Hallo zusammen,
nachdem meine Freundin und ich sieben schöne Jahre miteinander verbracht haben, scheinen wir uns nun dem Ende zu nähern. Ich möchte verstehen, wie bzw. ob wir es hätten besser machen können. Deshalb bitte ich euch, mir euren Eindruck zu schildern und wie ihr euch verhalten hättet. Manchmal eröffnen sich mir auf diese Weise neue Perspektiven, welche die Dinge in einem Licht erscheinen lassen.
Wir haben uns in einem Tanzkurs kennengelernt; damals sind wir 21 und 22 Jahre gewesen und hatten beide noch keine (echte) Beziehung geführt. Sie verliebte sich im Verlauf des ersten Jahres in mich und ergriff schließlich die Initiative mit einem süßen, (etwas) kitschigen Liebesbrief. Ich hatte bereits über uns nachgedacht; letztlich hatte ich mich jedoch zurückgehalten, da sie sich eher schwer damit tat, eine eigene Meinung zu entwickeln und mir öfter einfach nur nachgeplapperte. Witzigerweise ergriff sie dann aber mit dem Liebesbrief als Erste die Initiative und - zumindest wenn es um Liebesangelegenheiten ging - neigte ich auch ein wenig zum Rumeiern. Deshalb wagte ich damals den Versuch und lud sie zum Abendessen ein, bei dem es mir nach zwei Stunden schließlich endlich gelang sie zu küssen. Sie saß auf meinen Schoß, aber wich mir aus Schüchternheit immer wieder aus . - war echt nicht einfach. Ich muss immer noch schmunzeln, wenn ich daran denke. Danach waren wir quasi offiziell ein Paar.
Ich bin - nach meiner Einschätzung - nie wirklich in sie verliebt gewesen; trotzdem habe ich die gemeinsame Zeit mit ihr genossen. Wir haben das ein oder andere miteinander entdeckt und auch sonst viel Spaß miteinander gehabt. Unsere gemeinsame Zeit beschränkte sich jedoch hauptsächlich auf die Wochenenden, obwohl wir in derselben Stadt nur 15 Minuten mit dem Auto voneinander entfernt wohnten. Sie ging quasi direkt vor meiner Tür zur Schule und schrieb gerade ihr Abitur. Ich habe immer mal wieder auch nach der Schule zu mir eingeladen, aber irgendwie wollte sie nicht. Ihr Augen strahlten aber immer so, wenn wir uns am Wochenende sahen, dass ich Ihre Liebe nie Frage gestellt habe.
In den kommenden zwei Jahren habe ich versucht, uns enger zusammenzubringen, indem ich sie zu gemeinsamen Hobbies eingeladen habe. Wir hatten zwischenzeitlich mit dem Tanzen aufgehört, weil sie mit Ihrem Abitur zu tun hatte; als das vorüber war, bot ich ihr jedoch immer wieder an, uns erneut anzumelden und lud sie hin und wieder auch zu Tanzabenden ein. Ich finde die Kombination aus Bewegung, Musik und Nähe sind einfach etwas Wundervolles. Da sie Klavier spielte und schließlich sogar denselben Lehrer hatten, überredete ich sie zum vierhändigen Klavierspielen. Obwohl ich es über zwei Jahre immer wieder probierte, klappte beides nicht. Nun hatte ich ein Faible für Turniertanz und konnte manchmal etwas nerven; aber ich habe stets versucht, mich zusammenzureißen und ihr auch gesagt, dass sie mir Bescheid geben soll, wenn ich mal über die Stränge schlage.
Nach 2 1/2 Jahren sprach ich schließlich die Trennung aus, weil ich keine Lust mehr hatte, ständig vor eine Wand zu laufen. Am Ende kam es jedoch nicht dazu, weil wir uns aussprachen und ich noch Hoffnung hatte, dass sie sich vielleicht etwas mehr reinhängen würde. Danach folgten weitere fünf Jahre, in denen wir viele schöne Erlebnisse miteinander teilten. Manchmal hatte sie echt liebenswerte Ideen, wie ein gemeinsames Fotoshooting, bei dem wir ein paar schöne Erinnerungen hinzugewannen. Trotzdem hat es mich immer etwas getriggert, dass ich es war, der den Tagesablauf vorgab. Zuletzt ist es so gewesen, dass sie zur Tür reinkam, sich hinsetzte und wenn ich nichts vorschlug, hätten wir auch am nächsten Tag noch dagesessen. Das wiegt für mich auch deswegen relativ schwer, weil sie in der Gegend aufgewachsen war und am Anfang besser wusste, was man so unternehmen konnte, während ich von weit außerhalb kam.
