Hallo an alle, ich hatte nicht vor, gar nicht, dies mit jemandem zu besprechen, geschweige denn ein Thema daraus zu machen. Die Zeiten ändern sich, alles ist im Wandel, Veränderung. Doch an meinem Schreibtisch sitzend, immer dieses flaue Gefühl im Magen, es fordert mich auf: hey, was soll das! warum sprichst du nicht darüber? und ich sagte mir, ja, ich denke, ich bin es nicht wert, dies zum Thema zu machen und jetzt finde ich das nicht richtig. Daher mein Gang zu eurem Forum.
Vor einem Jahr dachte ich über einen Masterstudiengang in Kanada nach und es ergab sich einige Tage nach diesem Gedanken ein Konzert einer Musikerin aus Kanada. Es war einer der schönsten musikalischen Momente, den ich je hatte. Kurz darauf nahm ich meinen Mut zusammen, wollte sie um Rat fragen bzgl der Uni in ihrem Heimatland. Jedoch war sie beschäftigt und eine Frau, mit der ich mich unterhielt, wies mich auf einen Mann hin, der an der Bar saß. Frag ihn doch! Gesagt, getan. Wir verbrachten den Abend miteinander und er erzählte mir, dass er genau das studierte, nur eben in einer anderen Stadt des Landes.
Wir trafen uns monatelang und es war, als hätte ich meine andere Hälfte gefunden. Wir hatten die gleichen Interessen, den gleichen Humor, die Art wie wir unserer Umgebung Aufmerksamkeit schenken, die Themen und Bücher, unsere körperliche Anziehungskraft war stärker als ich es zuvor erlebt hatte mit einem wesentlichen Unterschied zu vorherigen Erfahrungen: es fühlte sich angenehm an, 'gesund', zuhause, nicht obsessiv, nicht einnehmend oder Schmerz verursachend, sondern wie ein Puzzelteil, das greift, stundenlanges Küssen und innige Gefühle. Als ich bei ihm war hatte ich Träume, die mich mit ihm verbanden, ich träumte intensiv und von dem Studium an der Uni.
Über Weihnachten flog er zu seiner Familie nach KA, wir hatten wenig Kontakt. Das war zunächst ok, denn wir lernten uns erst kennen. Er schien nicht der Typ zu sein, der viel schrieb.
Zu dieser Zeit zog ich in meine erste eigene Wohnung, jedoch war ich sonst in einem unglücklichen Zustand. Wohnungsnot, nicht wissen, wo ich mein Studium weiterführen könne, Unzufriedenheit mit der Stadt, in der ich aufwuchs und wieder lebte (ich studierte zuvor bereits einige Jahre im Ausland, dort konnte ich mich frei entfalten). Mein kreatives Potenzial fand seinen Ausdruck nicht, aufgrund vieler Jobs und Tätigkeiten, von denen ich versuchte loszukommen. Hinzukommt, dass meine Mutter und mein Großvater schwerkrank sind, und ich die Last meiner Familie trug. Die Umstände führten dazu, dass ich nicht in der Lage war, frei zu sein, ich zu sein, mich zu äußern zu rechten Zeit. Ständig die Sorge um die Familie, die Zukunft. Ich konnte mit ihm zu dieser Zeit nicht darüber sprechen, um unser Verhältnis davor zu schützen, ich war befangen, die Befangenheit fand auch ihren Ausdruck darin, dass ich ihn nicht nach Hause einlud, da ich mich in der neuen Wohnung nicht wohlfühlte. Später machte er mir dies zum Vorwurf. Die Wohnung war Ausdruck der Problematik: abgeschottet am Rande der Stadt, nur in Sorge.
