Folgende Situation:
Ich war am Anfang meiner Ausbildung. Ich bin komplett neu in die Gegend gezogen - 600km weg von der Heimat und der Familie - und habe eigentlich bis heute noch niemanden hier gefunden, den ich als beste/n Freund/in bezeichnen würde.
Dann ist es mir passiert, dass ich mich in einen Arbeitskollegen verknallt habe. Ich habe ihm nichts davon gesagt, weil er in eine frische Beziehung gekommen war und ganz glücklich aussah. Auf seine Kollegen stürzt man sich ja auch nicht (vor allem nicht in einem Ausbildungsverhältnis).
Irgendwann habe ich mir einen anderen Mann gesucht, weil ich der Meinung war, ich muss wegkommen von dem Typ. Auch das war eher eine unterbewusste Entscheidung und nicht hinterhältig geplant. Aus der quasi „Affäre“ ist dann eine Beziehung entstanden, mit der ich zwei Jahre lang glücklich gewesen bin, auch wenn ich am Anfang nicht so klassisch verliebt war.
Dann hat es sich ergeben, dass ich einen einzigen Abend mit der alten Flamme verbracht hatte, weil ich der Meinung war, ich würde das vertragen. Außerdem habe ich mich gefreut, endlich mal nett mit ihm plaudern zu können. Was soll ich sagen, der Abend war nett, der Mann hat mich geküsst.
Und „bamm“ war ich wieder am Anfang.
Wir können noch immer nicht zusammen sein, denn jetzt sind wir beide in einer Beziehung. Ich kenne seinen Charakter ehrlich gesagt auch gut genug, um zu wissen, dass ich wahrscheinlich nicht dauerhaft mit dem Mann glücklich werden könnte und mache mir deswegen keine reale Vorstellung davon, ernsthaft meine Beziehung auf's Spiel zu setzen.
Die kommenden Wochen waren recht nervenaufreibend und schmerzhaft. Und ganz vorbei ist es noch nicht. Alte Flamme und ich ignorieren uns bei der Arbeit, so gut wir können.
Ich habe auch die ganze Zeit mit meiner eigenen Beziehung gehadert, war mir auf einmal so unsicher, ob ich wirklich mit meinem Freund zusammen bleiben soll und ob ich ihn noch genügend liebe.
Mir sind in meinem Gedankenkarussell dann auch noch andere Probleme hochgekommen. Weil mein Freund sein Elternhaus übernommen hat und wir da drin wohnen und zusammen alt werden sollen. Seine Eltern wohnen dann unter uns. Und was wird dann aus meinen Eltern? Die sehen unsere Kinder ja nie. Werde ich mich hier je daheim fühlen? Soll ich in meinem öden Job jetzt versauern oder wo will ich noch hin? Ich zweifle momentan an der Richtigkeit meines Lebens und Handelns und kann mich weder vor, noch zurück bewegen und mich auch nicht mit Nebensächlichkeiten ablenken.
Dann gibt es inzwischen die zweite, kleine Optimisten-Stimme in meinem Kopf die sagt: „Glück gibt es überall und du kannst es auch hier werden.“ Ich weiß nicht, wie viel ich dieser Stimme glauben darf.
In mir nagt so ein Gefühl der Unruhe, dass fordert, dass ich handle, aber ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.
Ich habe meinem Freund gesagt, dass ich Gefühle für jemand anderen habe (Er weiß auch für wen), und dass ich Angst vor unserer geplanten Zukunft habe und warum. Er kann mir aber nicht helfen, weil er meint, es gäbe für ihn keine alternative Zukunft. Was ich auch verstehen kann. Irgendwie. Dass es ihm scheinbar so wenig ausmacht, dass ich fremdverliebt bin oder war, verstehe ich nicht. Er kann offensichtlich nicht nachvollziehen, wie sehr mich das belastet (hat). Er meinte dann sowas wie, dass er keine Angst habe, dass da etwas passiert. Er vertraut mir. Ich habe dazu mal nichts mehr gesagt.
Ich finde es komisch, dass ich es erst jetzt so sehe – grundsätzlich ist es doch absurd - aber irgendwie habe ich innerhalb meiner Beziehung tatsächlich Liebeskummer wegen einem anderen.
Ich glaube inzwischen, dass ich einfach den Liebeskummer, den ich anfangs versäumt habe, nun noch nachholen muss, um mit „alter Flamme“ abzuschließen. Während ich das tue, versucht sich meine persönliche Unabhängigkeit an die Oberfläche zu kämpfen und lässt mich an allem, was mir hier Sicherheit bieten könnte zweifeln, weil ich mich für die Sicherheit binden müsste. Und mein Körper behauptet wohl gerade, dass er das nicht gebrauchen kann.
Klingt das plausibel oder versucht mein Kopf tatsächlich grade sich Dingen zuzuwenden, die mir noch wichtig sind und auf die ich nicht verzichten kann? Und wenn ja, wie kann ich den Unterschied feststellen? Abwarten und Tee trinken bis die Liebeskummergedanken komplett verflogen sind? Muss ich dann Angst haben, dass mir sowas nochmal passiert?
Sich für meinen Freund und das sichere Leben zu entscheiden würde bedeuten, meine Familie zu verlassen; sich für meine Familie und Heimat zu entscheiden, meinen Freund zu verlassen. Um mich mal in Ruhe auf mein zukünftiges Berufsleben konzentrieren zu können, bräuchte ich erst mal Gewissheit für meine Beziehung, so viel ist mir klar.
Vielen Dank schon mal, die kuspernudel
27.04.2013 15:16 •
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