Hallo liebe Forengemeinde,
ich habe lange überlegt, ob ich meine Geschichte darstellen soll oder nicht. Aber hier werden sehr oft sehr kluge und sehr hilfreiche Antworten gegeben, daher hoffe ich auch auf einige Meinungen, Gedanken, Ratschläge, Erfahrungen. Im Thread 'Narzissmus und Hochstapler' habe ich ein wenig mitgelesen, habe aber nicht das Gefühl gehabt, dass ich dort so richtig wäre. Auch wenn einiges vielleicht jetzt offensichtlich scheint, war es das nicht immer für mich, und um ehrlich zu sein, schäme ich mich irgendwie dafür, das mir soetwas passiert ist.
Meinen (Ex)Partner und mich verbindet eine sehr lange und facettenreiche Geschichte, aber ich versuche mich kurz zu halten.
Wir haben uns vor 5 Jahren online kennengelernt, obwohl wir einige Hundert km Entfernung hatten. Wir hatten sofort einen mega guten Draht, waren aber sehr unterschiedlich. Er wurde zu meinem besten Online-Freund,wir begannen zu telefonieren. Es wurde sehr regelmäßig. Am Anfang der Telefonate wollte er mich zu Treffen überreden, aber ich war noch nicht dazu bereit.
Er war laut Foto sehr gut aussehend, seinen Erzählungen und den Gesprächen entnahm ich, dass er sehr intelligent war, charmant, humorvoll, etwas frech, ein bisschen verzogen, da er aus vermögenderem Elternhaus kam und er hatte im Ausland studiert. Das machte mich ein wenig unsicher á la Aschenputtel, weshalb ich Angst vor Zurückweisung entwickelte. Unsere Telefonate zogen sich über 2 Jahre, in welchen ich aufdeckte, dass das Foto, welches er mir geschickt hatte nicht echt war und er eigentlich anders aussah. Aber das war mir dann schon egal, denn seine Persönlichkeit hatte mich überzeugt.
Schließlich trafen wir uns. Es funkte sofort. Wir kamen zusammen und führten eine wunderschöne Fernbeziehung. Ich hatte in unserer gesamten Beziehung (2 Jahre Beziehung, 2 Jahre telefonieren, 1 Jahr Chat) nur ein Wochenende bei ihm verbracht, da es sich am Anfang eher ergab es bei mir zu verbringen und er dann bald seine Wohnung aufgeben musste und zurück zu seiner Mutter zog. Er hatte mich auch zu seiner Mutter eingeladen, aber ich wollte sie noch nicht kennenlernen und ihr die Umstände machen ein ganzes Wochenende das Wohnzimmer zu belagern. Seine Freunde lernte ich daher auch nicht kennen.
Jetzt um Silvester herum fing er an endlich wieder nach einer eigenen Bleibe zu suchen, also schlug ich ihm vor, da wir beide im Sommer unser Studium allmählich beenden würden, dass wir diese Chance nutzen könnten zusammen zu ziehen. Ich müsste meine Wohnung sowieso aufgeben und es würde sich doch anbieten,denn wir beide wären nicht mehr durch das Studium örtlich gebunden, zusammen wohnen ist billiger, keine FERNbeziehung mehr,etc.. Er war damit auch mehr als einverstanden und so machte ich meine Pläne damit.
Allerdings fing er dann allmählich an sein Verhalten zu ändern. Er wurde immer unzufriedener in unserer Beziehung, wollte plötzlich nicht mehr mit mir zusammenziehen, sagte das aber nicht direkt, sondern ließ es mich durch andere Aussagen implizieren. Er fand immer mehr Dinge, die ihm plötzlich an mir nicht passten, die ich falsch machte, was ihn an mir nerve. Er sagte nichts Liebes mehr, keine Kompimente, kein 'Ich liebe dich', nur noch Negatives, bis er sagte, er wisse nicht mehr, ob er noch mit mir zusamme sein wolle. Für mich brach eine Welt zusammen. Ich bemühte mich an meinen 'Makeln' zu arbeiten, unsere Beziehung wieder auf Trab zu bringen. Ich war kompromissbereit, verständnisvoll, rücksichtsvoll, das gipfelte in Selbstaufgabe. Er wurde immer kälter mir gegenüber. Ich versuchte wirklich alles! Das ging 2,5 Monate so, in denen er nicht wusste, ob er mich noch liebt, dass er sich keine Zukunft mit mir vorstellen könne. Dann hat er wieder Hoffnung gemacht mit 'Wir arbeiten daran' - aber nur leere Worte, er tat garnichts.
