Guten Tag mal wieder
Ich habe seit ich diesen Thread hier erstellt habe einiges Feedback bekommen. Direkt hier oder aber auch per PM. Oft drehte es sich darum, dass ich nicht die ganze Schuld bei mir suchen soll, dass es halt nicht gepasst habe. Eine andere häufige Rückmeldung war, dass es schön sei, wenn ich nun persönlich wachse daran, dass man sich dies vom eigenen Ex auch gewünscht hätte.
Ich möchte ein wenig erklären, was bei mir los gewesen ist, damit vielleicht transparenter wird, warum ich so verzweifelt bin. Das mag man dann trotzdem noch ganz normal finden als Teil meines Trennungsprozesses, als Phase der Verzweiflung und der Selbstzweifel, Selbstvorwürfe. Für mich ist es aber eben nicht ganz so einfach.
Ich hatte erklärt, dass für mein Verhalten Aussenprozesse einen großen Anteil hatten, durch die ich mich verändert habe in die Richtng, wie ich sie beschrieben habe. Und wie sehr meine Ex darunter gelitten hatte, weil es ihr ein Gefühl gab, dass sie auf Dauer nicht mehr mit sich hat vereinbaren können. Der Hintergrund meiner Selbsterkenntnis ist zweiteilig. Ein Teil wurde unterwegs erworben, der andere gehört zu mir, ich wusste nur nicht wirklich, dass der für mein Leben bedeutsam ist.
Der erste Teil hat etwas mit dem Erlernen von tiefem Misstrauen zu tun. Ich bin vor einigen Jahren bei meinem letzten Arbeitgeber in Deutschland massivst hintergangen worden. Aus dem Nichts heraus wurden Anschuldigungen gegen mich erhoben, die, so weit ich das bis heute nachvollziehen kann, mit der gezielten Absicht eingesetzt wurden, sowohl mein Ansehen als auch meine Perspektive zu zerstören. Es waren unhaltbare Vorwürfe, die bei jedem Mann auch Spuren hinterlassen, es ging um s.uelle Belästigung. Zwei mal innerhalb Jahresfrist bin ich damit konfrontiert worden, in beiden Fällen konnte ich deutlich belegen, dass diese Vorwürfe nicht haltbar waren, zum Teil mit Falschaussagen agiert worden war. Fakt ist, dass ich in der Zeit vor meiner Beziehung zum Teil sehr flirty war, dies aber niemals in einem Rahmen, in dem das für mich auch nur denkbar gewesen wäre, was mir in den beiden Verfahren zur Last gelegt wurde. Ich stand seinerzeit relativ kurz vor der Übernahme einer leitenden Funktion und ich habe scheinbar Neider auf den Plan gerufen und Menschen, die sich gegen mich zusammengetan haben um eigene Ziele zu schützen. Wenn man so will eine Mischung aus Mobbing und Bossing. Innerhalb eines Jahres wurde für mich eine Arbeitsplatz, zu dem ich an sich eine sehr loyale Bindung, fast schon familiär vom Bauchgefühl her, zur Hölle. Denn wie man sich vorstellen kann, bleibt von solchen Vorwürfen IMMER etwas an einem kleben. Es wird hinter dem eigenen Rücken geredet, zum Teil zerbrechen auch gute und über ein Jahrzehnt und mehr hinaus gepflegte Kontakte innerhalb des Betriebs. Man weiß ja nie, ob da nicht doch auch etwas dran ist, iiiirgendetwas muss da ja gewesen sein, hörte ich manchmal. Als das erste mal der Vorwurf erhoben wurde, waren meien Ex und ich bereits zusammen, wir arbeiteten auch im gleichen Betrieb, hatten uns dort kennengelernt.. Als der Vorwurf ein zweites mal konstruiert wurde hatte es dann auch noch arbeitsrechtliche Konsequenzen. Schlussendlich war die Begründung, dass man davon ausgehe, dass beim gleichen Vorwurf innerhalb eines Jahres davon auszugehen sei, dass ich schuldig sei. Sonst würde man zu solchen Vorwürfen nicht kommen. Ich konnte auch hier glasklar belegen, dass die Faktenlage eine ganz andere Sprache spreche, man folgte diesem Ansatz aber nicht. Ich hätte natürlich juristisch dagegen vorgehen können. Aber zum einen hat mich das Gefühl der Scham sehr stark gelähmt, zum anderen habe ich überhaupt nicht die finanziellen Ressourcen gehabt, sowas durchzuziehen. Ausserdem befand ich mich zu dieser Zeit bereits im Zustand der inneren Kündigung, meine Ex und ich waren dabei sowohl den Betrieb, als auch das Land zu verlassen. Insofern hätte eine große Welle nichts mehr gebracht und aus dem Ausland heraus erst recht nicht.
Was ich aber durch diese Geschichte gelernt habe war vor allem, dass es völlig egal ist, wie sicher und wohl man sich fühlt und selbst das Vorhandensein von Gesetzen schützt einen nicht vor Niedertracht. Eine Situation, egal wie harmonisch sie wirkt, kann durch ein paar Giftspritzen plötzlich und ohne dass man es bemerkt zur persönlichen Hölle werden. Diese Erfahrung habe ich verarbeitet, indem ich Misstrauen erlernt habe. Ich habe erlernt, dass ich immer die Augen offen halten muss, mich niemals auf die von mir gefühlte Harmonie verlassen darf.
