Liebes Forenmitglieder,
ich würde mich über Eure Einschätzung und Ratschläge freuen.
Kurze Schilderung meiner Situation:
Seit 10 Monaten bin ich mit meinem Freund zusammen. Er hat immer gern und viel getrunken, aber das ist auch in meinem Freundeskreis nicht unüblich, deshalb habe ich es erst nicht als Problem wahrgenommen.
Manchmal fand ich schon, dass das letzte B. jetzt nicht hätte sein müssen, aber gut, er mag halt B., interessiert sich auch dafür (verschiedene Biersorten, Craft Beer etc.), außerdem hat er ja so gut wie nie was Hartes getrunken.
In letzter Zeit hatte ich aber öfter Mal das ungute Gefühl, dass das alles doch nicht so ganz gesund ist. Warum? Er hat eben wirklich jeden Abend getrunken, und nicht nur in Gesellschaft, sondern auch zu Hause. Zwischen 4-6 0.5l B. würde ich schätzen. Allerdings - außer am Wochenende bzw. wenn er frei hatte - niemals tagsüber oder vor der Arbeit, deshalb habe ich da auch die Warnsignale eher wieder unterdrückt.
Freunde von mir (die ihn alle übrigens sehr mögen) haben mich in letzter Zeit drauf angesprochen, dass er doch etwas viel zu trinken zu scheint. Ich habe ihn immer in Schutz genommen.
In den letzten Monaten hat mich das Trinken aber mehr und mehr gestört. Nicht das Trinken an sich, aber wie er nach dem 3. oder 4. B. einen glasigen Blick bekam, wie wir dadurch oft nicht mehr das machten, was wir sonst machten. Als Beispiel: wo wir früher gerne eine Serie gemeinsam geschaut haben, wollte er jetzt immer mehr und mehr irgendwelche Musikvideos auf Youtube schauen, oft dreimal hintereinander die gleichen...da war er auch gar nicht so richtig ansprechbar, sondern fast ein bisschen in seiner eigenen Welt, ich kam mir da fast überflüssig vor und war manchmal auch etwas beleidigt/zickig deswegen. Seine Stimme wurde auch undeutlich und ich kam einfach nicht mehr so richtig an ihn ran.
Richtig von den Schuppen gefallen ist mir seine Situation aber erst vor 3 Tagen. Da hatten wir tagsüber im Park Tischtennis gespielt, er hatte schon seit Mittags B. getrunken (er hatte frei, es war Sommer, wir waren im Park und so gut wie jeder hatte ne Bierflasche in der Hand, ist halt in Berlin so). Als er aber abends seine Biere ausgetrunken hatte und wir zuhause waren, ich schon sehr müde war und er eigentlich auch schon im Pyjama, nur um sich dann nochmal umzuziehen um runter zum Spät zu gehen um noch mehr B. zu kaufen wurde mir klar: der trinkt nicht aus Spass oder weil er es will, sondern weil er es muss.
Als ich mich endlich getraut habe, ihn darauf anzusprechen, hat er sofort alles zugegeben.
Ja, er hat ein Problem damit, schon sein halbes Leben. Seine letzte Beziehung ist dadurch zerbrochen. Sie sagte zu ihm: entweder du hörst auf oder ich gehe. Daraufhin hat er aus eigener Kraft geschafft, für 3 Monate mit dem Trinken aufzuhören. Auf einmal fing er aber wieder damit an. Was genau der Auslöser war, kann er nicht sagen. Ansonsten war er recht ehrlich, meinte, dass er trinkt, weil er mit gewissen Situationen sonst nicht umgehen kann. Er ist auch nicht wirklich glücklich mit seinem Job momentan, hat zuviel Stress, meint aber auch, dass gewisse Probleme im Job davon kommen, dass er nicht immer so fokussiert ist, weil verkatert etc...
Das ist die Geschichte bis hierhin.
So ist der Stand momentan:
Ich habe ihn um eine einwöchige Pause gebeten, in der wir beide überlegen, was wir tun.
Er meinte, er kann nie mehr in Rehab gehen (als Teenie (er ist jetzt 40) hatte er wohl mal Probleme mit Dro. und seine Eltern haben ihn in den Entzug gesteckt. Daran hat er eine sehr negative Erinnerung. Dro. sind übrigens kein Problem mehr). Er ist auch gegen AA und ähnliches, denn er kann es sich nicht vorstellen, nie wieder überhaupt einen Tropfen zu trinken. Das kann ich auch irgendwie nachvollziehen.
Allerdings fand ich es wiederum schei., dass er auch andere professionelle Hilfe ablehnt. In Berlin gibt es ein Modellprojekt des kontrollierten Trinkens, wo man eben nicht von heute auf morgen sofort aufhören muss (wovor er so große Angst hat), aber er meinte, auch das wäre nichts für ihn.
Er sagt, im Moment wäre der einzige richtige Weg für ihn, es auf eigene Faust zu versuchen.
Deshalb überlege ich mich, zu trennen:
- ich mag ihn nicht, wenn er zuviel intus hat. Er ist nicht mehr ganz er selbst, er wiederholt sich, er hört mir nicht richtig zu
- er hat morgens wenn wir gemeinsam aufwachen eine Fahne, ist ständig irgendwie fertig und schläft enorm viel.
- wenn ich bleibe, toleriere ich irgendwie sein Verhalten, wenn er nicht sofort mit dem Trinken aufhört
- ich habe Angst, wenn wir uns abends mal nicht sehen (wir wohnen nicht zusammen), dass er zuviel trinkt
- wenn wir zusammen sind, fühle ich mich unwohl wenn er trinkt
Deshalb überlege ich, zu bleiben:
- er hat wenig Freunde. Er hat sich von vielen Leuten von früher losgesagt, weil die immer noch in der Party-Koks-Pillen-Szene sind. Sein eigentlich einziger bester Freund verführt ihn ständig zum Trinken. Ich habe Angst ihn ganz allein zu lassen.
- ich mag ihn sehr. Ob es Liebe ist, kann ich grade gar nicht mehr sagen, ich bin so durcheinander. Aber wir harmonieren so gut zusammen. Wir können gut zusammen reisen, wir haben den selben Humor, wir haben früher zusammen Sport gemacht (kann er grade nicht da Fußverletzung, seitdem trinkt er übrigens auch mehr habe ich das Gefühl), wenn ich ihn nicht sehe vermisse ich ihn.
- Ich dachte endlich, ich habe jemanden gefunden mit dem ich glücklich sein kann.
Nochmal zur Info, er war nie gemein zu mir, oder gar gewalttätig. Er ist einer von den Guten, er kocht für mich, er interessiert sich für mein Leben, dass es mir gut geht. Es tut ihm auch unheimlich leid dass er mir durch sein Problem weh tut.
Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Einerseits denke ich, dass ich ja nicht einfach mehr in diese Beziehung zurück kann, wenn sich nichts ändert. Andererseits denke ich dass ich ihm nicht damit helfe wenn ich gehe?
Freue mich über Eure Einschätzungen, vor allem, wenn es welche unter Euch gibt die sich in einer ähnlichen Situation befanden/befinden.
02.08.2015 20:19 •
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