Es sind im Trennungsforum immer mal wieder traurige Stimmen zu hören, die bedauern, dass die heutige Konsum- und Wegwerfmentalität inzwischen auch in Partnerschaften Einzug gehalten hat, dass die Menschen heute nicht mehr wirklich bereit seien, ´durch Dick und Dünn zu gehen´.
Aus dem Trennungsschmerz heraus kann ich das sehr gut verstehen. Ich frage mich allerdings, ob die Menschen ´früher´ wirklich bereiter gewesen sind, auch tiefe Krisen zusammen durchzustehen oder ob die Beziehungen da nicht durch ganz andere Faktoren zusammengehalten wurden.
Wenn man sich die geschichtliche Entwicklung mal anguckt, ist das Phänomen der ´Romantisierung´ von Paarbeziehungen ja noch ein sehr junges. Als die Menschen noch in kleinen Bauern- oder Handwerkerverbänden zusammenlebten, waren Familien in erster Linie Arbeitsgemeinschaften und existentiell aufeinander angewiesen. Fast alle Kraft floss ins bloße Überleben. Da war für ´Gefühlsduseleien´ nicht viel Platz. Da hat man sich auch keine großen Gedanken über Kindererziehung gemacht. Die Kinder wuchsen einfach nebenbei mit auf und wurden schon früh in die Arbeit mit einbezogen.
Die Emotionalisierung von Partnerschaften, sprich, dass die Gefühle in den Mittelpunkt rückten, das passierte erst mit der Entwicklung von der Groß- zur Kleinfamilie durch die Industrialisierung. Die Mutter-Kind-Beziehung geriet plötzlich ins Blickfeld ... später dann auch die der Väter zu ihren Kindern.
Meine Ausgangsfrage ist ja: Was hat Beziehungen früher wirklich zusammengehalten? Die Nachkriegspolitik der 50er Jahre schaffte es meiner Ansicht nach erfolgreich, Frauen ihren Platz an ´Heim und Herd´ zuzuweisen und sie damit in die totale finanzielle Abhängigkeit zu drängen. Frauen hatten also gar nicht die Möglichkeit, sich aus einer unglücklichen Ehe zu lösen. Zur Erinnerung: Vergewaltigung in der Ehe ist erst seit 1997 ein Straftatbestand! Das ist gerade mal ACHT Jahre her! Die Scheidungsgesetze die eine Trennung ohne Einwilligung des Partners sehr erschwerten, taten das ihrige zur Zementierung der Ehen dazu. Erst im Zuge der Frauenbewegung Mitte der 70er erkämpften Frauen sich Stück für Stück Autonomie und erst die Reintegration von Frauen in den Beruf, die sozialen Sicherungssysteme und die veränderte Scheidungsgesetzgebung ermöglichten überhaupt eine freie Entscheidung. Ich weiß das nicht so genau, aber war es nicht so, dass die ersten großen Scheidungswellen mit der Lockerung des Scheidungsgesetzes rollten?
Ist es also wirklich so, dass die Menschen früher bereiter waren, ´durch Dick und Dünn´ miteinander zu gehen? Oder wurden sie vielleicht eher durch ökonomische Abhängigkeit in Verbindung mit staatlicher Gewalt aneinander gekettet? Welche Chancen hatte eine Frau, die ihren Beruf für die Familie aufgegeben hat und mehrere Jahre aus dem Berufsleben raus war, in den 60er/70er Jahren, sich und ihr Kind alleine durchzubringen?
Heute scheinen also besonders die Frauen von der Freiheit, sich zu trennen, Gebrauch zu machen. Die Zahlen sind hinlänglich bekannt: Jede zweite Ehe wird inzwischen in Großstädten geschieden, in der überwiegenden Mehrheit von Frauen. Wie mir gerade jemand im Chat erzählt hat, ist die Geburtenrate inzwischen auf 1,2 Kinder pro Paar gesunken. Wenn wir so weitermachen, sind wir also bald ausgestorben und die Probleme mit der Altersversorgung, Arbeitslosigkeit etc. haben sich auf ihre Weise gelöst :-/
Es würde mich wirklich mal interessieren, was wissenschaftliche Untersuchungen - keine Ad-Hoc-Meinungsumfragen á la Brigitte oder Focus, sondern wissenschaftlich fundierte Studien - zu den Trennungsgründen von Frauen herausgefunden haben ... sofern es die überhaupt gibt. Vielleicht würde das mehr Licht ins Dunkel bringen. Leider habe ich im Moment nicht die Zeit, das zu recherchieren. Meine Vermutung ist, dass ganz oben auf der Rangliste Gründe wie
1. Rollenverteilung bezüglich der Aufgaben in der Partnerschaft
(vor allem bei Paaren mit Kindern)
2. Partnerschaftliche Kommunikation
3. ... vielleicht S.?
rangieren.
