Hallo,
Ich würde gerne fragen, wie meine Erfahrung mit meinem Freund sich klarer einordnen lässt, denn im Moment bin ich sehr verwirrt.
Wir sehen uns seit sechs Monaten, es ist sehr schön, wir teilen sehr viel, er überrascht mich oft, kann sehr zärtlich sein - das hat mir echt gefehlt. Außerdem hat er mir gezeigt, dass jemand (er) da sein kann, wenn ich Panikattacken habe. Zwei Mal ist er nicht von meiner Seite gewichen, bis es wieder ging, dafür bin ich sehr dankbar und habe viel über mich gelernt.
Er hat ab und zu mit depressiven Schüben zu tun, ist auch in Therapie. Auch darüber konnten wir bisher gut reden, ich finde es toll, dass wir beide uns darüber austauschen können.
Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: unsere gemeinsame Zeit besteht aus schönen, leidenschaftlichen oder lustigen Momente, die wir miteinander teilen, und tun uns einfach gut - wir haben viel aneinander und miteinander zu entdecken.
Zu den Sachen, die mir aufgefallen sind: Bei ihm habe ich den Eindruck, dass er mich manchmal nicht gehen lassen kann, wenn ich etwas Wichtiges zu tun habe, als hätte er dann Angst, nicht mehr genug Anerkennung zu bekommen, darüber reden wir mittlerweile ganz gut. Aber wenn es Streit gibt, ist mir aufgefallen, dass er manchmal ein ganz komisches Muster fährt: Erst ist er sehr hart, fast kalt schon, dann gehe ich auf Abstand, weil das besser ist dann, und er kommt nach einer Weile an und entschuldigt sich für alles, weint sehr viel und macht sich dabei aber ganz klein, als wäre die Welt zu Ende. Ich finde beides nicht gut und habe ihm das auch gesagt, dass ich möchte, dass das anders läuft und wir weicher miteinander umgehen können, dazu gibt es auch bereits Ansätze. Und ich bin auch nicht einfach, ich brauche lange, um mich zu öffnen, das braucht viel Verständnis und Zeit, und ich verliere schnell das Vertrauen, auch darüber sprechen wir offen, es tut gut. Außerdem nehme ich mir seine Probleme oft zu sehr zu Herzen.
Nun hat er sich diese Woche zurückgezogen, erstmal habe ich ihn in Ruhe gelassen, dann haben wir telefoniert und es scheint so, als hätte er wieder eine Phase der Erschöpfung, ihm ist alles zu viel und er fühlte sich nur noch überfordert von Erwartungen im Leben. Kein Ding, ich kenne das Gefühl, musste mich früher auch manchmal zurückziehen um zur Ruhe zu kommen. Außerdem bin ich ein zurückhaltender Mensch und möchte niemandem zu viel sein, ich halte oft erstmal still.
Ich habe ihn dann darum gebeten, mir zu sagen, ob er auch Abstand von mir braucht (er verhielt sich so), wenn ja warum, und wie lange ungefähr. Und damit hat er sich total angegriffen gefühlt und eine ganz seltsame Diskussion begann.
Ich habe versucht, ihm klarzumachen, dass er sich immer zurückziehen darf, wenn er das braucht, aber vorher schauen muss, dass ich bescheid weiß und dass es mir gut damit geht. Denn ich möchte ja trotzdem glücklich sein. Das ging aber nicht durch zu ihm, er fühlte sich plötzlich bedrängt, als müsste er 24 Stunden da sein und das kann ja kein Mensch (im Gegenteil, ich hab ihn wirklich die ganze Woche in Ruhe gelassen, ich weiß gar nicht, wie ich mich dafür rechtfertigen soll) und mir das Gefühl gegeben, es sei alles meine Schuld (er hat mich sogar fast so weit gebracht, darum fühle ich mich jetzt echt schlecht und verwirrt). Und als ich fragte, was ich jetzt machen soll, meinte er: Wenn er mir wertvoll genug sei, dann müsse ich das jetzt ertragen.
Das geht natürlich nicht! Hab ihm nochmal versucht zu erklären, dass ich nicht automatisch darunter leiden muss, wenn er eine Krise hat. Sondern glücklich sein möchte und dafür lediglich die Eckdaten von ihm wissen möchte: was kann ich tun? (nichts gerade) hat es was mit mir zu tun? (ja, aber mir ist nicht klar, was ich ändern kann) wie viel Zeit möchte er erstmal für sich? (keine Angabe möglich). Ich hab das alles ja nicht trotzig gemeint, sondern liebevoll.
