Grenzen, war schlussendlich nur noch ein Stressfaktor in meinem Leben. Ich halte das im öffentlichen Bereich jetzt etwas allgemein, aber es war wild mit ihr und auch ich hatte mit ihr viele schlimme, verletzende und eindrückliche Erlebnisse. Dass ich sie noch lieb hatte, würde ich schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr sagen. Aber trotzdem steckte ich in der von dir beschriebenen Ambivalenz: Sie war doch schließlich trotzdem meine Mutter, ich hielt sie für so schwach, rationalisierte ihr Verhalten (wenn sie sich anders Verhalten könnte, würde sie es tun.), brachte es lange nicht übers Herz, sie komplett aus meinem Leben zu treten.
Zitat:Ganz genau. Die ersten Lebensjahre bis ins Kindesalter, habe ich eigentlich ausschließlich gute Erinnerungen an sie. Sie war sehr liebevoll und ich war in der Zeit auch ein totales Mamakind. Diese Erinnerungen machen es schwer zu akzeptieren, was für ein Mensch sie geworden ist.
Ich weiß nicht, ob unsere Situationen hier vergleichbar sind: Deine Mutter könnte sich wirklich erst durch ihre Alk. so verändert haben, meine Mutter war ihr ganzes Leben lang so, wie ich es oben oberflächlich beschrieben habe. Aber jetzt ein interessantes Phänomen: Auch ich dachte lange, dass ich eine absolut glückliche Kindheit hatte, hatte an diese und meine Mutter hauptsächlich positive Erinnerungen. Ich benötigte meinen Therapeuten um zu erkennen: Ein Kind ist gezwungen seine Eltern zu idealisieren und zu lieben, weil es diese zum Überleben braucht. Die menschliche Psyche hat gewaltige Kompensationsmechanismen, gewöhnt sich sogar an solche Zustände, empfindet solche dann als Normalität. Mit Hilfe meines Therapeuten konnte ich dann auf meine Kindheit und Jugend objektiver zurückblicken und erkennen, dass hier doch nicht alles so toll war, wie ich einst selbst glaubte.
Unabhängig davon, ob du hier einen Zusammenhang finden kannst: Ich ging darauf jetzt ein, weil ich weiß, wie stark diese positiven Kindheitserinnerungen einen Ablösungsprozess erschweren. Lange Zeit (als meine Erinnerungen noch verfälscht waren) schossen mir, wenn ich einen Kontaktabbruch mit meiner Mutter in Erwägung zog, dann Erinnerungen aus der Kindheit in mir hoch: Wie sie aufwändigste Themengeburtstagspartys für mich organisierte, wie wir gemeinsam bastelten, spielten, wie bemüht sie doch teilweise um mich schien. Ich fühlte mich, als ob ich ihr für das was sie alles für mich tat etwas schulde. Ich redete mir ein, sie ist doch ein guter Mensch, sie kann nur nicht anders. Auch bei dir sind diese Rationalisierung herauslesbar. Wäre der Alk. weg, wäre sie eine andere Frau? Sie ist im Grunde eine arme Frau die dies und dies nie gelernt hat? Wichtig zu diesem Thema: Das nutzt dir momentan gar nichts, sie verhält sich dir gegenüber (und das schon lange) genau wie sie es tut: absolut verletzend, Übergriffig und toxisch. Und so etwas muss sich wirklich niemand geben, auch wenn es sich um die eigene Mutter handelt.
Und das, auch wenn es für mich noch so verständlich ist, dass du momentan noch so reagierst: Ich denke, ich habe dir damit nicht viel neues erzählt, dass sich das niemand gefallen lassen muss, aber die Dynamik und Stärke in einer Mutter-Kind Beziehung ist gewaltig, solche Dinge mit den eigenen Eltern, sind oft die hässlichsten und schwierigsten Dinge, zum sich damit auseinanderzusetzten, hier steckt meist so viel ungeahntes im Hintergrund. Und ich denke, ich wäre ohne therapeutische Hilfe hier auch stecken geblieben. Wie auch andere es schrieben: Auch ich empfehle dir, dir dazu überlegen, ob du dich bei dieser Situation von einem Therapeuten, Suchthilfe etc. helfen lassen möchtest, die dir bestimmt auch dabei helfen können, dieses Thema weiterzubringen, Veränderungen zu erzielen, anstatt dich in dieser Beziehung weiterhin hilflos treiben zu lassen und auf ihr Agieren weiterhin reagieren zu müssen.