Der Wechsel in ein Land, wo man als Deutscher nicht immer auf Gegenliebe stößt (Schweiz) hat diese Haltung dann noch weiter bestärkt. Der Wechsel von der Großstadt in eine doch sehr ländliche Region zusätzlich. Und natürlich, getreu der sich selbst erfüllenden Prophezeiung habe ich hier dann eben auch Erfahrungen gemacht, die zwar inhaltlich völlig anders waren, aber das gleiche Prinzip bedient haben. Vertraue nicht auf das, was du als tatsächlichen Rahmen wahrnimmst, vertraue einfach nicht.
Sogar meine Ex hat ein Stück weit dieses Muster gefüttert, weil sie zum Beispiel die Eigenschaft hat, dass sie nicht sofort damit rauskommt, wenn sie etwas bedrückt. Sondern später. Ich habe durch meine antrainierte erhöhte Wachsamkeit oftmals schon länger gespürt, wenn etwas mit ihr nicht stimmt. Aber wenn ich sie dann drauf ansprach hat sie es häufig erst verneint, bevor sie dann damit rausgekommen ist. Auch das hat mich in meinem Misstrauen bestärkt. Die Eheberaterin, die ich neulich erstmals aufgesucht habe (was ich grundlegend jedem raten würde, auch alleine, es ist sehr hilfreich) hat es so auf den Punkt gebracht:
Durch die Lernerfahrung am Arbeitsplatz, die für mich eine massive Verunsicherung zur Folge hatte, habe ich ein Muster erlernt, in dem ich unbedingt vermeiden will, dass ich nochmals mit Betrug, Niedertracht, Ablehnung und Kränkung überrascht werde. Also habe ich begonnen zu antizipieren, vorausschauend zu sein, abgegeben habe ich dafür Vertrauen. Wann immer ein ähnliches Muster auftauchte, selbst in der eigenen Partnerschaft, habe ich die Resonanz zu den auslösenden Vorkommnissen gespürt und damit begonnen, die Gegenwehr vorzubereiten.
Das ging so weit, dass ich schlussendlich immer früher Gefahr gesehen habe. Auch bei Bekanntschaften meiner Ex, die grundsätzlich sehr offen und kontaktfreudig ist, dabei aber auch maximal treu. Ich habe sie gewarnt und war immer in heller Aufregung, wenn sie nicht sehen konnte, was ich sehe. Ich konnte, sobald ich einen Menschen getroffen habe, mit dem sie sich näher gut verstand, sofort ganz viele Szenarien zusammenstellen, was da alles schief gehen könnte.
Gleichzeitig verändert so etwas einen natürlich auch selbst sehr stark. Ein im Grunde offener, zugewandter, kontaktfreudiger und humorvoller Mench wurde zynisch, bissig, im inneren immer bitterer. Da das ganze sich aber über einen Zeitraum von nunmehr 5 Jahren entwickelt hat, war diese Entwicklung nicht als wirklicher Sprung spürbar, die Kontraste um es zu erkennen waren also zu klein. Meine Ex hat mir, vor allem in den letzten Monaten mitgeteilt, dass sie diese Änderung spürt. Aber das hat nicht zur Selbstreflexion geführt, sondern hat stattdessen den Abwehrmechanismus direkt getriggert.
Dadurch, und durch den Umstand, dass unsere eigenen Probleme für mich (!) nie wirklich angegangen wurden, habe ich mich in meinem Verhalten innerhalb unserer Beziehung so verändert, dass es zu dem Verhalten führte, dass ihr mehr und mehr die Luft nahm, immer weniger Raum zur persönlichen Entwicklung ließ. Meine Unbeschwertheit, meine Lockerheit...alles verloren gegangen.
Der andere, der zweite Aspekt meiner Geschichte ist, dass ich eine Eigenschaft habe, von der ich immer geglaubt hatte, dass sie für mein Leben keine Rolle spielte, die mich deswegen nie sonderlich interessiert hatte.
Vor einigen Jahren nahm ich im Rahmen eines späten Studiums an einer Untersuchungsreihe der psychologischen Fakultät teil. Im Ergebnis hat man neben (den damals für mich echt wichtigen) 10 die Stunde noch ein psychologisches Profil erstellt bekommen, als kleines Dankeschön. Mir wurde neben dem Profil dringend angeraten, mich auch noch bei der Intelligenzforschung anzumelden, eine Testung durchführen zu lassen. Mir wurde mitgeteilt, dass bei mir davon auszugehen sei, dass ich zu der Gruppe der hochbegabten Erwachsenen zähle, erste Tests seien diesbezüglich sehr eindeutig gewesen. Hab ich aber nicht gemacht. Es hat mich buchstäblich nicht interessiert, weil ich dachte, dass ich ein ganz gewöhnliches Leben führe, ganz gewöhnliche Resultate erziele, für mich war das Spinnerei. Und wenn es so ist, dachte ich mir, hat es keinen Einfluss auf mein Leben. Ein Fehler, wie ich heute weiß. Ich hatte diese Verdachtsdiagnose auch tatsächlich schnell wieder vergessen.
