Habt Ihr einen Rat?

E
Hallo an alle,
seit langem schon lese ich in diesem Forum mit, und ich konnte bereits die eine oder andere Hilfe für mich darin finden; deshalb fasse ich jetzt den Mut, mich mit meinem Problem und meiner Geschichte an Euch zu wenden.
Meine Trennung nach 14jähriger glücklicher Partnerschaft war vor fast einem Jahr. Mein damaliger Partner und ich (wir sind übrigens beide 46) machten gerade gemeinsam Skiurlaub, als ich deutliche Veränderungen bei ihm bemerkte und ihn darauf ansprach. Er erklärte mir daraufhin sehr ruhig und sachlich, er habe sich vor vier Wochen in eine jüngere Kollegin verliebt. Zunächst sei es nur eine Affäre gewesen, aber inzwischen sei es die große Liebe geworden - er sei, wie er mir sagte, überglücklich, so etwas noch einmal erleben zu dürfen. Für mich empfände er zwar noch freundschaftliche Gefühle, aber sein Wunsch sei es, die Beziehung zu mir zu beenden.
Für mich brach die Welt zusammen. Wir beendeten den Urlaub vorzeitig und fuhren sofort nach Hause. Er ließ seine Koffer gleich im Wagen, packte einen Teil seiner übrigen Sachen dazu und verschwand. Ich habe ihn nicht wieder gesehen oder gesprochen. Seine restlichen Sachen packte ich dann noch, sie lagern bei meiner Schwester und warten noch immer darauf, daß er sie abholt.
Es begann eine höllische Zeit für mich. Ich habe weder geschlafen noch gegessen, ich dachte oft an Selbstmord, habe nur noch funktioniert und kam nicht wieder auf die Beine. Unser gemeinsamer Freundeskreis ist zusammen mit meinem Ex verschwunden - die Freunde waren der Meinung, nicht zu uns beiden den Kontakt aufrechterhalten zu können, und entschieden sich sehr schnell für ihn. (Lediglich ein befreundetes
Paar bemüht sich auch weiterhin um mich; von ihnen weiß ich auch, daß mein Ex inzwischen geheiratet hat.) Meine Schwester war meine einzige Vertraute und hat sich rührend um mich gekümmert. Weil ich merkte, daß ich alleine nicht klar kam, habe ich ärztliche Hilfe gesucht und im Sommer letzten Jahres eine Therapie begonnen. Sehr langsam ging es mir besser. Ich versuchte, mir einen neuen Bekanntenkreis aufzubauen, neue Interessen zu entwickeln, und befolgte Eure Ratschläge ...
Was mir aber noch schwer zu schaffen macht, ist die Tatsache, daß er immer noch ständig in meinen Gedanken ist. Er ist das erste, woran ich morgens nach dem Aufwachen denke, und am Abend das letzte. Und dazwischen kreisen meine Gedanken nur um ihn und die gemeinsame Zeit. Ich schaffe es nicht, auch mit Hilfe der Therapeutin nicht, dieses Gedankenkarussell zum Halten zu bringen, ihn wirklich loszulassen. Und dabei merke ich, daß mich das lähmt. Ich kann keine Wut auf ihn empfinden, nur tiefen Schmerz, manchmal Verzweiflung und Furcht vor der Zukunft. Obwohl ich weiß, daß es den Menschen, den ich geliebt habe, so nicht mehr gibt, kann ich nicht aufhören, an der Vergangenheit zu klammern. Habt Ihr einen Rat?
Schon mal danke sagt
Sophia

17.01.2004 09:39 • #1


E

Liebe Weisheit,

da hat es sich dein Partner aber sehr leicht gemacht. Nach 14 Jahren einfach so für immer zu verschwinden, auch noch wegen einer anderen, ist eine ziemlich fiese Methode. So hat er dir die Möglichkeit genommen, Abschied zu nehmen. Wenn man so lange glücklich zusammen gelebt hat, muss man doch wohl Gelegenheit finden, noch eine gewisse Zeit auszuhalten, um alle Angelegenheiten (auch mit seinen Sachen) zu regeln. Hört sich an, als wollte er ALLES auf einmal zurücklassen. Damit stiehlt er sich aber letztendlich aus aller Verantwortung.

