Ich musste erst einmal Anfang 40 werden um gesagt zu bekommen, dass mir meine Kindheitsprägungen im Weg stehen um eine selbstbewusste und selbstliebende individuelle Persönlichkeit zu werden. Und ich arbeite immer noch daran weil Rückfälle passieren.
Bei meinem Partner war es die Glotze. Und bei mir war es ein ausgeprägtes Helfersyndrom. Mein Partner ist chronisch krank und körperlich behindert. Über Jahre hinweg habe ich mir den Schuh angezogen in unsere Lebensgemeinschaft die Macherin sein zu müssen. Ich habe, so wie Du, den Haushalt geschmissen und aufgrund meiner Selbständigkeit noch eine 60 Stunden Woche gestemmt. Der Herr kam abends von der Arbeit, hat sich aufs Sofa gesetzt, sich bedienen lassen und mir noch aufgetragen was man (also ich) noch alles erledigen sollte.
Über 10 Jahre hinweg habe ich mich immer mehr aufgerieben und ausgepowert, körperlich und psychisch.
Und er mischte sich immer mehr in meinen Job ein und gab das Gefühl dumme, unüberlegte Entscheidungen zu treffen und nur er sei der Obergescheite. Wenn ich seine Meinung nicht annahm gabs Krach. Irgend etwas in mir fing an sich zu sträuben und ich stellte mich immer mehr auf die Hinterbeine. Erst im guten mit dem Wunsch nach Verständnis und schlußendlich mit knallharten Ansagen oder ohne ihn noch einzubeziehen. Dieses Spiel zog sich über ein 3/4 Jahr hin und dann kam es zum Supergau. Mir platzte so dermaßen der Kragen, ich werde diese Szene nie mehr vergessen in der ich ihn rasend vor Wut zusammen faltete und er vor Angst und Schreck in sich zusammen viel.
Es folgte eine kurzzeitige Trennung von Tisch und Bett, ich zog aus.
Ich ging aber wieder zurück, weil ich erkannte das ich auch Fehler gemacht habe.
Wir wollten es nochmal versuchen, offen, ehrlich und schonungslos miteinander umgehen und den anderen zurecht stutzen wenn er Grenzen überschreitet.
Seit 6 Monaten klappt es recht gut. Wir haben uns beide sehr verändert, vor allem er. Und wir haben gelernt zu kommunizieren, bevor es kracht.
Alles in allem haben wir etwas geschafft was niemand für möglich hielt und was vor allem mir abgeraten wurde.
Aber es gibt auch noch die anderen Tage. So wie gestern. 2 Meinungen und Sichtweisen prallten aufeinander, keiner wollte einsehen, verstehen oder nachgeben. Er wies mich so wie früher zurecht, vor anderen, und ich blies zum Gegenangriff. Das Ende vom Lied war, wir gingen zu Bett, schweigend und stinksauer. Eiszeit. Heute früh war es nicht nur draußen kühl. Heute Abend wird es sich gelegt haben, aber im Gegensatz zu früher werden wir das Thema nochmals durchkauen müssen. Früher wurde kein Wort mehr darüber verloren und ad acta gelegt. Ich fraß meine Wut in mich hinein und er fühlte sich in seiner Selbstherrlichkeit und Rechthaberei bestätigt, da von mir nichts mehr kam hatte ich wohl eingesehen das er Recht hatte und so wird's jetzt gemacht.
Aber so läufts nimmer, das weiß er auch. Und so läuft es nimmer weil ich mich geändert habe. Was im allgemeinen nicht immer nur positiv aufgenommen wird. In seinen Augen ist das Trotz und einfach nur ein erst mal gegen alles was er sagt sein. Das es ein intelligenter, gleichwertiger und reifer Austausch sein soll, versteht er nicht immer weil er es so nie gelernt hat. Und wenn ich so komme fühlt er sich dumm und bevormundet. Ich sei ihm intellektuell überlegen. Dieses Minderwertigkeitsgefühl zu relativieren un dann noch den Streitpunkt glimpflich über die Bühne bringen ist harte Arbeit und man muss seine Emotionen und Spontanität unter Kontrolle haben. Denn sonst knallt einem die Sicherung durch und es endet so wie früher in Streit, Beleidigung und Eiszeit.
23.09.2014 07:43 •
#22