Letztlich -ich hatte es eingeleitet- hat er dann endlich die Trennung ausgesprochen, weil er mich nicht mehr lieben würde und sich mit mir keine Zukunft mehr vorstellen könne. Das hat mich nicht mehr getroffen, denn zu diesem Zeitpunkt habe ich schon eingesehen, dass es nicht mehr weitergehen würde mit uns. Er tat nichts um die Beziehung zu retten und wollte wegen Kleinigkeiten die Trennung. Da hatte ich für mich entschieden, dass ich nicht mehr warten und hoffen wollte und dass ich mich trennen würde, wenn er immernoch nicht wüsste, ob er mich liebt. Bei diesem 'Trennungs'treffen war er sehr überrascht über meine Stärke, meine Fairness. Er sagte er liebt mich nicht mehr, hat beim Treffen aber körperlich immer wieder die Nähe gesucht und bitterlich geweint, bevor ich in den Zug nachhause gestiegen bin.
Zwei Tage nach der Trennung schrieb er mir überall und rief mich an, es sei sehr wichtig das wir reden, er bäte um ein weiteres Treffen. Nach dem x.ten Anruf ging ich darauf ein und wir trafen uns einige Tage später.
Was dann kam, war der Hammer.
Er habe gelogen. Die größte Lüge sei, dass er mich nicht mehr lieben würde, denn das täte er noch und er habe nie damit aufgehört.
Er hat nie im Ausland studiert, sondern in DE. Er hat auch nicht den Master in seinem ersten Studienfach, genau genommen hat er nicht mal den Bachelor. Mit dem zweiten Studium, das er jetzt macht würde er auch nicht diesen Sommer fertig sondern frühestens(!) nächsten. (Ein Zusammenziehen stand daher nie wirklich im Raum). Anstatt des Vollzeitjobs in einem sehr nahmhaften Unternehmen, den er aufgrund seines Masters in einer Naturwissenschaft angeblich gehabt hat, hat er mit seinen Freunden abgeflenzt und Teilzeit oder als Minijobber gearbeitet. In dieser Zeit waren wir bereits ein Paar und ich habe sehr viel Rücksicht auf ihn genommen, weil er soo viel Stress hatte -- Den er in der Realität garnicht hatte!
Seine ganzen Erzählungen von diversene Reisen, darunter welche mit seiner Mutter, welche mit seinen Freunden und welche mit seinem nahmhaften Arbeitgeber (der nie existiert hat) waren zu 95% ausgedacht.
Jetzt mag man sich vielleicht fragen, ob mir das nie aufgefallen sei, aber nein, er hatte mit so einer Leichtigkeit immer mal eine Anekdote zu einer seiner Reisen parat. Oder als meine Schwester in den Urlaub flog auch Tipps, wo sie unbedingt hin müsse, was dort besonders sei, wo sie aufpassen müsse usw.. Das war auch alles erlogen. ..Und natürlich auch dass er aus einem vermögenden Elternhaus kommt, mit dem er sich verkracht hat. Wäre ja eine Sache mit dem Vermögen gewesen, aber es sind die ganzen detailreichen Geschichten, die es so abstrus machen. Immer kleine Bemerkungen, welche Kleidung er früher gekauft hat, oder welche schicken Restaurants in X wirklich super gute Vorspeisen hätten, am liebsten das und das, aber leider müsse man ein halbes Jahr vorher reservieren und mit Vorspeisen sei man schon locker bei 200 Euro,...
Diese ganzen Äußerlichkeiten sind ja eines. Er hätte nie einen Grund gehabt mich deswegen zu belügen. Er weiß, dass ich aus sehr bodenständigen Verhältnissen komme, selbst gerade so durch den Monat komme und es mir immer unangenehm war, dass er aus einer 'vermögenden' Familie kommt. Ich habe nie teure Geschenke gewollt, geschweige denn, dass er ständig bezahlt. Mir war es immer wichtig zu zeigen, dass ich mich von niemanden durchziehen lasse. Wir hatten immer ausgeglichene Ausgaben. Wenn er mich in de Urlaub einladen wollte, habe ich mit ihm diskutieren müssen, warum ich das nicht will. Manchmal haben mich seine Erzählungen stutzig gemacht, dann habe ich ihn auch angesprochen, ganz ruhig, er könne mir die Wahrheit sagen, er müsse nur ehrlich sein, mir wäre das egal. Aber er hat stets darauf bestanden, dass es so stimmt. Er hatte dann auch sehr logische und nachvollziehbare Erklärungen dazu, welche durchaus realistisch waren.