Das Zusammenziehen haben wir immer wieder vertagt, weil sie ihr Abitur nicht gepackt hatte und sich auch relativ schwer mit der Suche nach einem Ausbildungsplatz tat, während ich noch studierte. Rückblickend wäre ich bereit für den nächsten Schritt gewesen, aber die Wochenendtreffen waren immer schön und ich hatte mich auch ein Stück an die Situation gewöhnt. Deshalb passte ich mich ihr an. Während der ganzen Zeit ist sie mir ans Herz gewachsen und zu einem Stück Familie geworden, auch wenn ich an einigen Dingen zu knabbern hatte.
Vor einem Jahr musste ich zwei Stunden von Ihr einen Job annehmen, weil ich während Corona gekündigt worden war und sich die Jobsuche als relativ schwierig erwies. Zwei aussichtreiche Stellen in Ihrer Nähe wurden mir schließlich doch abgesagt. Am Ende war ich froh, eine Stelle gefunden zu haben; zumal die Stelle mir Berufserfahrung in genau dem Bereich bot, in dem ich zukünftig arbeiten wollte.
Kurze Randinformation: Ich bin vor knapp 9 Jahren zu Hause ausgezogen; zunächst auf kurze, dann auf große Entfernung. Einer von zwei Gründen, aus dem ich nach meinem Studium nicht zurückzog, war meine Freundin. Der andere war das gewonnene Stück Freiheit, das mir half, mich auch persönlich weiterzuentwickeln. Meine Freundin wohnt bis heute bei Ihren Eltern und ist eng in Ihr Umfeld eingebunden; die gesamte Familie wohnt quasi im Dorf und sie hat auch ihre Freunde dort.
Trotz der neuen Entfernung zwischen ihr und mir erschien mir das ganze jedoch lediglich lästig als wirklich problematisch. Die Strecke ließ sich immerhin bewältigen und unsere Jobs waren auch nicht in Stein gehauen. Da es mit Treffen jedoch längst nicht jedes Wochenende klappte, ich sie doch irgendwie vermisste, wenn sie nicht da war, und wir nun schon sieben Jahre zusammen waren, wollte ich endlich zusammenziehen. Von mir aus konnte das auch mit einer Stunde Fahrt zum Arbeitsplatz verbunden sein. Letztlich war ich bereit auch in ihre unmittelbare Nähe zu ziehen, weil sie in Ihrem Job auch auf Montagen muss, die teilweise bis 21 Uhr gehen. Beim Sonntagspaziergang habe ich sie daher angesprochen und gemerkt, dass sie sich - nach meinem Empfinden - noch nie mit dem Thema befasst hat. Ihre erste Reaktion war: Dann muss ich von meinen Eltern weg, und den Chor . den will ich eigentlich nicht aufgeben. Das hat mich enttäuscht und auch traurig gestimmt. Da sie letztlich aber ein Dorfkind ist, habe ich mir gedacht: Ok, gibst ihr die Zeit. Ich habe ihr gesagt, dass mir das Thema - dass sie mir wichtig ist - und ich gerne wieder mehr Zeit auf diese Weise mit Ihr verbringen möchte. Ich habe jedoch nicht gleich gesagt, dass ich zu ihr hochziehen würde, sondern als Gedankenspiel die Mitte vorgeschlagen. Auf diese Weise wollte ich sie ein wenig provozieren, ihre Ansicht darzustellen. Von mir aus auch Du spinnst doch, klappt doch niemals mit der Fahrt zu Arbeit. Auf der anderen Seite wollte ich ein Bekenntnis zu mir bewirken. Es war meine eigene Entscheidung und doch bin ich auch ein Stück weit wegen ihr nicht in das Umfeld meiner Familie zurückgekehrt. Und auch ich vermisse meine Eltern, meine Schwester manchmal - Gewöhnung hin oder her. Ich wollte einfach nicht meine neue Wohnung, meinen kurzen Arbeitsweg und ein Stück weit auch mein Privatleben aufgeben, wenn sie mir nicht aktiv zeigt, dass sie dasselbe - in ihren Maßstäben - für mich tun würde. Sie hat meine Frage mehr oder minder ignoriert - nach fünf Monaten hat sie mich nicht einmal von sich aus auf das Thema angesprochen.
Vor 1 1/2 Wochen haben wir telefoniert und ich habe das Gespräch schließlich beendet, weil sie mich vor den Kopf gestößen hat. Es war kein Streit, aber sie schwieg und ich war tot müde. Sie meinte, wer ist denn so doof dorthin zu ziehen, nachdem sie mir erst vor zwei Wochen ebenjenen Ort vorgeschlagen hatte. Seitdem hat sie mich eine Woche lang vollständig ignoriert (Chat, Telefon), was sie noch nie in sieben Jahren getan hat. Ich habe mir Sorgen gemacht, noch hin und wieder ein guten Morgen geschrieben und sie nach vier Tagen gefragt, ob alles in Ordnung wäre. Daraufhin meinte sie, sie vermisse, was wir früher waren, und wüsste nicht, was wir heute seien.
