Liebe Leute,
vielen Dank nochmal für eure Antworten. Ich musste eine Pause machen mit Schreiben hier, weil ich das Gefühl hatte, ich steigere mich zu sehr rein in das ganze Nachdenken über die Situation, obwohl eigentlich klar ist, wie es momentan aussieht. Auch die frustrierten Menschen, die hier manchmal schreiben, haben mich irgendwie getriggert. Hier muss man bei allen guten Seiten etwas aufpassen, dass man nicht in eine Negativspirale kommt unter all den Verletzten. Das ist nicht negativ oder abwertend gemeint, sondern dabei habe ich auch gelernt. Ich wünsche euch allen viel Kraft und hoffe, jeder einzelne kommt schnell aus dem Gefühlschaos raus und schafft es, aus dem Forum hier das Beste zu ziehen!
Was den Kontaktabbruch angeht: Ja, ihr habt alle Recht: Bloß nicht in eine Affäre schlittern, das ist tödlich für den Gefühlshaushalt und meine psychische Verfassung und für die familie auch nicht gut. Trotzdem hat es letzte Woche nicht geklappt. Wir haben uns gesehen und er hat sogar bei mir übernachtet. Das war zwar schön, aber eben typisch Affäre und ohne irgendwelche Aussichten, die mir bzw. uns guttun würden. Alle Fragen, die ihr gestellt habt, haben wir besprochen: Wir lieben uns noch, es geht gerade nicht, etc. pp....Ich hab das Treffen genossen, hatte das Gefühl, es war gut, alles zu besprechen, habe es dann abgehakt und danke! Es war gut zu fühlen, dass er mich noch liebt - und zugleich festzustellen, dass wir offenbar auch alleine klarkommen: Die Welt ist ja noch nicht untergegangen. Wenn irgendein Schicksal es will, dass wir wieder zusammenkommen, dann soll es zusehen, wie es uns ereilt.
Immerhin bin ich inzwischen auch soweit, nicht ständig auf Nachrichten von ihm zu warten. Ich schreibe ihm auch nicht. Seine Anrufe nehme ich trotzdem ab - soweit bin ich wohl noch nicht. Aber das ist ohnehin frustrierend, weil ich doch nicht bekomme, was ich mir vorstelle, also glaube ich, dass es mit unserem Kontakt immer weniger wird und ich mich nach und nach immer mehr auf mein Leben konzentriere. Ich treffe Freunde, schreibe meiner Familie oder sehe sie, schaue, was ich unternehmen kann, engagiere mich ehrenamtlich, gehe wieder joggen und wenn ich zu Hause bin, schreibe ich Gedichte, mache Musik, lese - irgendwas. Abends allein zu Hause sitzen ist schon schwer. Und mit dem Essen klappt es gar nicht. Aber wenn es mir wieder besser geht, kommt das vielleicht.
Es ist eben alles total neu. So eine Situation hatte ich in meinem Leben noch nicht und ich merke, wie mich das einnimmt und belastet. Er ist nunmal hier in der Stadt und wir könnten uns überall sehen. Bisher konnte ich meinen Exfreunden immer ganz gut über den Weg laufen - aber mit ihm ist es anders. Ich denke manchmal, ich klappe dann zusammen. Gestern habe ich ihn am Bahnhof gesehen (er mich aber nicht) und bin einfach an ihm vorbeigelaufen ohne etwas zu sagen, da war ich voll Stolz auf mich - auch wenn ich ambivalente Gefühle zwischen Freiheit und Traurigkeit hatte und mir speiübel war . Ich werde nicht warten, schlicht, weil mich das wahnsinnig macht. Alles andere wird sich zeigen.
Meine Arbeit leidet aber unter dem Gedankenkreisen und das stört mich sehr - jetzt schreibe ich ja schon wieder hier, obwohl ich viel zu tun habe. Wie geht ihr denn damit um? Aussitzen, aussitzen, aussitzen? Puhh, das ist so anstrengend, diese Verarbeitung und Seelenarbeit an einem selbst - wie ein Gefängnis, aus dem man nicht rauskommt.
Jetzt muss ich auch noch arbeiten, wie auch immer. Später treffe ich eine Freundin und gehe mit ihr auf ein Konzert. Es fällt schwer, diese Momente zu genießen, aber ich bin dankbar für jede Sekunde, in der ich ohne Gedanken an die ganze Geschichte lächeln oder mich konzentrieren kann oder rauskomme. Es ist so ein Widerspruch: Arbeit tut schon gut, aber - zur Hölle - ich kann mich so schlecht konzentrieren und meine freie Zeiteinteilung macht alles noch schlimmer. Naja, ich hatte auch schon ein Erstgespräch bei einer Psychologin. Da stehe ich jetzt auf der Warteliste. Das wird meine Investition in die Zukunft, da mal das ein oder andere aufzuarbeiten und ich hab die Hoffnung, dass es dann einen fest gesteckten Zeitrahmen zum Trauern gibt. Das ist wirklich ein guter Tipp, diese Zeit bewusst einzugrenzen!
Zum Schluss ein Appell, für mich, für euch, wie auch immer...
Liebe Leute, bitte bitte lasst euch nicht gefangennehmen von euren negativen Gefühlen. Das wird einem/einer jeden hier nicht gerecht. Wenn wir leben wollen, müssen wir dafür kämpfen. Leben oder nicht, eins weiß ich: Nicht so! Ich war in letzter Zeit nur deprimiert, dümpelte vor mich hin und interessierte mich nicht fürs Leben. Aber was ein Gutes an dem ganzen Drama ist: Es weckt doch die Einsicht, dass man so nicht leben KANN und kämpfen MUSS, wenn man sich nicht umbringen will. Ich will auch kein Mensch sein, der sich nur um sich selbst und seinen Schmerz dreht. Ich möchte auch das pflegen und schätzen, was das Alleinsein gerade mit sich bringt: Man öffnet sich nach außen, für andere Menschen. Ironischer Weise wird man freundlicher und offener, wenn man die Menschen für sich selbst braucht und nicht so viel in seiner Beziehung lebt (beobachte ich zumindest an mir). Das Entgegenkommen anderer und die eigene Offenheit sind ein Geschenk, das ich über diese Trennungszeit hinaus bewahren möchte: Wir alle sind nicht allein und leben in vielen sozialen Beziehungen. Wir können Menschen mit anderen Augen sehen und vieles lernen. Wir alle sind zudem immer noch in der Lage, enge Bindungen einzugehen, auch wenn es manchen schwerer fällt, aber einer Pathologisierung von Bindungstypen will ich mich wiedersetzen und an alle hier glauben, die da ihre Erfahrungen gemacht haben, denn es gibt mit so etwas kein Schwarz-Weiß, auch wenn manche Psychologen da recht einseitig sind!
So, genug geschwafelt. Liebe Grüße euch und alles Gute im Umgang mit euren persönlichen Beziehungen, Erfahrungen und den überwältigenden Schmerzen! Ich hoffe, wir alle können daran reifen anstatt kaputt zu gehen.
04.09.2018 14:35 •
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