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Trennung, Verlust und 1000 Fragezeichen

Meloni
Hallo liebes Forum,

erst einmal möchte ich Euch sagen, wie froh ich bin, dass ich dieses Forum gefunden habe. Ich lese hier schon eine Weile mit und finde es sehr tröstlich, mit meinem Schmerz nicht allein zu sein. Manchmal empfinde ich die Reaktionen und Ratschläge echt sehr hart, auch wenn es wahrscheinlich die Realität ist, aber hilft das, wenn man sich gerade richtig mies fühlt. Deshalb habe ich eine Weile überlegt, ob ich meine Geschichte hier teilen möchte, aber vielleicht wird ja auch dieser Beitrag, oder die Reaktionen darauf, für eine andere Person hilfreich sein.
Ich habe vor knapp 8 Jahren eine Dame aus England kennengelernt, die zu dem Zeitpunkt schon ein dreiviertel Jahr in Berlin arbeitete (Forschung). Wir konnten sofort miteinander lachen und wollten uns gegenseitig bei unseren Sprachlernbemühungen helfen. Es entwickelte sich schnell mehr, wir gingen jede Woche zum Tanzkurs und sie zog nach ein paar Monaten bei mir ein. Neben all den schönen Momenten, merkte ich schon sehr, wie unterschiedlich wir in vielen Belangen waren und stellte dies so manchmal in Frage. Sie (J.) meinte, dass dies sehr bereichernd sein kann und die Beziehung entwickelte sich, es waren aber schon einige Kompromisse notwendig.
Kurz zur Erklärung: J. 47, hat in ihrem Leben noch nie länger als 4 Jahre an einem Ort gelebt, außer jetzt in Berlin (8 Jahre)Schon als Kind wurde permanent, aufgrund des Jobs ihres Vaters umgezogen (England, Venezuela, USA, Schottland, etc.) Ihr Vater trennte sich von der Familie als J. 18 Jahre alt war und ließ die Mama mit den drei Mädchen zurück. Das ist fast 30 Jahre her, wenn J. davon erzählt, hat man den Eindruck es war letzte Woche. J. hat wohl sehr zeitig erkannt, Familie ist gefährlich, da wird man verletzt und verlassen und hat als ihr Baby die Forschung entdeckt. (J. hat keine Kinder und nur ein Fernbeziehung vor mir)
Als wir uns kennenlernten, wurde die Welt für J. bunter und sie hat mir dies immer wieder auf hundert kleinen Zettelbotschaften geschrieben. Ich habe mich in unseren ganzen Zeit wirklich sehr geliebt gefühlt. Auch als ich am Anfang unserer Beziehung meine Bedenken äußerte, dass sie ja evtl. wieder ein Jobangebot aus dem Ausland bekommt und sie dann geht, kam klar die Antwort, ich möchte in Deutschland bleiben. Ebenso auf meine Frage, ob J. sich vorstellen könnte mal eher in den Ruhestand zu gehen, (da uns 14 Jahre trennen, was aber in keiner Hinsicht ein Problem war) reagierte J. positiv.
So entwickelte sich unsere Beziehung die letzten 7 Jahre so gut, dass ich ihr letzten September einen Heiratsantrag machte. Seit dem hatte sich etwas verändert, was ich anfangs gar nicht so richtig bemerkte. Es gab Tage, da erzählte J. anderen freudig von unserem Plan und Tage, welche anders waren. Auf meine Nachfrage, was an diesen Tagen das Problem ist, sagte J., ich habe Angst, dass Du mich verlässt und ich dann völlig einsam bin, da hier alles mit dir zu tun hat und alles deine Freunde sind. J. ist ein wunderbarer Mensch und wirklich alle mögen sie) Meine erste Reaktion, die etwas trösten sollte und ihr evtl. ein Schmunzeln entlockt war, dass ich doch 14 Jahre älter bin und froh, wenn sie mich nicht verlässt, aber alles erklären hilft nicht, wenn eine Person über viele Jahre ihre Dämonen mit sich herumträgt.
Wir haben weiter geplant, Termin für eine Party in Deutschland in diesem Jahr sowie die Trauung im nächsten Jahr in England gesucht, Einladungskarten entworfen, uns Location in England (vor Ort) angesehen, Kontakt zum Catering aufgenommen und dann. ?
Gab es ein Jobangebot einer Uni in Österreich, eine Professur (Titel und Geld stehen für J. aber nicht im Vordergrund, so kenne ich sie) J. wollte dies aber nur nutzen, um ihren derzeitigen Arbeitgeber etwas unter Druck zu setzen. Sie flog nach Wien und ich hatte ein komisches Gefühl. J. kam zurück und sagte mir, sie könne sich dies gut vorstellen und würde mit Austrian Airlines einen Deal machen, dass sie jeden Freitag nach Hause kommt.
Ich habe von Anfang an unserer Beziehung kein Geheimnis daraus gemacht, das Fern- oder Wochenendbeziehungen nichts für mich sind. Ich habe im Spaß immer gesagt, ich würde nicht einmal in den Süden von Berlin ziehen (ich wohne im Nordosten) Ich genieße es den Alltag mit jemandem zu teilen. z.B. Tanzverein, im Sommer abends zum See, Kino, mal Essen gehen, etc. J. sah durchaus Optionen. Ich könnte ja mit nach Wien gehen oder eben diese WE- Beziehung. Dazu muss ich sagen, dass wir ein großes Haus mit ebenso großem Garten haben, einen Kater, Teichfische, meine Eltern (beide 95 Jahre) in der Nähe, welche auch Unterstützung brauchen, meine Kinder mit ihren kleinen Familien, einen großen Freundeskreis, etc. Beide Optionen sind für mich nicht denkbar. entweder lasse ich alles was mir wichtig ist zurück und fange mit 61 Jahren, in Wien ein neues Leben an, oder ich regel all die Dinge (Haus und Garten, Eltern, etc.) in der Woche allein, um dann evtl. mit meiner Partnerin ein schönes Wochenende zu verleben. Nun stand die Entscheidung, Wien oder Beziehung? So bitter es ist, ich wollte auch nicht, dass J. unglücklich ist, weil sie diese vermeintliche Chance nicht genutzt hat. Oder die Frage an mich, sitze ich die nächsten Jahre wie auf einem Pulverfass? da ja die anfänglichen Aussagen zu Ausland und Ruhestand, wohl nicht mehr stimmen. mein Vertrauen in ihre Worte war leider weg.
Wir haben uns getrennt und J. geht nach Wien. Es schmerzt sehr. es geht nicht nur um die Person, sondern um all das was geplant war und jetzt in Scherben liegt. Ich habe den Eindruck, mit dieser Entscheidung hat sich J. von all ihren Dämonen und Ängsten befreit und geht dahin wo sie sich sicher fühlt. Arbeit, Forschung, Anerkennung (die der Vater nur für die Kinder in der neuen Familie übrig hat).
Ich danke Euch, dass ihr es bis hier ausgehalten habt und bin dann doch gespannt, wie Ihr das seht.

