Liebe condolezza,
Du gibst Dir die Antwort bereits selbst eigentlich, doch Du willst sie nicht wissen. Völlig normal und ich kann das gut verstehen.
Du schriebst am Anfang war er viel moderner... Ja natürlich, Ihr wart beide verliebt, man zeigt sich von der besten Seite, man zweifelt nicht. Verliebt sein ist wie Dro., doch das löst sich immer mehr auf und dann sieht man immer mehr, was wirklich IST.
Ich weiß auch zu gut, WAS Du meinst, setzte mich einst selbst in einen goldenen Käfig. Auch das hatte nichts mit Religion zu tun, auch wenn jeder mich fragte, ob mein Mann Ausländer wäre. Nein, war er nicht.
Anfangs waren wir verliebt, ich fühlte mich begehrt, alles, was bereits Anzeichen war auf das, was kommen würde, interprettierte ich als Liebe (was es sicher auch war- aber eben keine gesunde). Ich WOLLTE das so.
Jeder Griff in meine Haare mit dem festen Blick in meine Augen Du gehörst zu mir ist doch irgendwie auch wundervolle Bestätigung, dass mich jemand wirklich will - oder nicht?!
Und dann, dann geht es immer weiter, schleichend... die Kompromisse werden immer größer, man merkt kaum, wie man immer mehr berücksichtigt und beachtet um es richtig zu machen, immer weniger man selbst ist, so lange, bis von einem selbst nämlich nichts mehr übrig ist.
Als wir zusammen zogen, packte ich meine Sachen. Ich nahm sie aber nicht einfach mit. Ich musste ihm jedes Teil einzeln zeigen, er entschied, ob das mitkam oder nicht. Bei Sachen, wo er unsicher war, die musste ich anziehen, mich drehen, bücken.
Leute, die das mitbekamen, schüttelten nur den Kopf, ich aber liebte ihn, fand das fast süß.
Mein eigener späterer Schwager sagte mir, ich solle mir ernsthaft überlegen, ob ich heiraten will, ich würde mich selbst in einen goldenen Käfig setzen und den Schlüssel wegwerfen. Ich lachte ihn fast aus. Wenn man nur genug lieben würde, das wird schon alles...
Ja ja.
Alles, was anfänglich Bestätigung und Liebe für mich war wurde aber immer unberechenbarer, ich hatte nicht einmal mehr die Chance, alles richtig zu machen, denn es war nur noch irre.
Das ging bis zu Schlägen in der Öffentlichkeit. Ich verlor den Glauben an so Vieles, denn Menschen, die angeblich meine Freunde waren, drehten sich weg. Da gibt es viele Verstrickungen.
Wenn meine Nachbarin klingelte, sie würde die Polizei rufen, dann stellte ich mich vor ihn, sagte, wenn ich mich streiten will, dann streite ich mich- basta!
Oh, und niemand soll sagen, Frauen, die sich sowas gefallen lassen wären dumme Uschis... Das sind sie bei Weitem nicht! Da spielen ganz andere Dinge eine Rolle.
Meine Freundin sagte mir immer wieder: Einen Koffer für Dich, einen für Dein Kind, pack Geld bei Seite und dann geh!
Ich KONNTE nicht, hörte nicht auf zu glauben, ich würde das kontrollieren können.
Dann bekam er einen Herzinfarkt, mehrere, schwere OPS... Und dann machte ich den Deal mit mir, dass ich die Zeit bleiben würde, die er noch hätte. Einen so kranken Mann verlässt man nicht.
Aber nichts war mehr, wie es war! Die Krankheit machte ihn nicht ruhiger, sie machte ihn doppelt so gefährlich und unberechenbar.
Erst als es wirklich um Leib und Leben ging, ich wusste, das KANN ich nicht überleben, da verschwand ich in einer nacht und nebelaktion mit meiner Tochter an der Jand und nichts weiter als einer Handtasche. WEg ins Ausland, ohne alles.
Mit jedem Kilometer ging es mir besser, ich fing bei 0 an, wurde in Abwesenheit geschieden.
Die Angst, ihn zufällig zu treffen, verlor ich nie, denn eines Tages kam ich ja zurück in die Stadt.
Bereue ich meine Ehe? Nein. Denn sie ist ja Teil von mir und ich habe viel gelernt.
Vermutlich hat sie aber größere Schäden in mir angerichtet, als ich wahrhaben will. Auf der anderen Seite, ja, vielleciht hätte ich diese Erfahrung besser nicht gemacht.
Ich schreibe Dir das, weil es SO gehen KANN, SO werden KANN, aber nicht MUSS.
Aber Du befindest Dich noch an einem Punkt, wo das umkehren noch möglich ist. Du hast eine innere Stimme, auf die ich nicht hörte.
Ich will den Teufel nicht an die Wand malen, es kann bei Dir ganz ganz anders sein.
Aber bitte: Liebe bedeutet, einen Menschen zu lassen, wie er ist. Nicht ihn nach den eigenen Vorstellungen zurecht zu kürzen und nicht ihn zu besitzen. Niemand hat das Recht an Deiner Persönlichkeit herumzuschnibbeln...
Lass es nicht zu, dass Du irgendwann nicht mehr weißt, wer Du selbst bist...
DAS ist die Hauptsache.
Kannst Du bewusst mit all dem leben und umgehen, ohne Dich selbst dabei zu verlieren, dann schau, wo es hingeht.
Es liest sich aber bereits anders. Hör auf Dich!
Alles Gute