Es wäre ja einerlei gewesen, wenn er 'nur' wegen seines Status gelogen hätte, oder um die Lügen, die er schon in die Beziehung gebracht hat, weiter zu decken. Aber er hat sich immer Neues aus den Fingern gezogen. Und das so gut, detailreich, überzeugend und realistisch, dass es im Kontext nie aufgefallen wäre. Er hat selbst über unnötige Dinge gelogen, z.B., dass sich seine Ex bei einem zufälligen Treffen gleich wieder an ihn rangemacht hätte, dass er aufgrund einer ausstehenden Lizenzzahlung in seinem alten Job (der ja nicht existent war) vor Gericht ziehen müsse, dass der Vater seiner Ex auch ein großer Geschäftsmann war, dass er hohe Geldbeträge auf irgendwelche Fußballspiele gesetzt hat, dass er einige Jahre auf ein Internat gegangen ist,... Viele Dinge, die eigentlich so ziemlich unnötig gewesen wären.
ABER, als ich mit dem Thema 'zusammenziehen' anfing, merkte er, dass er die Reißleine ziehen muss. Anstatt sich einfach von mir zu trennen oder sich selbst als Schuldigen darzustellen, hat er mich 2,5 Monate lang 'runtergeputzt', was ich alles falsch machen würde, etc..
Er hat gesagt, dass er nur nach einem Grund gesucht hat die Beziehung zu beenden, aber es sehr schwierig war, weil wir eigentlich eine sehr sehr schöne und funktionierende Beziehung geführt hatten, sodass er sich nur an augenscheinlichen Kleinigkeiten aufhängen konnte, Eigenschaften von mir, überdramatisiert zum Endfeind und dann hat er es einfach nie geschafft sich von mir zu trennen, weil er mich ja eigentlich innerlich liebt und garkein Problem mit mir gehabt hätte. Deshalb hat es sich über 2,5 Monate gezogen.
Mit seinem Geständnis entstand ein riesiges Wirr-warr in meinem Kopf. Er konnte mir nicht sagen, bei was allem er gelogen hatte, er hatte selbst den Überblick verloren. Deshalb ließ ich alles möglich Revue passieren und rief ihn dann an, um zu fragen, ob es wahr war, oder eine Lüge. Dabei kam sehr sehr viel Unschönes heraus. Auch absolute Nogos. Er hat Dinge getan, von denen er vorher selbst gesagt hatte, dass er das nicht tun möchte. Nachdem er es hinter meinem Rücken getan hat, hat er mir gesagt, er habe es nicht getan, aber sein Freund hätte es hinter dem Rücken dessen Verlobten getan. Das würde er nie tun, deshalb rede er gerade mit mir darüber, wir wollen ja ehrlich und offen miteinander sein. Er wolle es in Zukunft mal tun und deshalb möchte er mit mir darüber sprechen. Wie manipulativ das war. Er hat mir dabei in die Augen gesehen. Meine Hand gehalten. Ich kann es nicht fassen! Und von diesen Metzchen kamen inzwischen so einige ans Licht, wo er mich einfach komplett verA.t hat.
Er hat sich inzwischen auf mein Anraten professionelle Hilfe gesucht, da er inzwischen erkennt, dass er seine Lügen teilweise selbst geglaubt hat (?). Er möchte sich ändern und ab jetzt ein ehrliches Leben führen. Er hofft, dass ich ihm verzeihen kann und wir das Gemeinsam durchstehen und daran arbeiten, wieder Vertrauen aufzubauen. Die Entscheidung liegt bei mir.
Was wir hatten, war in meinen Augen die tiefste Bindung, die ich je zu einem Menschen außerhalb meiner Familie aufgebaut habe. Er war wie mein Seelenverwandter. Wir konnten über alles reden, lachen, weinen. Wir haben uns sehr innig geliebt, ich dachte ich hätte den Partner gefunden. Wir haben auch oft über die Zukunft geredet, er hatte sogar gesagt er wolle die nächsten Jahre auch gerne endlich Vater werden und ich sei die erste Frau in seinem Leben mit der er sich sowas überhaupt vorstellen könnte.
Ich hätte niemals mit soetwas gerechnet, und am wenigsten von ihm. Ich weiß nicht weiter, denn im Moment frage ich mich, ob ich IHN geliebt habe, oder ob der Mensch, den ich geglaubt habe zu lieben, nie existiert hat? Mich erschüttert es so tief und manchmal packt mich unfassbar tiefe Wut und Zorn darüber.
Ich weiß, es ist sehr lang geworden. Danke, falls ihr so weit gekommen seid.
20.05.2016 23:21 •
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