Seit gestern abend ist es ausgesprochen. Trennung. Vorbei. Aus.
Nach 12 Jahren zusammen, neun Jahren Ehe. Wir hatten viele auf und ab, haben uns aber immer wieder zusammengerauft, uns gesagt, dass wir das schaffen, zusammen. Diesmal nicht. Kann es noch nicht fassen, noch nicht glauben. Das wars jetzt also?
Magenschmerzen, Übelkeit. Die Nacht allein verbracht. Kaum geschlafen, kann nichts essen. Mir ist schlecht, ich bin müde und doch total augekratzt, gleichzeitig erstarrt und aufgewühlt. Totales Gefühlschaos.
Trauer, Schmerz, Trotz, Fassungslosigkeit, Ungläubigkeit. Das ist nicht wahr, das kann nicht sein.
Wehmut, Sehnsucht, solche Sehnsucht. Gedankenkarussel. Hin und her gerissen. Lethargie, Aktionismus, Kapitulation, Kampfgeist.
Stehe im Bad, starre auf die Stelle wo sonst sein Rasierzeug liegt, es ist weg. Diesmal nicht nur für ein paar Tage, weil er irgendwo unterwegs ist. Diesmal für immer. Kann das sein? Ich begreif es nicht. Es ist noch nicht angekommen.
Wut? Nein, zumindest noch nicht. Der Kopf sagt, dass er recht hat. Wir sind schon sehr verschieden, ja, stimmt. Er extrovertiert, ich introvertiert. Er kreativer Chaot, ich ordentliche Planerin. Wir sind viele Kompromisse eingegangen, immer wieder, haben zurückgesteckt füreinander. Haben auch immer wieder phasenweise mehr oder weniger nur noch nebeneinander her gelebt, bis bei einem der Leidensdruck zu gross wurde und wir uns wieder ausgesprochen haben, mehr Mühe miteinander gegeben haben und dann war es wieder gut und richtig und schön. Da ist eben auch so vieles, was gepasst hat, wo wir im Gleichklang waren oder uns gerade durch unsere Verschiedenheit wunderbar ergänzt haben. Da ist Zuneigung, Respekt, Vetrauen, Vertrautheit. Sich aufeinander verlassen können. Da ist doch eine Basis, die vieles aufwiegt und abfängt.
Aber da ist auch der eine Punkt, die eine Frage, bei der es keine Kompromisse gibt. Kinder. Familie.
Er kommt aus einer sehr liebevollen Familie. Für ihn war klar, dass er auch mal eine Eigene gründen will. Dann kam ich, andere Vorgeschichte, andere Einstellung. Kein Kinderwunsch. Wir haben darüber gesprochen vor der Heirat. Uns war klar, das wird eine riesen Herausforderung. Ich hab ihm gesagt, ich kann nicht versprechen dass sich das je ändert bei mir. Hab ihm gesagt, dass bei mir bleiben heissen kann, Kinderlos zu bleiben. Er dachte, er könnte das akzeptieren, er wolle ja nicht mit irgenwem Kinder, sondern wenn dann mit mir. Und einige Jahre ging es auch. Vor ein paar Jahren stand bei ihm eine grosse berufliche Veränderung an, und da kam auch das Thema Familie noch mal hoch, da meinte er, er hätte abgeschlossen damit und würde sich jetzt den beruflichen Traum verwirklichen, und wir hätten ja immer noch uns, das sei ihm wichtig. Tief drin haben wir glaub ich beide gespürt, das es so einfach nicht ist, aber man hofft ja doch immer.
Jetzt ist er 40, ich 36, und ihm ist klar geworden, so langsam schliesst sich das Fenster wirklich. Und er kann sich nichts mehr vormachen. Er will nicht auf Kinder verzichten. Wir haben noch mal intensiv diskutiert die letzten Tage, und finden keine Lösung mehr. Ich hab noch mal in mich reingehört, aber kann mich nicht zu einem Kind durchringen, es wäre nur ihm zuliebe. Gut möglich, dass das in der Schwangerschaft oder wenn das Kind erst mal da ist plötzlich umschlagen würde, ich mir nichts besseres und schöneres mehr vorstellen kann und nicht mehr begreife, warum ich das nicht schon viel früher gewagt hab. Aber was, wenn nicht? Mutterinstinkt und Mutterliebe sind kein Automatismus, da gibts genügend traurige Beispiele. Dann wäre das Drama perfekt, und auch noch ein Kind mittendrin, das es ausbaden muss.
Er weiss, dass es keine Garantie gibt dass er eine andere findet mit der er seinen Traum verwirklichen kann, dass es auch schief gehn kann, er es vielleicht bereut sich getrennt zu haben, aber er will es zumindest versucht haben.
Ich kann es ihm nicht verübeln. Ich weiss, wie tief dieser Wunsch in ihm sitzt. Hatte auch immer mal wieder Phasen wo ich mich schlecht und schuldig gefühlt habe, dass ich ihm das vorenthalte. Weiss, das das immer ein wunder Punkt war und immer bleiben würde. Es ist vernünftig, jetzt die Bremse zu ziehen. Bevor Schuldgefühl und Sehnsucht umschlägt in Verbitterung, bevor aus Zuneigung und Respekt Verachtung wird und Hass und wir uns nur noch gegenseitig vorwerfen, auf was wir im Leben alles verzichtet haben für den anderen. Ein Neubeginn, eine Chance, nicht nur für ihn, auch für mich.
Mein Verstand weiß das, aber das Herz kommt da nicht mit, noch lange nicht.
Gefühlschaos. Achterbahn. Verständis, Leugnen, Einsicht, Aufbäumen.
Es herausschreiben wollen, verkriechen wollen.
Es soll aufhören, dieses Durcheinander, dieser Schmerz, dabei fängt es doch gerade erst an. Wie soll das noch werden? Mir graut vor den nächsten Wochen, Monaten. Was uns da noch bevorsteht, emotional und an Dingen, die zu regeln, zu ordnen, zu klären sind.
Verschwinden wollen, nur Ruhe, Dunkelheit, Taubheit, weg von allem. Dann wieder der Stolz, der Trotz. Ich kann gut allein sein, brauche viel Zeit für mich. Das ist Schwäche und Stärke zugleich. Es kann mir jetzt helfen. Ich will das Gute daran sehen. Ich hab schon anderes durchlitten und überstanden, ich werde auch das überstehen. Es wird mich stärken. Ich will daran glauben, aber im nächsten Moment sind das wieder nur leere Phrasen. Es tut so weh, so weh, so weh. Ich will nach vorn sehn und gleichzeit zurück, will die Chance ergreifen und gleichzeitig bewahren was wir hatten.
Ich weiss, es braucht Zeit. Jetzt ist alles noch so frisch, so roh, so unfassbar. Ich dreh mich im Kreis.
Habe Angst vor dem was da noch alles kommt. Davor, wie oft ich noch aufwachen werde aus einem unruhigen Halbschlaf und die Erkenntnis kommt wie ein Schlag in den Magen: es ist vorbei mit uns, uns gibt es nicht mehr, es ist wirklich passiert, kein Albtraum, sondern Realität.
Danke fürs zuhören...
11.06.2014 18:28 •
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