Plötzlich alleine - wie schaffe ich das nur?

L
Ich habe Angst, große Angst, dass ich das Alleinesein nicht richtig bewältigen kann. Ich habe doch 17 Jahre nicht mehr alleine gelebt.
Ich sehe einen großen Berg vor mir: neue Wohnung suchen, den Alltag alleine organisieren, die Dinge lernen, um die sich mein Mann früher gekümmert hat: Finanzen, Versicherungen. Ich habe solche Angst, dass ich den Alltag nicht bewältige. Wo soll ich denn nur beginnen?
Wie überlebe ich die Wochenenden? Es war zwar mit meinen Mann problematisch, aber wir sind doch in diesem Monat des Neuversuchs liebevoll miteinander umgegangen, haben uns die ganze Nacht im Arm gehalten. Auch wenn wir viel alleine unternommen haben, so wusste ich doch, dass er abends wieder da ist.
Lilli

11.05.2003 09:48 • #1


E
Liebe Lilli,

auch ich habe gedacht, ich überstehe das Alleinsein nicht. Ich hatte noch nie alleine gelebt. Das war immer meine größte Angst. Hatte meinen Mann kennen gelernt, da war ich grade mal fast 16.....also vom Elternhaus gleich in eine Beziehung. Wir waren 23 Jahre zusammen, davon 16 verheiratet. Letztes Jahr im Februar verließ er mich.

Nun war ich für alles selber verantwortlich. Ich wusste nicht, wo mir der Kopf stand, wusste nicht womit ich zuerst beginnen sollte. Hatte große Angst, dass ich es nicht schaffen würde, obwohl ich in unserer Ehe viel allein gemacht hatte und auch oft alleine war. Aber es war doch so ganz anders, als nun ganz alleine dazustehen und für alles allein verantwotlich zu sein. Ich habe auch noch zwei Kinder....Tochter wird 16 und Sohn wird 12. Sicher mein Ex hat als Vater auch Verantwortung seinen Kindern gegenüber, aber sie leben nun mal bei mir und somit bleiben auch die Alltagssorgen mit ihnen bei mir.
Ich fühlte mich teilweise total überfordert.

Und dennoch hab ich es geschafft. Ich bin immer Schritt für Schritt vorgegangen. Das Wichtigste zuerst und das sind nun mal die Finanzen. Haushalt und andere Dinge sind erst mal Nebensache. Ich gebe aber zu, dass ich viel Hilfe hatte. Meine Eltern, Geschwister, Freundinnen usw. Musste aber auch erst mal lernen, die Hilfe, die mir von anderen (außerhalb meiner Familie) angeboten wurde anzunehmen. Egal ob es tatkräftige Hilfe war, Ratschläge oder als Kummerkasten.

Such dir Hilfe von Anderen. Nimm jede Hilfe von anderen an, die du kriegen kannst. Vielleicht hast du Jemanden irgendwo, der dir bei deinen finanziellen Dingen helfen kann. Lass dir alles erklären, so dass du unabhängig wirst. Versuche Neues zu lernen. Je selbstständiger du wirst, um so selbstbewusster wirst du. Dann brauchst du auch deinen Mann nicht mehr.

Ja...die Wochenenden sind die schlimmsten Tage. Das kann ich gut nachempfinden. Ich bin dann so oft es ging weg gewesen. Verwandtenbesuche, Freundinnen, Spaziergänge usw. Und die Zeit, die ich dann zu Hause war....zwangsläufig.....hab ich meist hier im Forum verbracht oder hab Bücher gelesen. Hab versucht mich abzulenken. Natürlich hat das nicht immer funktioniert. Es gab viele Stunden, Tage an denen ich nur geheult habe. Diese Einsamkeit zu ertragen, war für mich das Schlimmste. Besonders Nachts und an den Wochenenden.

