Was mir auffällt, ist Dein innerer Zwiespalt. Einerseits möchtest Du etwas im Leben erreichen, was Dein Idealbild ist. Familie, Kinder, Haus, Hof - ein Ort der Geborgenheit, des inneren Ankommens. Um das zu erreichen, greifst Du wie viele Menschen heute zu Dating-Apps, für die man einen langen Atem braucht und wo sich viele Looser herumtreiben oder auch Männer die nur das eine wollen. Hier ist also immer ein gesundes Misstrauen und eine Vorsichtshaltung angebracht.
Wenn sich dann tatsächlich ein Date anbahnt, dann wird es Dir zu viel. Deine Ruhe, Dein Alleinsein, Dinge, die Du auf der bewussten Ebene ja eher ablehnst (sonst wärst Du ja nicht auf der Suche), erscheinen Dir auf einmal wieder viel attraktiver als die Aussicht, ein paar Stunden mit einem Mann zu verbringen. Du lebst in einer inneren Diskrepanz von zwei Instanzen. Die eine zieht Dich dorthin, die andere zieht Dich wieder in die andere Richtung. Und so kommt es zu den seltsamen Verhaltensweisen.
Ein inneres Weglaufen, ein Absagen und Verschieben von vereinbarten Treffen, weil der innere Schweinehund wieder spricht und Dir sagt, ach nö, das wird mir jetzt alles zu viel. Ein Abend daheim mit einer schönen Tasse Tee ist eigentlich viel erstrebenswerter.
Wie Du die beiden Instanzen unter einen Hut bringen kannst, kann ich Dir nicht sagen. Aber die Tendenz zum Flüchten von einer neuen möglichen Beziehung ist bei Dir stark ausgeprägt. Ich glaube, dass Du innerlich noch nicht bereit bist für etwas Neues. Sonst würdest Du Dich auf ein Date freuen, anstatt den Fluchtreflex zuschlagen zu lassen. Du lebst in einer Verweigerungshaltung. Vordergründig suchst Du zwar nach einer festen Beziehung, die Dir die Chancen Deines Lebenstraumes ermöglichen könnte, aber dann kriegst Du schnell wieder kalte Füße.
Bei Deiner Vorgeschichte verwundert mich das nicht. Was Du erlebt hast, hinterlässt tiefe Spuren. Die Aussage Deiner Therapeutin, dass alles in Ordnung wäre, scheint mir etwas flach und oberflächlich u sein. Um eine toxische Beziehung zu überwinden, können Jahre ins Land gehen, denn die inneren Verletzungen sind gravierend. Die kriegt man nicht mit ein paar netten Worten und Sitzungen einfach weg.
Die Frage ist ja auch, warum Du in eine toxische Beziehung geraten bist und warum Du an diesem Mann so lange festgehalten hast, obwohl das Leiden längst zum Alltag gehörte. Du hast innere Ängste ausgestanden, Du hast Eifersucht und Missachtung Deiner Person erfahren. Das ist schlimm, aber zum Leiden gehören zwei. Einer der es bewusst verursacht und einer, der es mit sich machen lässt.
Ich denke, darüber solltest Du nachdenken und rekapitulieren. Warum habe ich in einer Beziehung verharrt, die mir weh tat, die mir Schmerz und Leid gebracht hat? Warum habe ich mich immer wieder einwickeln lassen, getrieben von der Hoffnung, es möge sich alles zum Guten wenden und dabei wohl wissend, dass es wieder zu seinen Distanzmanövern kommen würde. Das Lamm, das zur Schlachtbank geht, obwohl es weglaufen könnte.
Das sind innere Zwänge, einzementierte Muster, die man angehen muss, um nicht eines Tages wieder in eine aussichtslos und schmerzhafte Beziehung zu rutschen.
Da ist was in Dir, was ans Licht drängt und Dich auch auffordert, beschäftige Dich lieber mit mir anstatt irgendwelche Männer zu daten, die Du im Grund genommen gar nicht sehen willst. Du baust Kontakte auf, verienbarst Treffen und dann kommt zwangsläufig die andere Instanz, die Dir sagt, ich bin noch nicht bereit dazu und daher gehst Du in eine innere Abwehrreaktion. Du setzt Dich damit auch unter Druck, weil Du meinst, es müsste jetzt bald mal einer des Wegs kommen, mit dem Du Deinen Lebenstraum erfüllen kannst. Du rennst dem Traum hinterher und wenn sich eine kleine Chance eröffnet, erscheint Dir Dein ruhiges Leben mit Dir allein wieder erstrebenswerter.
Man könnte sagen, es war halt noch kein Mann dabei, der Dich tatsächlich vom Hocker gerissen hat. Aber ich glaube, Du tust Dinge, für die Du innerlich nicht bereit bist. Und daher kommt dann die innere Abwehrhaltung.
Bones hatte schon Recht mit der Aussage, dass Du Druck machst. Du übst keinen
Druck auf die Männer aus, aber Du übst Druck gegen Dich selbst aus. Du setzt Dich selbst unter Druck und das erzeugt wieder Gegendruck, der sich in einer Abwehr- und Fluchthaltung zeigt.