Es wurde hier schon mal der Frauenüberschuss im Forum thematisiert. Das steht der Trennungsstatistik ja eigentlich entgegen. Eigentlich müssten sich hier mehr Männer aufhalten.
Wie instabil Partnerschaften werden, wenn sie nur durch das Gefühl zusammengehalten werden, das kriegen wir ja alle schmerzlich am eigenen Leib zu spüren. Man muss ständig etwas dafür tun, dass das Gefühl nicht erlischt, es ist ständige emotionale und kommunikative Arbeit notwendig ... von beiden Seiten. Kann es vielleicht sein, dass Frauen diesen modernen Beziehungsanforderungen auf Grund ihrer Sozialisation ein wenig mehr gewachsen sind? Erklärt das vielleicht auch den Frauenüberschuss in diesem Forum (sollte er denn stimmen)? Dass Männer sich noch ein bisschen schwerer damit tun, über Gefühle zu sprechen, Intimität auszuhalten etc. ... aber mächtig aufholen?
Jedenfalls scheint es ein gewaltiges Kommunikationsproblem zwischen den Geschlechtern zu geben, wenn die eine Seite vermehrt ´die Nase voll hat und sich dünne macht´, während die andere Seite nicht selten völlig überrascht davon erst mal verdutzt, verständnislos und überrumpelt zurückbleibt.
Ist es ´früher´ also wirklich besser gewesen? Oder sind die Diskrepanzen nur einfach sichtbarer geworden?
Und was wäre die Alternative? Also ich möchte die Uhr nicht zurückdrehen.
Vielleicht ist es wirklich so, dass das Konsumdenken auch in Partnerschaften Einzug gehalten hat. Allzeit bereit, den Markt zu checken, ob sich nicht doch noch ein ´Schnäppchen´ machen lässt, frei nach Ebay ein noch besseres Produkt für noch weniger Investition ersteigern lässt. Die freie Marktwirtschaft lebt von dem Schüren immer neuer Bedürfnisse und deren möglichst schneller Befriedigung. Denn wo keine Bedürfnisse, da kein Absatz. Bedürfnisse lassen sich jedoch nicht bis ins endlose steigern. Irgendwann ist der Markt gesättigt.
Wer weiß, welche Entwicklung die uns nachfolgende Generation nehmen wird? Vielleicht sind die heute 10-Jährigen des Überangebotes an durchtrainierten Körpern, schlank-gerauchten Einheits-Modelfiguren, gepiercten Bauchnabeln und braungebrannten Sixpax in Zeiten nahezu völliger s.ueller Freiheit, die (fast) alles erlaubt ... und damit auch schon wieder uninteressant macht, irgendwann so überdrüssig - noch dazu als Trennungskinder! -, dass das Pendel wieder in die Gegenrichtung ausschlagen wird und die ganz langen Beziehungen und großen Lieben voll im Trend liegen.
Unsere Generation muss sich jedenfalls damit herumschlagen, auf welch wackeligem Fundament Beziehungen stehen, die nur durch das Gefühl zusammengehalten werden. Wer hat uns eigentlich diesen hartnäckigen, unverwüstlichen Floh von der ´ewigen Liebe´ ins Ohr gesetzt, der doch so unlebbar scheint ... und trotzdem in den Herzen so unverwüstlich ist ... und dadurch so viel Leid bringt?
Und ist das wirklich alles nur ´schlecht´? Oder stecken in dieser Entwicklung nicht auch irgendwelche Lernerfahrungen, positiven Seiten? Das könnten wohl eher die berichten, die schon länger getrennt sind. Ich mag das ja einfach nicht glauben, dass ´früher alles besser´ gewesen sein soll und das heute wirklich so schlecht ist.
Viele Grüße
Jazz
12.06.2005 14:07 •
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