Lieber Alex,
So, wie ich Deine Situation einschätze, ist Deine Freundin vor allem unzufrieden mit ihrem Leben und nicht mit Dir. Das, was sie tut spricht jedenfalls dafür: Sie sagt selbst, dass es sie ankotzt, Mutter zu sein, dass sie wieder das machen möchte, was sie will.
Ich denke, dass Deine Freundin in einer schweren persönlichen Krise ist, wie sie wohl die meisten schon mal selber erlebt haben: Sie weiß nicht mehr, was sie will, ist mit sich selber und ihrem Leben nicht zufrieden, fragt sich, was sie ändern kann, um wieder glücklicher zu werden.
Die Gründe dafür sind ganz verschieden: manchmal kommt so eine Krise einfach so, weil man eben einige Zeit in einem Trott gelebt hat und irgendwann merkt, dass man damit nicht glücklich ist, sich langweilt o.ä., immerhin seid ihr ja schon sieben Jahre zusammen, da kann man einfach nicht verhindern, dass sich ein wenig Gewohnheit einschleicht (bei mir war das schon nach anderthalb Jahren so) - und Du hast ja selber gesagt, dass ihr beide die Beziehung in letzter Zeit vernachlässigt und euch darauf verlassen habt, dass ihr einfach zusammengehört.
Oder vielleicht hat es vor kurzem einen Einschnitt in ihrem Leben gegeben (z.B. Studium beendet oder sowas ähnliches), auch das kann auslösen, dass sie über ihr Leben nachdenkt und sich fragt: Wie habe ich mir mein Leben vorgestellt? Was läuft falsch? Warum bin ich so unzufrieden?
Und diese Unzufriedenheit überträgt sie natürlich auf Dich, weil Du der Mensch bist, der ihr am nähesten steht. Weil sie allgemein ihr Leben hinterfragt, hinterfragt sie auch die Beziehung zu Dir - da diese Beziehung ein wesentlicher Teil ihres Lebens ist, nicht weiter verwunderlich, oder? Sie will quasi ausprobieren, ob ihr ein anderer (der Neue) mehr geben kann als Du, hat sich aber NICHT in ihn verliebt!!! Das sagt sie ja erstens selbst (Du siehst viel besser aus als er; der Kleine soll sich ja gar nich an ihn gewöhnen; ich empfinde nichts für ihn etc.) und zweitens ist er so eine Art Spielzeug, um zu testen, was er so zu bieten hat. Vielleicht ist er aber auch nur ein Mittel, ihr Selbstbewußtsein (das in so einer Krise schlichtweg nicht vorhanden ist) aufzubauen. Dass das nicht gerade die feine Art ist, braucht man wohl nicht zu erwähnen - nicht Dir gegenüber und auch nicht dem anderen gegenüber, der ja wirklich nur als Werkzeug mißbraucht wird. So, wie sich Deine Geschichte anhört, glaube ich NICHT, dass sie Dich nicht mehr liebt und sich ernsthaft von Dir trennen will!!!
Weißt Du, ich habe so etwas ähnliches wie Deine Freundin erst vor ein paar Wochen erlebt, da habe ich nämlich Abitur gemacht und war danach, anstatt mich darüber zu freuen, völlig orientierungslos und unglücklich, wußte nicht, wer ich bin, was ich will, was ich jetzt tun soll. Ich habe gar keine guten Eigenschaften mehr an mir gefunden, war mit mir und allem um mich unzufrieden, keiner (auch ich selbst nicht) konnte es mir recht machen. Ich wußte nicht, was für ein Leben ich jetzt führen soll/will. Ich wußte nur noch eins und zwar: Dass ich alles hasse. Ich hasse mich, ich hasse mein Leben, ich hasse alle um mich herum, ich hasse die ganze Welt. Das hat sich auch auf meine Beziehung übertragen: ich habe an meinem Freund ständig herumgemäkelt, fand ihn teilweise sogar richtig widerwärtig, mochte nicht von ihm angefasst werden und so weiter. Damit hatte er aber gar nichts zu tun, ich war einfach unzufrieden mit mir und deshalb auch unzufrieden mit ihm obwohl er gar nichts getan hat, um das auszulösen. Und ich habe mich auch gefragt: Will ich diese Beziehung überhaupt noch? Liebe ich ihn noch? Ich habe nur noch seine schlechten Eigenschaften gesehen, die ja jeder Mensch hat, und seine guten vergessen. Ich war drauf und dran, die Beziehung zu beenden, und was soll ich Dir sagen? Nach etwa drei Wochen hatte ich diese Selbstfindungskrise überwunden und mir ging es wieder gut. (Ich bin wohl die einzige hier in diesem Forum, die nicht verlassen hat/worden ist. Der Grund für meine Anwesenheit ist schlichtweg der, dass ich allgemein sehr unter Verlustängsten leide - auch wenn diese nicht begründet sind - und es mir sehr hilft zu sehen, wie andere mit Verlusten umgehen.)
Ich denke, dass es bei ihr ähnlich ist. Sie braucht wirklich einfach Zeit (wie sie wahrscheinlich gesagt hat, oder?), um sich über ihre Gefühle und Wünsche klar zu werden. Nicht Deiner ist sie überdrüssig geworden, sondern des Lebens, das sie führt. Es ist wichtig, dass Du Dir das klar machst, denn so werden Deine Ängste weniger.
Was Du tun kannst? Sei für sie da. Bedränge sie nicht, frag nicht ständig danach, ob sie sich entschieden hat, was sie will, wie es weitergehen soll etc., so schwer das fällt - sie weiß es nicht! Und da sie sich dadurch sicher bedrängt fühlt, wird sie das eher von Dir wegtreiben.
Werbe um sie. Das, was Du machst - schön essen gehen, Ausflug im Park - ist sehr gut! So merkt sie, das Dir etwas an ihr liegt und auch dass es sich lohnt, mit Dir zusammen zu sein. Verwöhne sie. Sie deutet an, dass sie mit ihrer Mutterrolle überfordert ist - fühlt sich vielleicht nur als Muttertier und von Dir vernachlässigt - gib den Kleinen öfter zu Oma, Freunden etc. und mach Dir ein schönes Wochenende in den Bergen, einen romantischen Abend am See oder was sie eben mag.
Sag ihr immer wieder, dass Du sie liebst, sie braucht die Bestätigung. Allerdings nicht so oft, dass sie sich in die Enge getrieben fühlt.
Mach ihr Komplimente.
Und: Geh mit ihr zur Partnerberatung - da könnt ihr euch eure Gefühle bewußt machen, das Chaos entwirren. Dass sie mit Dir zur Beratung gehen will, ist ja auch ein gutes Zeichen: ihr liegt noch etwas an eurer Beziehung.
Das wäre so grob meine Einschätzung der Lage. Ich erhebe natürlich keinen Anspruch auf Gültigkeit, da ich ja weder Dich noch Deine Freundin kenne, aber es hört sich wirklich so an.
In diesem Sinne
Anna
19.07.2002 14:46 •
#3