10.04.2025 10:03 • x 5 #1


Heavydreamy
@Meloni Hallo

Ich finde, es war richtig, sie gehen zu lassen.

Zitat von Meloni:
Wir haben uns getrennt und J. geht nach Wien. Es schmerzt sehr. es geht nicht nur um die Person, sondern um all das was geplant war und jetzt in Scherben liegt. Ich habe den Eindruck, mit dieser Entscheidung hat sich J. von all ihren Dämonen und Ängsten befreit

Zitat von Meloni:
Oder die Frage an mich, sitze ich die nächsten Jahre wie auf einem Pulverfass? da ja die anfänglichen Aussagen zu Ausland und Ruhestand, wohl nicht mehr stimmen. mein Vertrauen in ihre Worte war leider weg.


Deine Gedanken und auch die Frage, wegen Pulverfass ist absolut berechtigt und hat seinen Grund. Dein Bauchgefühl funktioniert gut!

Auch wenn jetzt alles schmerzt, weil sich dein Leben jetzt doch wieder verändert hat dadurch, es bewahrt dich auf jeden Fall vor einer weiteren Enttäuschung mit deiner Expartnerin.

Ausserdem hast du dein ganzen Privatleben um dich, mit Familie, Freunden. Das gibt dir auch sicherlich Halt.
In Wien wärste du ganz alleine dann, wenn sie sich da irgendwie dann doch anders entschieden hätte.

