Fühl dich erst einmal gedrückt, denn was du durchmachst ist eine Katastrophe.
Ich habe in meinem eigenen Thread bereits über meine eigene Kindheit geschrieben und beim Lesen deines Beitrags kommen mir einige Bilder sofort hoch. In meinem Fall war es eine tyrannische und narzisstische Großmutter, die unsere Familie im Bann hatte. Mein Vater, ihr Sohn, war bis zu ihrem Tod und in manchen Dingen darüber hinaus unter ihrer Fuchtel. Sie war von zuckersüß bis auf die Knochen schneidend bösartig und man wusste nie was einen erwartet. Aber du kennst deine Schwiegermutter und deshalb halte ich die Beschreibung unseres Tyrannen kurz. Wichtiger war immer die Reaktion meines Vaters. Sein Credo war: Tut nichts um den Drachen zu verärgern! Haltet sie aus und bleibt ruhig.
Er hat lieber ausgehalten, dass seine Frau, meine Mutter, weinend und mit den Nerven am Ende am Küchentisch saß und aus heutiger Sicht einen langandauernden emotionalen Zusammenbruch hatte. Er hat auch lieber ausgehalten, dass wir als Kinder und vor allem als jugendliche Mädchen beleidigt und verunsichert wurden. - Die Nachwehen seines Verhaltens haben mich in diesem Jahr in meiner eigenen Beziehung unverhofft Dinge aushalten lassen, die es ohne diese Vorgeschichte und deren Trigger nicht gegeben hätte. Meine Mutter hat uns verlassen als meine Großmutter starb und meine Schwester und ich noch Jugendliche waren. Sie hatte immer gehofft, dass er sich nach dem Tod der Mutter ändern würde, aber dazu dauerte seine Prägung viel zu lange. Sie musste gehen, um sich zu retten. Für uns Mädchen war sie immer da, aber von ihm brauchte sie Abstand.
Ich glaube deshalb, und meine Therapeutin bestätigte mir das, dass Kinder von Narzissten selten wirklich frei werden. Die kritisierende Stimme begleitet sie ja auch wenn der Narzisst nicht anwesend ist. Alles wird so gedacht und gehandelt, dass es keine Wellen schlägt. Bei deinem Mann scheint es mir so, als würde ihm die Mutter als Sparringspartnerin fehlen. Sie hat über euch beide geherrscht. Das war er gewohnt. Jetzt ist sie weg und es fehlt ihm entweder das Beherrschtwerden und der Druck oder er ist zum ersten Mal im Leben in der Position herrschen zu können. Die Herrscherin, seine Mutter, hat er bestimmt nicht positiv erlebt, aber sehr wahrscheinlich als machtvolle Figur empfunden. Jetzt bietet sich die Gelegenheit die Demütigungen der Vergangenheit auszubügeln, indem er vom Opfer zum Täter wird. Die Spirale in der ihr euch befindet hat zudem wahrscheinlich erst begonnen und eure Situation wird sich in Zukunft sehr wahrscheinlich verschlimmern. Egal wie sehr du versuchst es ihm recht zu machen. Denn um die Dinge, die er an dir kritisiert geht es gar nicht.
Mach dir immer bewusst, dass Narzissten liebevolle und glänzende Seiten haben. Die benötigen sie, damit die anderen bei ihnen bleiben und sie ein Interaktionsopfer für ihr Verhalten haben. Deshalb würde ich mir eine ruhige Minute suchen und aufschreiben, was dir an ihm (noch) gefällt oder (schon) missfällt. Dan überlege dir, ob du einem deiner Kinder so einen Partner wünschen würdest.
Sag ihm deutlich, dass du eine Veränderung an ihm bemerkst, die du nicht tolerieren wirst und bestehe auf ein Paarcoaching oder dass er sich in Therapie begibt. Er wird zunächst uneinsichtig sein und vielleicht einen Teil der Kritik erst einmal zurückfahren, sie wird dich jedoch später mit voller Wucht erwischen, denn er hat ja bestimmt auch das Schweigen gelernt. Sg ihm klar, dass du Züge an ihm erkennst, die du nicht magst und für euch nicht ertragen wirst. Sag ihm, dass er die Paartherapie oder Einzeltherapie machen muss, damit es für dich weitergehen kann.
Frag ihn auch, ob er es gut finden würde, wenn ein anderer Mensch seine Frau so ansprechen oder behandeln würde wie dich. Um weiters Gaslighting zu verhindern, stell einen Haushaltsplan auf und hänge ihn sichtbar auf. Darauf markiere was du getan hast. Viel Glück!
15.10.2020 10:29 •
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