Zu meiner Rechtfertigung ist zu sagen, dass er ebenfalls keine Anstalten machte, mehr zu wissen, er bot mir nicht an, mich zu besuchen oder dergleichen. Wir genossen unsere Treffen bei ihm. Er wohnt selbst zur Zwischenmiete in der Wohnung eines Freundes und war gerade erst in die Stadt gezogen. Ich sah also nichts von seinen persönlichen Sachen oder einem 'Leben', außer die drei Bücher, die er hatte, oder Kleinigkeiten. Was ich sagen möchte, er war ebenfalls ziemlich bedeckt.
Es geschah einige Monate später, dass ich mich eines morgens im Frühling verletzt fühlte, da sich unser Verhältnis nicht entwickelte, und ich weniger reden konnte als ich wollte. Ich fragte ihn: was ist das, was wir hier machen?
Es war viel zu spät.
Wir redeten über unsere Gefühle das nächste Mal. Er erzählte mir, dass er sich in einer Krise befände. Er war zuvor mit einer Frau zusammen gewesen, mehrere Jahre. Sie trennten sich vor anderthalb Jahren, sie wurde kurz darauf schwanger von ihrem neuen Partner, das Kind gebahr sie Anfang diesen Jahres. Dies wusste ich zuvor nicht, doch ich bemerkte seine Aufmerksamkeit gegenüber kleinen Kindern, vorbeifahrenden Kinderwägen, etc. Ich merkte, dass es etwas gab. Doch auf der Beziehungsebene war unser Gespräch zu spät. Er teilte mir mit, er wolle keine Beziehung.
Was war das, ein Schock? Eine Befreiung?
Für mich war das Reden über Gefühle wie ein Meilenstein. Ich fühlte mich paradoxerweise, als sei nun alles möglich, als sei das Rätsel gelöst, ich war gelöst, meine Energien flossen durch meinen Körper, nichts hielt mich auf.
Wir trafen uns noch ein Mal.
Wir machten einen langen Spaziergang. Und nach einiger Zeit saßen wir auf einer Bank, er sagte mir, dass er keine Intimität mehr wolle. Er könne dies nicht mehr. No intimate relationship. Er fragte mich, was ich mir vorstelle. Ich sagte ihm, dass ich gerne mit ihm zusammen bin und mich weiter mit ihm treffen würde, auch ohne Intimität. Wie wir am Kanal saßen und redeten, ich hörte mir zu und konnte meiner Stimme kaum glauben. Unsere Stimmen waren wie eins. Weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. Es war paradox, dass ich so empfand.
Wir liefen wieder ein Stück. Und dann sagte er, er könne mich jetzt nicht einfach nach Hause schicken, es war dunkel, nachts, wir standen einander gegenüber, und wir sahen uns direkt an. Wir gingen zu ihm, ich wollte auf dem Sofa schlafen, sagte ihm, dass es mir wichtig sei, dass nichts passiert. Aber konnte sich nicht beherrschen. Das war das letzte Treffen. Es kam keine Nachricht mehr. Ich bat 2 oder 3 Wochen später um ein Treffen (wieder viel zu spät), wir tranken Kaffee draußen, eine Stunde, ich sagte ihm, dass ich auch nichts wolle im Moment von ihm, dass es ok sei, dass wir einander nicht sehen, etc. Ich war so verzweifelt und verletzt, wie davor schon angedeutet, ich konnte nicht ich sein, konnte nicht aus meinem Gefühl heraus handeln, sondern handelte so, wie ich dachte, dass es nur so funktioniert, was auch immer. Er schien erkaltet, busy beruflich, eine Freundin habe er nicht, so sagte er, da er körperlich nichts wolle im Moment. Am Ende teilte er mir mit, dass er bald ins besagte Land ginge für zwei Monate. Davon erzählte er mir vorher nichts. Geheimnisse, Befangenheit, obwohl wir es beide nicht wollten. So planten wir beide unsere Reise, unabhängig voneinander.