10.04.2025 10:29 • x 4 #2


A


Trennung, Verlust und 1000 Fragezeichen

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Heike1307
So leid es mir für dich tut, ich finde auch das diese Entscheidung richtig war.

10.04.2025 11:37 • x 5 #3


Ayaka
Zitat von Meloni:
Ich habe den Eindruck, mit dieser Entscheidung hat sich J. von all ihren Dämonen und Ängsten befreit und geht dahin wo sie sich sicher fühlt. Arbeit, Forschung, Anerkennung (die der Vater nur für die Kinder in der neuen Familie übrig hat).

Es könnte aber auch sein, dass du einfach all die Jahre ausgeblendet hast, dass sie eben ein Mensch ist, der nicht allzu lange an einem Ort bleiben will. Ein Mensch für den ein Forever After am selben Fleck nix ist. Ich glaube es würde sich leichter für dich heilen, wenn du das einfach als ihre Art zu Leben und ihre Entscheidung akzeptierst anstatt es zu pathologisieren.

Ihr hattet eine schöne Zeit, wunderbare Jahre miteinander verbracht aber nun trennen sich die Wege (absehbar), weil ihr nun mal andere Zielvorstellungen habt. Die Forscher, die ich kennenlernen durfte, haben sich alle mit voller Hingabe der Forschung verschrieben und würde ein tolles Angebot nicht ausschlagen.

10.04.2025 11:51 • #4


Meloni
@Ayaka
Ausgeblendet habe ich nichts. Ich habe die Möglichkeit, dass sie wieder weiterzieht am Anfang unserer Beziehung gesehen und angesprochen, ihre Reaktion steht in meinem Beitrag... sie möchte in Deutschland bleiben. Wäre das nicht so gewesen, hätte unsere Beziehung gar keine Perspektive gehabt.

10.04.2025 13:02 • #5


VictoriaSiempre
Vielleicht schlägt jetzt auch der Altersunterschied ein wenig durch

Sie kann mit 47 noch eine Menge reißen, geht in ihrem Beruf auf und hat jetzt ein Angebot bekommen, das sie nicht ausschlagen möchte. Während Du mit 61 in ein paar Jahren bereits in Rente bist.

Nicht missverstehen: Ich finde den Altersunterschied nicht schlimm und das kann durchaus funktionieren - aber nur, wenn beide die gleichen Vorstellungen von ihrem (Zusammen)Leben haben.

Wenn für Dich eine Fernbeziehung oder Dein Umzug so überhaupt nicht in Frage kommt, dann war diese Trennung die einzige logische Konsequenz. Du kannst nicht erwarten, dass sie ein Projekt ausschlägt, das ihr „Baby“ betrifft.

Ich hätte es vermutlich erst einmal mit einer Fernbeziehung versucht; Berlin und Wien trennen mit dem Flieger nur wenige Stunden. Aber es ist völlig legitim, sich dagegen zu entscheiden.

Dein Kummer tut mir leid

10.04.2025 13:04 • x 3 #6


GreenTara
Hallo @Meloni, auch wenn es weh tut, du hast m. M. richtig gehandelt. Ich denke, die Frau ist im Gegensatz zu dir entwurzelt, und hat sich damit arrangiert. Jetzt wurde ihr die Endgültigkeit bewusst, sich nieder zu lassen, in deinem Umfeld. Sie hat gesehen, dass eine Heimat einem Menschen Stabilität gibt, aber es ist nicht ihre Heimat. Sie hat erkannt, sie ist Gast. Der entwurzelte Mensch findet Trost in der Freiheit, er hat sein unsichtbares Schneckenhaus. Jetzt ist sie ihrem inneren Ruf gefolgt, ihrem Wesen, geprägt von ihren Erfahrungen. Ein freier Entschluss. Was wäre gewesen, sie hätte deine Heimat als ihre akzeptiert, und du hättest dann die Beziehung beendet? Ihr wäre weniger als Nichts geblieben, weil sie ihr Schneckenhaus ja aufgegeben hätte.

10.04.2025 14:59 • x 1 #7


Meloni
@GreenTara

Vielen lieben Dank, für Deine verständnisvolle und tröstende Antwort

11.04.2025 08:18 • #8




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