Die Depression wurde erst kürzlich diagnostiziert, oder? Vor einem Monat?
Es kann natürlich auch sein, dass seine plötzliche Veränderung daher kommt.
Depressive bringen oft jahrelang schier unglaubliches Kräfte auf, ihr Leben normal weiterzuleben. Von außen ist nichts erkennbar. Das hat damit zu tun, dass eben kein vernünftiger Grund da ist, so erschöpft zu sein, sich traurig und verzweifelt zu fühlen etc. Viele zwingen sich selbst extrem, sich zusammenzureißen und einfach immer weiter zu machen. Sie schämen sich auch dafür, dass sie nicht mehr normal belastbar sind und sich grundlos so schlecht fühlen. Und sie haben Angst, andere könnten sie für faul oder unnötigerweise unzufrieden mit ihrem Leben halten. Sie verstehen selber nicht, warum sie nicht so können, wie sie eigentlich wollen und fühlen sich schuldig. Das innere Erleben unterscheidet sich oft extrem vom äußeren Anschein. Viele sind sogar witzig und lachen viel - keiner merkt etwas - innen sieht es aber ganz anders aus.
Oft halten sie so lange durch, zwingen sich tagtäglich zum Weitermachen, bis es wirklich gar nicht mehr geht. So könnte es bei Deinem Ex-Freund auch gewesen sein. Durch die offizielle Diagnose des Arztes (und eine Krankschreibung?) lässt er jetzt vielleicht auch diesen Zustand endlich mal zu und gönnt sich endlich das Schlafen, das Zeigen seines wahren Empfindens, das Absagen von Verabredungen etc.
Vielleicht verstehst Du jetzt, warum es so kontraproduktiv ist, wenn Angehörige Depressive versuchen zu helfen, indem sie sagen:jetzt los, lass uns mal spazieren gehen, sieh es doch mal positiv probier doch mal dies oder jenes etc. etc. - das ist als würde man einem Menschen im Rollstuhl sagen nun reiß dich doch mal zusammen und tanz einfach. Das verstärkt nur die Schuldgefühle und die ungemein schwierige Selbstakzeptanz der Krankheit.
Tobi Katze ist ein Comedian, der offiziell zu seiner Depressions-Erkrankung steht und öffentlich darüber spricht. Er hat mal gesagt: Bei uns läuft das so: meine Freundin fragt mich Kommst Du mit auf die Party? und ich antworte nee, mir gehts total schlecht und sie dann darauf alles klar, dann bis später -
Die Beziehung ist so ausgereift, die Freundin kümmert sich um ihr Wohlbefinden und er braucht kein schlechtes Gewissen haben, dass seine Krankheit ihr Leben negativ beeinflusst. Und er braucht sich nicht zu verstellen, darf in Ruhe depressiv sein. Um eine Beziehung so reif führen zu können, müssen natürlich Voraussetzungen erfüllt sein, die KBR oben toll beschrieben hat.
02.06.2017 14:49 •
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