Mein Weg war es, wie erwähnt eine Therapie anzugehen. In dieser wurde meine Mutter rasch zum Thema. Ein guter Therapeut, wird dich hier auch deine eigene Entscheidung treffen lassen und bei allen deinen Wegen unterstützen. Mein Therapeut drängte mich niemals in die Richtung, dass ich den Kontakt zu ihr abbrechen soll oder ähnliches. Aber er zeigte mir auf, was sie mit mir macht, benannte das Kind beim Namen, besprach mit mir weitere Möglichkeiten mit den Schwierigkeiten, die sich mit ihr ergaben umzugehen, brachte mich zum Nachdenken, wieso ich handle, wie ich es tue etc. Ich persönliche wollte der Beziehung zu meiner Mutter zunächst eine Chance geben, die oben beschriebenen Prozesse waren noch zu stark, änderte dabei, das was in meiner Hand lag: Ich setzte ihr Grenzen, sprach an was ich mir von ihr erwarte und begegnete ihr mit Konsequenz. Sie konnte damit nicht umgehen, es war nicht absehbar, dass sie ihr Verhalten ändern wird. Und ich konnte es dann wirklich akzeptieren: Es liegt nicht in meiner Hand, wie sie ist und ich werde es nie ändern können. Mein Therapeut fragte mich dann in einer Sitzung: Was ist der Grund, dass ich diese Beziehung überhaupt noch fortsetzten möchte? Der letzte Grund, den ich zu diesem Zeitpunkt noch nennen konnte: Ich weiß nicht, ob sie es ertragen könnte, wenn ich ihn abbreche. Und die Antwort meines Therapeuten: Nimm dich hier nicht so wichtig, deine Mutter ist mittlerweile über 50 Jahre alt, lebt ihr ganzes Leben schon mit ihren Verhaltensweisen und Emotionen, sie schlägt sich schon irgendwie durch. Ich gab ihm so Recht mit seiner Aussage, schaffte es dann einen völligen Kontaktabbruch mit ihr durchzuziehen. Und ich bereue nichts, für mich war es der einzig richtige Weg. Und mir geht es wesentlich besser, seit ich sie nicht mehr im Leben habe.
Du wirst hier für dich deinen eigenen Weg finden müssen. Eine Frage, die mir bei solchen Situationen immer sehr gefällt: Was würdest du deiner besten Freundin raten, die dir so etwas schildert? Und (vermutlich) gleich die nächste Frage die sich ergibt: Wieso handelst du dann selber nicht so?
Aufjedenfall möchte ich dir diesbezüglich mitgeben: Ein Kontaktabbruch erscheint mir in deiner jetztigen Situation mehr als nur sinnvoll. Sie wird sich unter diesen Umständen vermutlich auch nicht ändern. Im Gegenteil: Du lernst ihr , dass sie sich alles leisten kann, dass du auf ihr Agieren wie Suiziddrohungen anspringst und sie dich somit in der Hand hat. Eine Frau wie sie braucht ABSOLUTE Konsequenz. z.B. Mach einen Entzug oder ich will dich nie wieder sehen. Aber: Droh ihr nicht mit einem Kontaktabbruch, wenn du nicht eisern gewillt bist diesen durchzuziehen, das riecht sie. Das heißt auch ihr alle Kommunikationsmöglichkeiten zu dir zu nehmen (FB blockieren etc.) und keine Reaktionen von dir, egal was sie macht. Im schlimmsten Fall (z.B. sie erreicht eine Kontaktaufnahme und droht mit Suizid): Wenn du nicht damit Leben kannst nicht darauf zu reagieren - was verständlich ist - Polizei einschalten, Situation schildern und die kümmern sich darum, falls sie in die Psychiatrie eingewiesen wird - kein Besuch etc.
Wünsch dir viel Kraft und alles Gute. Und hol dir dabei die Untestützung die du brauchst.
ramse
Nachtrag: Seh gerade, dass du bereits in Therapie bist. Dann würde ich aber nach so langer Zeit auch vorschlagen, dass du es eventuell mal mit einem Wechsel versuchst.