Hallo jnky,
ich finde es gut, dass ihr beide bereit seid, Trennung auf Zeit auszuprobieren. Das signalisiert m.E. immer mal wieder, dass beide etwas reifere Vorstellungen von der Beziehung und auch den Willen haben, etwas verändern zu wollen. Von daher würde ich schonmal sagen, dass man nicht die Hoffnung verlieren sollte. Auch wenn meine Frau und ich aus etwas anderen Gründen getrennt wohnten, kann man durchaus sagen, dass es keine schlechte Erfahrung war. Man lernt sich neu kennen, wenn man sich ganz um sich selbst und um den Haushalt usw. kümmern muss. Dann merkt man wieder, inwiefern man wirklich bereit wäre, auf gewisse Dinge zu verzichten, wenn man wieder zusammenwohnen sollte. Falls dich meine derzeitige Geschichte interessiert, kannst du sie lesen unter Am Rande der Trennung, einfach mal in die Suchleiste eingeben.
Rückschauend auf meine eigene Erfahrung kann ich sagen, dass ich zu früh mit meiner Frau wieder zusammengezogen bin und jetzt ernte ich die bitteren Früchte dafür, dass ich nicht auf mein Herz hörte, sondern ihr Schmerz ersparen wollte. Meiner Liebe zu ihr hatte das Getrennt-Wohnen nicht geschadet. Ich hatte einfach meinen eigenen Raum und musste lernen, mich nur auf mich zu konzentrieren. So etwas kann man mit der Zeit verlernen, wenn das Zusammenwohnen problematisch wird, man sich aber irgendwie damit abfindet. Ich glaube, wenn eine Beziehung wirklich passt, dann wird sie auch eine Trennung auf Zeit oder sogar permanent getrennte Wohnungen überdauern. Es gibt alte Ehepaare, die das die ganze Ehe lang auch so machen und davon überzeugt sind, dass ihre Ehen deswegen so lange gehalten haben. Liebt man sich, dann liebt man sich eben. Solange beide sich auch genügend Selbstliebe geben, wird niemand dadurch gekränkt, dass der andere nicht permanent da ist. Die gemeinsame Zeit zusammen wird dann umso wichtiger und beide haben viel zu geben, weil sie selbstständiger geworden sind und nichts vom Partner gerne ergänzt haben möchten.
Das Getrennt-Wohnen kommt für mich in Frage, weil meine Frau mit psychischen Problemen auf eine m.E. destruktive Art zurechtzukommen versucht. Ich habe versucht, ihr zu helfen, merkte aber mit der Zeit, dass es nie genug Hilfe geben konnte. Es war wie ein löchriger Eimer: So viel man hineingoss, am Ende stand er leer und verlangte nach mehr. Mein Studium wurde schwieriger dadurch, ich wurde erschöpft, schlaflose Nächte waren die Folge. Da wurde mir klar, dass meine Frau leider eine längere Zeit allein braucht, um wieder ganz fest auf zwei Beinen zu stehen. Wenn sie mich wirklich liebt, dann wird sie auch einen Weg finden, das nicht als Angriff oder Verletzung zu interpretieren sondern vielmehr als wohlmeinenden Versuch, ihr, mein und unser gemeinsames Leben zu verbessern. Es kommt doch darauf an, was man wirklich in sich spürt und wenn es Liebe ist, dann ist da nichts verkehrt und es findet sich ein Weg. Der Trick dabei ist aber wirklich GETRENNT zu sein, d.h. auch im Kopf. Es ist wichtig, dass ihr nicht unter großer Anspannung die Trennung auf Zeit erlebt, so in etwa, als würdet ihr eine wichtige Prüfung schreiben, denn dann hat das Ganze etwas gekünsteltes und zwanghaftes an sich. Dabei geht es darum, so natürlich wie möglich zu leben und zu gucken, was in einem vorgeht. Konstruiert da keine Gedanken, die etwa stets betonen, dass die Ehe auf dem Spiel stehe und irgendwas dabei rauskommen müsse. Denn es stimmt nicht und es macht euch beiden nur unnötigen Stress und führt am Ende womöglich sogar genau das herbei, was ihr eigentlich vermeiden wollt. Gönnt euch die Zeit und fühlt euch nicht gezwungen, große Entscheidungen unter Zeitdruck treffen zu müssen. Tut ihr das, dann wird die Entscheidung keine natürliche, vom Gefühl herkommende sein, sondern vielmehr eine vom Verstand zusammengebastelte Notentscheidung sein, die aber höchstwahrscheinlich kaum etwas mit euren tatsächlichen Gefühlen zu tun hat. Denn Zeit ist eine notwendige aber in solchen Zusammenhängen auch erbarmungslose Größe, die unabhängig von Gefühlen oder inneren Entwicklungen einfach stumpf abläuft. Sag mal einem Ast im Winter, er hat nur eine Woche, Knospen zu treiben. Vordefinierte Zeiträume und natürliche Entwicklungen passen oft schlecht zusammen.