Heute im Rückblick sehe ich, dass ich alles, was ich an Lernergebnissen in meinem Ausbildungsleben erreicht habe anders als meine Kollegen erreicht habe. Ich habe nie lernen müssen. Faktisch habe ich nie gelernt. Ich habe neue Informationen schnell aufgenommen und behalten, musste nicht wieder und wieder etwas reinpauken. Während der Schulzeit habe ich viele schlechte Noten eingefahren, weil mich die Hausaufgaben als Routinetätigkeit entsetzlich gelangweilt haben. Im Unterricht konnte ich zum Teil weit antizipieren, was als nächstes komme und war gelangweilt, habe deswegen gerne auch gestört oder bin einfach wieder gegangen. Mein Abi habe ich gemacht, ohne einen Tag dafür zu lernen. Mein Staats.amen habe ich gemacht, indem ich 4 Tage davor nochmal das Inhaltsverzeichnis der Lehrbücher durchgegangen bin, um mein Wissen zu organisieren. Und ich habe immer gedacht, alle Menschen denken so wie ich, habe immer gedacht, ich sei völlig normal.
Durch Zufall habe ich in der letzten Woche eine Dokumentation gesehen, in der ich mich in grossen Teilen wiedererkannt habe. Und ich habe mich mit einigen Menschen aus meinem Umfeld kurzgeschlossen...und es ist tatsächlich so, dass ich (ob jetzt Hochbegabt oder nicht...ich mag das Wort nämlich auch gar nicht) in den allermeisten Fällen bei der Diskussion um ein Thema ganz schnell 3 Schritte weiter bin. Und dann gar nicht verstehen kann, dass die anderen nicht längst bei meinen Ergebnissen angekommen sind. Ich denke nicht besser, ich denke nicht schlauer und ich kann und weiß auch nicht mehr. Aber ich nehme mehr wahr, bewerte und sortiere das dann schneller, mache noch ein paar Umwege und denke quer und komme dann ganz woanders raus. Und ich dachte tatsächlich immer, ich sei doch wie alle anderen. Mittlerweile habe ich erfahren, wie man damit wunderbar hätte umgehen können. Dafür hätte man es nur wissen müssen, annehmen müssen.Und das hab ich halt nicht gemacht.
Wenn ich jetzt diese beiden Fakten, den erworbenen Selbstschutzreflex und das schnellere Ticken miteinander kombiniere, dann weiss ich jetzt auch, wie mein dominierendes Gesprächsverhalten entstanden ist. Anstatt eine Sorge zu haben, eine Horrorvision, wenn der Reflex getriggert wurde, konnte ich gleich mit mehreren apokalyptischen Visionen auffahren. Damit habe ich mir das Leben zur Hölle gemacht. Und meiner Ex habe ich damit auch keinen Gefallen getan, wie man sich sicher vorstellen kann.
Dadurch, dass sie gegangen ist (gestern ist sie zu ihren Eltern gefahren) hat sie mich gezwungen, dass ich endlich in diese Auseinandersetzung mit mir selbst einsteige. Sie ist am 26.09. erstmals zu ihrer Freundin gegangen und ich habe mich da dazu entschieden, primär bei den eigenen Anteilen zu bleiben. Heute kenne ich sie rein von ihrem Zusammenhang her. Aber ich fühle nicht schneller, ich leide nicht kürzer, ich vermisse nicht schneller. Das zieht sich durch die Zeit genau wie bei allen anderen auch.
Der Selbstschutzreflex ist übrigens ein ganzes Stück weit (zumindest) zusammengebrochen, als ich durch bohren und graben und buddeln in den letzten Tagen erkannt habe, was da läuft. Es war das erste mal in der ganzen Geschichte, dass ich nicht nur aus Trauer geweint habe, es war auch Erleichterung dabei. Ich habe etwas an mir erkannt, ein Werkzeug, dass ich nicht mehr brauche, weil es kaputt ist. Es passt nicht zu mir. Und kaum ist das passiert, gehen Leute plötzlich anders mit mir um. Gestern kam eine entferntere Kollegin auf mich zu um ir zu sagen, wie viel weicher, wie viel wärmer sie mich erlebt. Die Anspannung, die du sonst immer um dich trägst ist verschwunden. Das war dann direkt mal ein Moment, um wieder loszuheulen. Es ist ein Gefühl, als ob der eigentliche Micha wieder ein bisschen mehr Platz bekommen hat, nach vorne kommen könnte.
Und jetzt kommt der ausgerechnet in einem Scherbenhaufen an. Das ist traurig.
50/50 ist die Quote, die in der Eheberatung beim Aufkommen von Konflikten, Krisen, Trennungen verteilt wird. Ich fühle mich nicht so. Ich hätte selbst nicht mit mir so auf Dauer zusammen sein wollen.
Aber es war gut, mal ein wenig von mir zu erzählen.
06.10.2017 09:33 •
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