Und was ist Heute, nach mehr als einem Jahr Trennung? Ich bin gern allein, kann nun meine Zeit so einteilen, wie ich es möchte, brauche nur noch Rücksicht auf meine Kinder nehmen. Aber die sind alt genug und gehen bald ihre eigenen Wege.
Sicher, auch mich überkommt manchmal noch die Einsamkeit und es gibt immer noch Situationen, in denen ich mich überfordert fühle und die mir Angst machen.
Und trotzdem.....ich möchte es im Moment gar nicht anders haben. Möchte noch selbstständiger und noch selbstbewusster werden.

Für mich hat das Ungeheuer Alleinsein und Einsamkeit seine Schrecken verloren. Natürlich möchte ich irgendwann wieder einen Mann, einen Partner an meiner Seite. Möchte wieder lieben und geliebt werden. Aber nun nicht mehr, weil ich einen Mann für meinen Alltag brauche, sondern weil es einfach schöner ist zu zweit. Mit meinem Alltag und seinen diversen Problemen werde ich jetzt allein fertig....nehme aber auch immer noch Hilfe von anderen Menschen in Anspruch, denn ich kann von ihnen ja auch lernen.

Liebe Lilli.....ich weiss nicht, ob ich dir helfen konnte, aber vielleicht ist das Eine oder Andere dabei, was für dich gut ist. Hier noch ein Tip, um dein Selbstbewusstsein zu stärken. Ich mache seit einigen Jahren Autogenes Training. Hat mir schon in vielen Bereichen geholfen. Es gibt aber auch Menschen, die damit nicht viel anfangen können. Aber vielleicht wäre das ja was für dich.


Ich wünsche dir viel Mut und Kraft, deinen Weg zu gehen. Glaub mir, auch bei dir wird es mal besser. Und schreib einfach weiter im Forum. Das hat mir sehr geholfen.

Alles Liebe
Wolfsfrau

11.05.2003 18:14 • #2


A


Plötzlich alleine - wie schaffe ich das nur?

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L
Liebe Wolfsfrau,
ich danke dir für deinen langen Brief. Es ist schön, dass du dir für mich so viel Zeit genommen hast.
Deine Worte machen mir Mut. Es ist schön zu lesen, dass man es schaffen kann.
Ich weiß auch, dass viele meiner Ängste und Gefühle nicht real sind. Ich war auch schon vorher viel allein, weil mein Mann geschäftlich häufig unterwegs war und habe das auch immer genießen können.
Die Finanzen muss ich im Moment nicht regeln. Wir haben gerade das Trennungsjahr begonnen und lassen unsere Konten noch zusammen. Da bin ich auch sehr froh, dass ich jetzt so lange Luft habe, bis mein Mann seine Gehalt auf ein anderes Konto überweist. Das wird sicherlich in den nächsten Monaten kommen, wenn die ersten Schuldgefühle vorbei sind.
Dann muss ich agieren und mich um einen Ausgleich kümmern, da ich nur Teilzeit habe.
Hoffentlich wartet er noch ein paar Monate, denn ich kann ihn jetzt nicht sehen um diese Dinge zu besprechen, ich muss meine Liebe zuerst etwas weniger stark verspüren.

Liebe Grüße
Eva

11.05.2003 18:51 • #3


E
Hallo lilli,

als ich diese Sätze oben las fühlte ich mich 14 Monate zurückversetzt ... da stand ich an einem ähnlichen Punkt wie du, hatte zuvor mit meinem Ex auch ähnliches erlebt, die neue Partnerschaft die er sich während den letzten Jahren unserer Ehe hinter meinem Rücken aufbaute, unseren 'Neuanfang' als ich bröckchenweise dahinterkam was da alles geschehen war ... 15 Monate später das endgültige Ende weil die 'Andere' auch während unseres 'Neuanfangs' immer im Hintergrund dabei war. Auch die Unsicherheit meines Exmannes ob es die richtige Entscheidung ist 22 Jahre Beziehung zu beenden ... anfängliche Unentschlossenheit seinerseits ... in mir der Wunsch auf ein schnelles Ende weil mein Vertrauen zu ihm vollkommen zerstört war.