Ich bin kein Mensch, der es sowas per Chat klärt und ewig - auch noch auf die Entfernung - ziehen lässt. Deshalb habe sie nach einem Tag angerufen - bissl Panik gekriegt und vielleicht 4 Mal angerufen. Naja, letztlich hat sie mich weiter ignoriert, mir geschrieben Das Fass sei voll; ich müsse ihr mehr Raum lassen und mir nach fünf Tagen geschrieben, was ihr durch den Kopf geht. Sie griff Themen von vor mehreren Monaten auf und machte völlig falsche Annahmen, wie ich mir das Zusammenziehen vorstelle. Wohlgemerkt es gab keinen Streit und keinen Hinweis von ihr zuvor, dass etwas nicht in Ordnung wäre. Der Chat ist für mich der falsche Ort, sowas zu besprechen; vor allem, wenn wir es bereits vor Monaten hätten besprechen müssen und offenkundig Missverständnisse aufkommen. Deshalb habe ich ihr etwas patzig geschrieben, dass ich keine Brieffreundschaft führe und sie mich anrufen soll, wenn sie reif genug dafür ist. Daraufhin war sie beleidigt und hat unsere verbleibenden Treffen aus unserem Kalender gelöscht.
Da hat mir dann die Geduld gefehlt und ich bin abends um 19 Uhr zwei Stunden zu ihr hoch gefahren, um mit ihr zu reden. Letztlich meinte sie, ich müsse lernen, Geduld zu haben, dürfe sie nicht bedrängen . Sie wirkte aber auch mit sich selbst nicht im Reinen und sagte mir das auch teilweise. Das Umziehen, die Entfernung . Sie bräuchte noch 2-3 Wochen zum Überlegen. Ich war emotional aufgebracht und müde; deshalb fragte ich sie, ob ich im Nachbarzimmer übernachten dürfte. Über zwei Stunden Landstraße im Dunkeln erschienen mir nicht sonderlich clever und es hätte uns vielleicht etwas mehr Zeit zum Reden gegeben. Ihre Antwort war Nein, ich hätte ja auch mittags kommen können. Das fand ich dann doch irgendwie sehr kalt. Egal, ob es stimmt oder nicht . aber einem Menschen, der einem wichtig ist, so etwas zu sagen und das Selbstverständnis dahinter .
Nach meinem Gefühl hat sie bereits angefangen mich loszulassen, weil sie nicht bereit ist, die Entfernung auf sich zu nehmen; auch nicht, wenn es nur vorübergehend, oder nur eine halbe Stunde Fahrtzeit wäre. Sie sperrt mich aus, um den Kontakt zu brechen, und sich nicht mit mir/ mit uns konfrontieren zu müssen. Auf der anderen Seite wüsste ich auch nicht, wie ich soetwas zukünftig verhindern könnte; ich hätte früher zu ihr fahren können, ihr mehr entgegenkommen können. Aber letztlich wird es mich immer wieder kalt erwischen, wenn wir nicht reden. Und auf der anderen Seite bin ich nicht bereit, mich für Dinge zu entschuldigen, die keiner Entschuldigung bedürfen. (wie z.B. das Zusammenziehen und die Bitte, darüber nachzudenken).
Mein Eindruck ist außerdem, dass sie dem Verliebtsein vom Anfang nachtrauert; doch mein Eindruck ist, dass Verliebtheit auf die Dauer einer tiefen Verbundenheit weicht, die vielleicht nicht mehr so leidenschaftlich, aber mindestens genauso schön ist. Diese kommt aber nicht von alleine, sondern muss gepflegt werden. Ich bin kein Fan des Spruch Liebe erfordert Arbeit, weil Arbeit immer etwas negativ besetzt ist und die Arbeit auch Freude bereiten kann, weil einem das Ergebnis den Aufwand wert ist.
Ich weiß auch nicht; ich bin nicht wütend auf sie, nur traurig und irgendwie enttäuscht. Und so sehr sie mich nervt, so hinterlässt sie doch eine Leere, wenn sie nicht mehr in meiner Tür steht. Manche Punkte lesen sich möglicherweise etwas treu doof, aber mir war's nicht so wichtig, weil das Zusammengehörigkeitsgefühl es irgendwie ausgeglichen hat. Trotzdem überlege ich, ob ich zu weich bin; zu redebedürftig oder ob ich häufiger mal wütend werden müsste. Bin leider jemand, der nahezu nie richtig wütend/laut wird.
Danke fürs Lesen, falls jemand durchgehalten hast.
Jimmy
23.11.2021 21:20 •
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