Was die Symptome angeht, die du zur Zeit leider erfährst: Auch ich habe regelmäßig diese Symptome. Ganz am Anfang dachte ich, ich müsse sterben. Meine Muskeln zuckten, als würde das auch passieren. Ich aß manchmal zwei Tage nichts, trank nur Wasser und kriegte lediglich eine Tasse Brühe runter. Was du durchmachst ist tatsächlich einen neurobiologischen Entzug. Dein Körper gewöhnt sich an die neuronale Ausschüttung von Glückshormonen, die wiederum daher rührt, dass du dich verliebt und in eine Beziehung hineinbegeben hast. Die Natur meint es dabei gut, will sie uns doch auch einen körperlich spürbaren Grund liefern, andere zu lieben und uns fortzupflanzen. Das ist das Ja-Sagen der Natur zum Leben und zur Verbreitung dessen. Leider hat das aber auch seine Schattenseite, wie du nun leider herausfinden musst. Denn so mächtig die neurobiologische Dynamik des Zusammenkommens ist, so mächtig ist auch die neurobiologische Dynamik der Trennung. Behandle dich als wärest du krank. Es ist auch nichts anderes, als eine seelische Erkrankung, die direkt auf den Körper zugreift. Geh schonend mit dir um und nimm dir eine Auszeit von der Arbeit, wenn du kannst.
Am wichtigsten für dich ist, dass du dich jetzt ganz um dich selbst kümmerst. Das heißt auch kein Kopfkino, denn natürlich drehen sich deine Gedanken in dem Augenblick nur um ihn und was er womöglich macht/machen könnte. Bleibe bei dir. Das ist leichter gesagt als getan. Eine andere Foristin hier hat mir mal den sehr guten Ratschlag gegeben, sich anfangs auf nur eine Sache bzw. sich selbst in nur kleinen Zeitabschnitten zu konzentrieren. Denn am Anfang geht es auch nur in kleinen Intervallen. Beruhige dich, indem du deinem Verstand sogar versprichst, dass er das Kopfkino ruhig wieder aufnehmen darf, sobald dieser Zeitabschnitt rum ist. Bei mir macht das einen spürbaren Unterschied.
Wenn du nicht schlafen kannst (wie ich), dann empfehle ich dir entweder Schlaftabletten oder ein Hormonpräparat wie Melatonin. Melatonin ist ein Hormon, das dein Gehirn ausschüttet, wenn es z.B. dunkel wird. Es macht dich müde und steuert den Tag-Nacht-Rhythmus. Das Schöne bei Melatonintabletten ist, dass sie nicht süchtig machen und es auch keine Nebenwirkungen gibt. Du kannst sie also jederzeit wieder absetzen. Ich habe meine Melatonintabletten allerdings in den USA bekommen. Du müsstest gucken, wie man in Deutschland an sie rankommt. Damit kenne ich mich nicht so gut aus.
Ich wünsche euch jedenfalls viel Kraft zum Loslassen, Ausprobieren und Vertrauen. Lass das Neue mit Liebe und Akzeptanz auf dich zukommen. Wir sind hier untereinander alle schon zu Hause, jetzt geht es nur noch darum, uns einzurichten. Urvertrauen darf also ruhig mal sein. Ich denke an dich und drück dich ganz fest.
01.04.2015 03:11 •
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