Ich kenne Depressionen nur zu gut, leider. In einem anderen Thread habe ich gelesen, dass man die Krankheit und den Menschen nie trennen kann - man kann nur schauen, ob es einem selbst gut geht. Das versuche ich. Achja, und vor zwei Wochen erzählte er mir, dass seine Therapeutin seit einer Weile ihn diagnostiziert hat auf narzisstische Persönlichkeitsstörung. Das Wort taucht ja hier in den Threads oft auf. Ich habe mir schon viel einen Kopf um ihn gemacht und ich denke, das sollte jetzt auch Mal reichen, denn das sind seine Baustellen.
Was mich wirklich stört und darum schreibe ich, ist die Verwirrung bei mir während der Diskussion. Ich habe versucht, mein Bedürfnis nach Ruhe und Glücklichsein klarzumachen - ich versteh nicht, was man daran nicht verstehen kann. Es hätte völlig gereicht, wenn er gesagt hätte: Hey, mir geht es so schlecht, ich will mich nur verkriechen, ist es okay, wenn ich mich bis Tag soundso nicht melde und nur auf mich schaue? Vielleicht ist es dann besser, oder auch nicht, aber ich brauche das jetzt? - Ich hätte nur gesagt: Na klar, und ich bin da, wenn Du mich brauchst, ich denk an Dich, sei gut zu Dir.
Das hab ich versucht, ihm klarzumachen. Stattdessen wollte er mir - ich fand die Art echt fies und kalt - einreden, dass es meine Schuld ist, ich zu viel erwarte (ich weiß aber nicht, was, trotzdem trifft mich das), dass Beziehungen eben Leid beinhalten und ob ich das nicht wüsste (ohje), und dass ich offensichtlich nicht das möchte, was er zu geben hätte (also gar nichts?) und das ja keiner weiteren Worte bedarf.
Vor allem diese letzten Worte machen mich sprachlos! Als würde ich zu viel verlangen, aber das tue ich gar nicht. Es ist sogar eine meiner größten Ängste, jemandem zu viel zu sein - daran arbeite ich. Ich habe mich nochmal durchgerungen, ihm zu sagen, was mir wichtig ist und dass ich glücklich sein möchte und einen Partner möchte, der, auch wenn er eine Krise hat, auf mich Rücksicht nimmt - denn ich habe auch viel Verständnis und Liebe zu geben.
Ich fühle mich so klein seitdem und verstehe nicht warum! Und sehr einsam. Die Diskussion war so komisch, es ging nur um ihn. Er wollte wertgeschätzt werden, aber ich soll das nicht sein. So fühle ich mich jetzt auch, als hätte ich alles kaputt gemacht. Wie komme ich da raus aus dem Grübeln? Ich sehe nicht mehr klar. Mein Bauchgefühl ist total durcheinander.
Und leider kommt noch etwas dazu, was nichts mit ihm zu tun hat. Meine Katze ist vorgestern plötzlich gestorben nach einer Infusion beim Tierarzt. Mein Freund wusste, dass wir zum Tierarzt gehen und hat uns noch viel Glück gewünscht. Als ich nach Stunden verweint nach Hause kam, war da keine Nachricht von ihm auf dem Telefon, was ich komisch fand. Abends schrieb er, dass er Abstand will, ohne weitere Angaben, am nächsten Tag fragte ich ihn konkret dazu und es begann die oben beschriebene Diskussion. Ich hätte ihm gern gesagt, was passiert ist, aber ich wollte erst, dass es zwischen uns okay ist. Ich wollte mich nicht noch einsamer fühlen.
Ich hatte auch den Eindruck, dass ich besser für mich einstehen kann, weil ich gerade solche Trauer erlebe - was ein komisches Gefühl ist. Ich weiß auch nicht, ob das stimmt, denn ich musste schon viele Dinge allein schaffen - und so sollte es ja nicht sein.
Heute beerdige ich sie. In mir zerbricht irgendwie was, leise. Ich bin mir sicher, dass mein Freund in ein paar Tagen irgendeine große Geste machen wird, und ihm alles leid tun wird. Aber ich befürchte, es ist dann zu spät. Habe ich ihn jetzt ausgeschlossen, weil ich ihm nichts von dem Tod erzählt habe?
Ich würde gern besser verstehen, wie er mich so verwirren konnte und was ich machen kann, um einen klareren Kopf zu bekommen. Ich fühle mich so traurig und allein.
Danke fürs Lesen.
Emma
16.11.2019 11:58 •
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