Nun musst du (wie du ja auch schreibst) die ganze Aufarbeitung dieser Zeit selbst erledigen - für IHN ist das vermutlich alles egal inzwischen, er hat ja ein ganz anderes Leben. Dass du innerlich noch nicht losgelassen hat, merkst du ja selber: ER (den es jetzt so nicht mehr gibt) spukt immer noch in deinem Kopf herum. Aber um wieder vorwärts zu kommen, MUSST du loslassen. Dieser Prozess ist vermutlich das Schmerzhafteste an der ganzen Trennung, besonders weil du mir-nichts-dir-nichts allein gelassen wurdest (und das in deinem Alter)

Mein Rat wäre: Überleg dir einmal genau, WARUM du eigentlich ständig an ihn denkst. Liebst du ihn immer noch? (Was deprimierend sein MUSS, denn du wirst ihn wohl nie wieder bekommen.) Oder fehlt dir etwas ganz anderes, was damals war? Fehlt dir Geborgenheit? Bist du sehr allein? (Dann müsstest du weitermachen damit, deinen eigenen Freundeskreis aufzubauen, denn der gemeinsame von damals taugt ja offensichtlich nichts.)

Leider fällt mir keine Ausweichroute ein, damit es dir besser geht. Du musst da durch, du musst ihn aus deinem Kopf bekommen. Dir überlegen, was er da eigentlich noch zu suchen hat, wo er dich so unglaublich enttäuscht hat. Entwickle Wut! Hasse ihn meinetwegen auch! Stoß dich ab von ihm, häng nicht in Erinnerungen fest. Er ist schon lange woanders - da, wo du ihn suchst, wird er nie mehr sein.

Tu das DIR zuliebe. Entdecke wieder deinen EIGENEN Wert, steh zu deinem NEUEN Leben, in das du unsanft geschubst wurdest. Mach etwas daraus. Mach aus dieser schrecklichen Niederlage einen Sieg für dich.

Viel Kraft dabei wünscht Dir
Thorsten

P.S.: Kannst mir auch gerne per EMail schreiben, falls du möchtest.

17.01.2004 15:37 • #2


A


Habt Ihr einen Rat?

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E
Liebe Sophia,

ich glaube es hat auch mit dem Charakter zu tun, ob man leicht oder schwer los lassen kann. Manche haben generell ein Problem damit, Abschied zu nehmen, andere stürzen sich sofort in neune Beziehungen. Aber immer heißt meiner Meinung nach Loslassen auch ein Stück Aufgeben seines Selbst. Du hast 14 Jahre mit ihm verbracht, gelacht und geweint, bist erwachsen geworden, alles wurde geteilt und besprochen... All das ist nicht leicht zu vergessen und ist verständlich, dass es dir noch so viel ausmacht.

Aber versuche den Blick auch nach vorne zu richten. So kann das doch nicht ewig weitergehen. Der Schritt mit der Therapie war sehr mutig und ich bin stolz auf dich. Nur reicht leider nicht zu wissen, was alles falsch läuft, um es auch ändern zu können. Es ist noch harte Arbeit notwendig. Vielleicht kannst du versuchen herauszufinden, warum du so an den Erinnerungen fasthältst. Ich wünsche dir viel Kraft und Einsicht, du bist nicht allein.

21.01.2004 12:32 • #3


C
Hallo Sophia,

die ersten guten Schritte hast du ja bereits eingeleitet.
Das mit dem neuen Bekanntenkreis aufbauen finde ich eine sehr gute Sache. Es signalisiert eine art von Aufbruchstimmung in einem selbst. Ein neues Leben steht an. Dein Ex konnte es, hat einen Vorsprung, und du wirst es auch schaffen. Das mit den Gedanken an die Gute alte Zeit, an die gewohnten Abläufe zu zweit an die gemeinsame Entwicklung, dass hat auch mir, neben der Einsamkeit, sehr zu schaffen gamacht.
Ich bin für mich zu dem Entschluss gekommen, dass ich dieses Problem nur ganz alleine in mir selbst lösen kann. Du kannst dich mit noch so viel Freunden, Verwandten oder Therapeuten unterhalten, das hilft für die Zeit, die du mit ihnen verbringst und vielleicht auch noch einige Stunden danach, aber irgendwann kommen diese Gedanken wieder hoch und drücken aufs Gemüt. Ich habe angefangen zu meditieren (ZEN) und das hat mir sehr geholfen. Ich bin mir nicht sicher inwieweit ich das alles richtig mache, aber ich habe gelernt meine Gedanken einfach zu beobachten. Ich nehme sie nicht mehr persönlich, halte sie nicht fest aber verdränge sie auch nicht. Im Zustand des nichtdenkens der leider immer noch zu selten eintritt, glaube ich, liegt die Quelle der totalen Ruhe und Entspannung für einige Tage. Das funktioniert natürlich nicht gleich beim ersten mal. Aber über die Wochen habe ich mich spürbar besser gefühlt. Es gibt ein überkonfessionelles Angebot an Möglichkeiten, oft kostenlos, in einer Gruppe zu meditieren. Das ist meine Empfehlung an dich und auch an alle die, die aus ihrem Gedankenkarusell einfach nicht raus kommen.
Capricorn

21.01.2004 13:36 • #4




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