Ich weiß nicht, wie Du da raus kommst, aber dieser Traum, von dem Du immer wieder sprichst, steht Dir auch im Weg. Der schiebt sich in den Vordergrund und dazu brauchst Du einen Partner, weil Du Dir diesen Traum sonst nicht erfüllen kannst. Dabei regieren in Dir innere Ängste und Misstrauen. Vielleicht solltest Du diesen Traum mal überdenken oder so umgestalten, dass Du ohne diese konkreten Vorstellungen von Familie und Kindern und damit von Bindung ein zufriedenstellendes Leben führen kannst.
Du erinnerst mich an Menschen, die unbedingt ein Kind wollen und dafür alles in Kauf nehmen. Von Hormonpräparaten, Sx nach Fahrplan bis hin zu künstlichen Befruchtungen. Die tun alles, um ihren Traum Realität werden zu lassen, aber vergessen dabei manchmal einfach zu leben. Der Traum wird zu einer Belastung, zu einem Rucksack, den man durchs Leben schleppt, aber den nicht einfach mal in eine Ecke stellen kann um sich mal wieder frei zu fühlen und den Augenblick zu genießen. Manchmal erfüllt sich der Traum, aber gar nicht so selten erst dann, wenn sie innerlich los lassen.
Versuche das auch. Dieser Traum von Dir kann Realität werden, er muss es aber nicht. Und je mehr Du ihm hinterher läufst, desto mehr entzieht er sich Dir, weil Du bei A nicht mal zu B kommst. Lass den Traum sein, er ist was er ist. Ein Traum, der sich vielleicht erfüllen kann vielleicht aber nicht. Gönne Dir den Luxus ihn los zu lassen und richte Deinen Blickwinkel auf das was jetzt ist.
Du hast ja schon einiges geschafft, Dich von einer schädlichen Beziehung gelölst. Da hast Du los gelassen, auch wenn es lange gedauert hat. Lass jetzt auch los. Du musst nicht daten, Du musst keine Männer wie bekennende Bindungängstler treffen, die völlig widersinnig Frauen treffen, mit denen sie eh nicht leben können.
Eröffne Dir andere Perspektiven. Du kannst auch jenseits des selbst verordneten Programms glücklich leben. Lass das Leben zu Dir kommen und lass diese Plattformen sein. Jetzt solange uns Corona regiert, sind die Möglichkeiten eingschränkt, aber irgendwann geht jede Pandemie. Und dann kann man sich im real life auch wieder freier bewegen, raus gehen, Leute treffen, sich in ein Cafè setzen, einem Hobby nachgehen, das man mit anderen teilt. All das zu tun, wo die Menschen früher Partner gefunden haben. Einfach so ohne Smartphone und Apps.
Und wenn Du keinen Mann triffst, der zu Dir passt? Dann ist Deinem inneren Leben wohl etwas anderes wichtiger. Vielleicht innere Freiheit, Freisein von Verantwortlichkeiten und Zwängen. Haus und Hof, womöglich Tiere und Du bist in der Pflicht. Familie, Beziehung gestalten, Kinder aufziehen, jede Menge Verantwortung und auch Einschränkung. Jede Wahl bedeutet irgendwo auch Verzicht.
Vielleicht möchtest Du gerne mal auf Reisen gehen. Mit dem Rucksack irgend wohin aufbrechen oder geführte Wandertouren auf Mallorca machen oder Reiterferien (falls Du es mit Pferden hast). Oder Du möchtest lieber nach New York reisen oder nach Berlin. By the way, Berlin ist mein innerer Fluchtpunkt. Immer wenn es mir nicht so gefällt, träume ich von ein drei Tagen Berlin, die ich ganz allein mit mir verbringe. Die ich mir einrichte, wie es mir passt. Alleine reisen ist eine tolle Sache, denn man ist offener, agiert freier und hat manchmal nette Begegnungen, die ganz unverhofft sind. Und wenn es nur ein Gespräch mit einer Verkäuferin in einem Laden mit Filzklamotten ist, die knallblaue Augendeckel hat und etwas strange gekleidet ist. Mit der Du aber einfach mal einen netten Plausch hast, weil sie Dir von ihrem brasilianischen Freund erzählt, mit dem sie bald nach Brasilien reisen wird.
Das ist natürlich nur ein Exkurs und hiflt Dir nicht weiter. Aber vielleicht doch. Denn die Botschaft dahinter ist, lass los. Lass diesen Traum los und sieh ihn als eine Möglichkeit unter mehreren. Lass das Leben zu Dir kommen, sei neugierig und öffne Dich. Du bist zu wie eine Auster. Im Grund genommen willst Du keinen Mann, aber Du bist gefangen in Dir selbst. Versuche, lockerer zu werden und gib dem Leben mal eine Chance ohne diese innere Fixierung, die Dir sagt. jetzt muss aber mal was passieren, dass das was wird.
Träume erfüllen sich manchmal dann, wenn man sie gehen lässt. Dann eröffnen sich oft neue Wege und führen einen dann doch dorthin, wo man seinen Platz hat.
Warte bis diese Pandemie abgeklungen ist und dann fange zu leben an. Von Tag zu Tag. Tue Dir immer wieder was Gutes, lobe Dich für das, was Du geschafft hast. Sei einfach gut zu Dir. Übe das, immer wieder. Dann wirst Du innerlich freier und Freisein eröffnet neue Wege, die Du bisher nicht siehst.
Ich glaube, das wäre doch eine schöne Persektive für Dich. Locker lassen, weg von der inneren Verkrampfung und dem Hinterherlaufen nach etwas, von dem man glaubt, dass man es braucht.
Begonie
10.02.2021 11:22 •
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