Jetzt kommt der interessante Teil. da ich mich nach wie vor für die Universität interessierte, nahm ich die Gelegenheit wahr, mich damit auseinanderzusetzen und meine Bewerbung zu schreiben. Als ob es nicht seltsamer hätte sein können, jene Professoren des Studiengangs/bzw Forschungsprojekts aus der Uni in Kanada waren zu diesem Zeitpunkt in Deutschland und ich bekam die Möglichkeit, über ein Institut an einem Projekt teilzunehmen mit einem kleinen Stipendium, was mir Reise und Unterkunft ermöglichte. Nur wenige Tage später lernte ich die Professorin kennen, einen Monat später, eine Gruppe von 40 Forschern und sie lud mich ein, als Gast-Akademikerin nach Kanada zu kommen.
So bin ich hier, 6000km von zuhause entfernt, habe bereits zwei Monate in Kanada verbracht. Es ist so viel geschehen wie aus meinen Träumen extrahiert.
Die Forschungsgruppe ist sehr speziell und ich habe oft anzweifeln müssen, ob es eine langfristige Kollaboration wird, aber dies ist ein anderes Thema. Es ging alles so schnell, die Reise, der Übergang, jetzt fühle ich mich pudelwohl und habe alle Freiheit der Welt.
Ich teilte ihm mit, dass hier ich sei, das war vor ca anderthalb Monaten per WA. Er war sichtlich geschockt, aber wir schrieben nicht viel. Er fragte mich ein paar Dinge, wie lange ich bliebe, wohin ich schon gereist sei und wo ich arbeite. Auf meine Frage hin wie es ihm derzeit ginge gab es keine Reaktion. Das war vor ca 3 Wochen.
Seitdem wandern meine Gefühle. Ich lerne andere Männer kennen, einige, die sich für mehr interessieren, einige, die ich sehr schätze, andere, die nicht erwähnenswert sind. Doch diese Zweisamkeit und der emotionale, intellektuelle Austausch, den ich zuvor erlebte, das gibt es nicht. S. fühle ich mich von keinem angezogen seit 7 Monaten, obwohl ich ein natürliches Bedürfnis habe.
Was ich mich frage, was muss geschehen. Ich bin ihm dankbar für diesen Wegweiser, obwohl ich nicht weiß, ob ich hier Wurzeln schlage. Zu Neujahr kehre ich zurück nach Deutschland und sehne dem überhaupt nicht entgegen.
Ich bin ihm dankbar, ich habe wieder eine Stimme, bin ungehemmter, und fühle mich selbstbewusster. Ich lerne hier auf meine Intuition zu hören, Entscheidungen zu treffen und dahinter zu stehen.
Jedoch ärgere ich mich, dass ich ihm und mir nicht die Möglichkeit gab zu reden. Ich ärgere mich, dass er mir nicht die Möglichkeit gibt, zu reden. Ich weiß, dass es missverständlich aufgenommen werden kann, dass ich auf einmal hier bin, wo er wieder zurück in DE ist. Es kann so sehr missverstanden werden. Dabei war dies meine Intention, studieren, lernen. Meine erste Frage.
Es macht mich wütend, dass ich so larifari mit ihm war, aus meiner geschwächten Position heraus und jetzt nicht weiß, wie ich mit meinem Gefühl ihm gegenüber umgehen soll, weil es ständig wieder auftaucht. Ehrlichkeit, Kommunikation, das ist, was ich möchte. Wissen, woran ich bin, wissen, ob ich mich noch dazu äußern soll, weil ich zu meinen Gefühlen stehe, oder der Zug abgefahren. Es verunsichert mich, dass er absolut nicht kommuniziert und nicht reagiert auf einer Gesprächsebene, sondern das typische chat-verhalten von vornherein alles zerbricht, was vielleicht wichtig ist, oder mehr wert ist als belanglose zeilen. Ich muss mich nicht verstecken für etwas, was ich lang schon wollte vor ihm.
Das war ein irrsinnig langer Text. Ich bitte um Verzeihung.
Wenn es jemanden gibt, der einen Rat hat, einfach vergessen, ignorieren oder - was?
Liebe Grüße
Alyona
06.12.2017 06:40 •
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