An dem Abend als klar war dass nur noch die Trennung in Frage kommt war ich völlig aufgelöst ... ich setzte mich in mein Auto und raste wildentschlossen in die Nacht ... ich wusste dass ich dieses Leben nicht schaffen würde also wollte ich es beenden. Irgendwann landete ich auf einem Hügel weit ausserhalb, parkte und holte erst mal Luft ... ich ging gedanklich nochmal durch was da alles auf mich zukommen würde ... ich brauchte eine Arbeit, nach 13 Jahren als Nur-Hausfrau! ... eine Wohnung ... ich konnte nicht alleine sein ... das Kind würde bei mir leben, wie sollte ich das organisieren, sie war es genausowenig gewohnt alleine zu sein wie ich ... ich habe keine Verwandschaft die mir zur Seite stehen würde ... ich hatte große gesundheitliche Probleme in den letzten Jahren unserer Ehe und eine Muskulatur die mich phasenweise fast bewegungsunfähig machte ... je mehr ich über diesen Berg nachdachte umso mehr türmte ich auf ihn drauf ... die Versicherungen, die Steuersachen, das gemeinsame Haus, die Scheidung, der Schulwechsel der Tochter, die finanzielle Situation ... usw. ... da war mir dann endgültig klar dass ich das nie schaffen könnte!

Okay, ich stand also da oben und schaute verzweifelt in die vielen kleinen Lichter draußen in der Landschaft bis mir plötzlich mit Schrecken klar wurde: Ich stehe im Dunkeln! ... für jeden anderen sicher normal, für mich unfassbar ... ich stand da irgendwo weit weg von Zuhause in absoluter Dunkelheit mit meinem Auto und das wo ich doch im Dunkeln gar nicht Autofahren kann weil ich doch da nichts sehe!!! ... und das gab mir zu Denken!

Fast ein bisschen stolz fuhr ich nach Hause, ließ dort meiner Wut auf meinen Ex freien Lauf und einiges durch die Luft fliegen was sich so in der Küche befand ... stieg über die Sauerei hinweg und nahm nebenher noch eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank ... giftete meinen Ex an dass ICH das jetzt sicher nicht in Ordnung bringen würde ... lächelte die Tochter an und beruhigte sie dass ich vollkommen normal sei und dass man so was, einmal im ganzen Leben!, tun dürfe und legte mich ins Bett!

Mein Kopfweh am nächsten Morgen war gemein ... mein Ex war bei seiner Freundin, ich suchte mir einen Anwalt, studierte die Wohnungs- und Stellenanzeigen und besprach mit meiner Tochter (damals 12) wie wir unser weiteres Leben gestalten wollten. Als mein Ex am Abend nach Hause kam und realisierte welche Veränderungen ich einleitete war er fast entsetzt. Einen Tag später fuhr ich, auf sicheren Wegen, in die Kreisstadt - auch das hatte ich mir 20 Jahre nicht mehr zugetraut - verfranste mich in meiner Aufregung dort total und hatte dann das geballte Erlebnis von 'Grosstadtverkehr' *seufz* ... und danach wieder die Erkenntnis: es geht!

Und genauso machte ich weiter! Wenn ich ohnehin nichts mehr zu verlieren hatte konnte ich genauso gut weitermachen ... auf diese Art sprang ich über sehr viele Schatten und regelte mein Leben Stück für Stück. Ca. 4 Monate nach diesem ersten Abend hatte ich einen Job, eine Wohnung, der Schulwechsel war geplant und nach Aussen hin insgesamt alles geregelt. Beim Renovieren der Wohnung und beim Umzug half allerdings das schlechte Gewissen meines Ex tatkräftig mit.

Und jetzt nach etwas mehr als einem Jahr ist das alles längst normaler Alltag ... ich will nicht sagen dass mein Leben jetzt leicht ist, es gibt so einiges woran ich manchmal verzweifeln möchte, aber ich wollte es nicht mehr gegen das Alte eintauschen! Mit meinem Ex verschwanden netterweise auch die psychosomatischen Beschwerden und ich habe insgesamt viel gewonnen an Selbständigkeit und Selbstbewusstsein ... allem voran aber die Erkenntnis dass man so einiges Schaffen und Aushalten kann (@ die, die mich kennen: diesen letzten Satz sollte ich mir wohl ans Brett vorm Kopf nageln wenn ich mal wieder feststelle, dass die Welt zum Heulen ist )

Dieser ganze Berg den ich vor etwas mehr als einem Jahr vor mir sah, hat sich Stück für Stück abtragen lassen ... ich hatte übrigens früher total Angst vor alleine sein, Geschäftsreisen meines Ex ließen mich in Panik ausbrechen - das war von einem Tag auf den anderen plötzlich weg ... heute bin ich sehr gerne alleine, da kann ich tun und lassen was ich will und muss auf niemanden Rücksicht nehmen !

Lieben Gruss lilac

12.05.2003 17:05 • #4


L
liebe lilli

wie schaff ich das nur.....die frage habe ich mir vor einigen monaten auch stellen müssen, job, 3 kinder, haus garten....und vielleicht auch noch ein bisschen freizeit für mich...
ich bekam regelrecht existenzangst, wurde panisch...weinkrämpfe, verzweiflung.....war blockiert...
meine älteste gab mir damals den rat : mama plan nicht deine ferne zukunft, plan nur den nächsten tag, mehr kraft hast du im moment nicht..schreib es dir auf und notier die die erfolge dahinter...und wenn du das im griff hast plane etwas weiter vorraus, schreib es auf und ordne es nach priorität mit uhrzeit und zeitaufwand...vergisss nicht auch zeit für dich einzuplanen, für freunde, längere telefonate usw. du wirst sehen irgendwann brauchst du die zeitliche grenze nicht mehr und hast es geschafft, dein leben wieder im griff.

zuerst konnte ich mich nicht mit der idee anfreunden fand aber selbst keinen weg, also hab ich es so gemacht... und siehe da... es funktionierte, seit einigen wochen plane ich nicht mehr so häufig, lediglich noch an tagen, an denen ich das gefühl habe mir wächst alles über den kopf.... und die tage kommen immer wieder mal...die politik der kleinen schritte...es geht, auch wenn man zuerst den weg oder die kleinen erfolge nicht so wahrnimmt....

vielleicht ist es ja auch eine möglichkeit für dich.....

es kann deinen schmerz über die trennung nicht mindern, aber du bekommst den alltag langsam wieder in den griff...somit auch dich selbst...dein leben.....und es geht weiter....

viel erfolg wünscht dir logo


13.05.2003 09:02 • #5


L
Liebe Wolfsfrau, lilac,logo,
ich danke euch für eure Briefe, eure aufmunternden Worte und eure offenen Erzählungen eurer Erlebnisse.
Auch wenn ich mir das momentan noch nicht vorstellen kann, so macht es mir doch Mut, dass ihr es geschafft habt. Vielleicht habe ich in einer Woche schon mehr Glauben daran.
Es tut mir auf alle Fälle sehr gut, zu sehen, dass ich nicht alleine bin, dass es Menschen gibt, die sich Zeit nehmen um mir zu helfen, auch wenn mich diese nicht einmal persönlich kennen. Das ist schon ein schönes Gefühl.
Ich habe immer noch keinen Abstand zu meinem Mann, auch wenn er jetzt bei seiner Freundin lebt, da er mir schon mehrmals geschrieben hat und es ihm sehr schlecht geht. Da kommt natürlich gleich wieder die Hoffnung auf, dass er zurückkommt, was ich vom Kopf her eigentlich nicht will. Aber mein Herz!!!! Ich weiß ja, dass er mich nicht mehr liebt. Warum geht es ihm dann so schlecht, sagt die Stimme der dummen Frau von hinten.
Ich schreibe ihm nichts persönliches, sage nicht wie es mir geht, halt Abstand und maile nur, wenn es etwas zu regeln gibt. Könnte ich doch auch so fühlen, wie ich mich verhalte?

Lilli

15.05.2003 17:38 • #6




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