Dies ist eine (etwas gehässige) Geschichte für alle, die nicht daran glauben wollen, dass sie noch jemals in diesem Jammertal die Kurve kriegen. Und besonders für die unter euch, die mir in den letzten schweren Wochen andere Sichtweisen gezeigt, mich auf Ideen gebracht oder mir einfach nur Mut gemacht haben.
(H. hat mich vor 2 Monaten verlassen und sich Hals über Kopf wie eine Dreizehnjährige in einen Arbeitskollegen (A.) verknallt, ich habe damals gedacht, ich sterbe daran, aber ich werde in wenigen Wochen aus der ehemals gemeinsamen Wohnung in eine schöne andere Wohnung umziehen.)
Und hier die Geschichte:
„schei.!“ brüllt H. irrsinnig laut aus vollem Halse, nachdem sie den Fernseher mit MTV auf volle Lautstärke gestellt hat.
Ich war gerade von der Wochenendreise zurückgekommen, ich hatte eine Menge netter und lieber Leute getroffen. H. fragte, ob ich mitessen wolle. Wir redeten beim Kochen und Essen wenig.
„Ich will nicht, dass Du alle Sachen hier lässt, die Du nicht gebrauchen kannst, die ich aber auch nicht haben will: Den Staubsauger, den Tisch und die Barhocker. Die Barhocker waren nicht bequem in der Küche, ab da habe ich nicht mehr gerne in der Küche gesessen. Das war einfach ungemütlich.„ „Warum hast Du mir das eigentlich nie gesagt?“
„Du kannst alles aus dem Wohnzimmer mitnehmen, die Sessel, das Regal, den Tisch, ich nehme wieder den alten Tisch aus dem Keller, den stelle ich in die Küche!“
Ich habe den Eindruck, sie will jetzt plötzlich um jede Mark kämpfen, die wir bei meinem Einzug in die Wohnung gesteckt haben, aber mit ist gar nicht nach Kämpfen zu mute, ich habe keinen Grund, jetzt einen Streit über das Geld auszutragen, ich bin völlig gelassen. Ich sage ihr, sie soll doch locker bleiben, wir brauchen uns nicht über das Geld zu streiten, ich bin zu Kompromissen bereit, wir werden alles verrechnen, was wir gemeinsam gekauft haben und ich mitnehme gegen die Kosten der Renovierung, die in der Wohnung bleiben. Es sieht so als, als wolle sie alles aus der Wohnung los werden, was wir jemals zusammen gekauft haben.
„M. (ihr Ex-Mann) macht mich fertig im Moment, er bringt die alte Sache wieder hoch, meint, ihn hätte ich genauso behandelt, als wir uns getrennt haben.“ „Du weißt doch, dass M. dich immer fertig machen will, was hat dass mit uns zu tun?“
„Ich halte das nicht mehr, aus, ich bin an meiner Grenze, ich fühle mich total schwach, alle hacken auf mir herum. Wenn ich jetzt nicht in Urlaub fahren würde, müsste ich verrückt werden.“
„Ich fühle mich im Moment ziemlich stark.“
Ich sage ihr nicht warum, aber ich weiß, dass ich in dieser Krise gewachsen bin, dass ich etwas daraus gelernt habe, während ich glaube, dass sie nichts daraus gelernt hat, ich bin mir auch nicht sicher, ob sie etwas aus unserer Beziehung gelernt hat, denn sie will alle Sachen, die wir zusammen gekauft haben, los werden, sie will nichts, aber auch gar nichts davon behalten, sie will mich völlig aus ihrer Wohnung und wohl auch aus ihrem Gedächtnis verbannen.
Ich überlege, ob ich sagen soll: „Ich danke dir für alles, diese Beziehung hat mir sehr viel bedeutet, ich habe so viel daraus gelernt, und ich bin ein anderer geworden, ich glaube, dass ich nun viel direkter, ehrlicher, offener mit Menschen umgehen kann. Ich möchte mich dafür bedanken, und ich würde es trotz der vielen Schmerzen am Ende sofort und ohne Zögern wieder machen, ich bereue es nicht, dass wir zusammen waren, denn auch aus der Trennung habe ich sehr viel über mich gelernt, Du hast mich durch diesen Schock aus der Lethargie gerissen, in der ich einige Monate war.“
(Mir fällt jetzt beim Schreiben die Szene aus „Pulp Fiction“ ein, mit der Spritze ins Herz, die eine Halbtote wieder zum Leben erweckt.)
Aber ich sage das alles nicht, weil ich nicht glaube, dass sie es im Moment aufnehmen könnte.
„M.´s Eltern (die Eltern ihres Ex-Mannes, die Großeltern ihres Sohnes, mit denen sie sich immer noch sehr gut versteht.) reden nicht mit mir, sie lästern über mich. Du bist überall der Gute, der immer alles für mich gemacht hat, und ich bin die Böse, ich habe ganz schön viel auszuhalten im Moment. Du stehst überall gut da, du gehst gut aus dieser Sache raus.“
„Ich habe nichts damit zu tun, dafür kann ich nichts.“
Ihr kommen die Tränen.
„Na ja, sieh mal, ich habe dich fast immer unterstützt, wenn Du in einer Krise warst, und als ich mal eine hatte, hast Du mich alleine gelassen.“ (das war gemein von mir, gebe ich zu!)
Sie schnappt sich was zum trinken und rennt raus: „Hör auf mit diesen alten Vorwürfen, ich kann das nicht mehr hören!“
Ich will hinterher, ihr sagen, dass es mir leid tut, dass ich ihr ja verziehen habe, dass ich das nicht hätte sagen sollen, dass das gemein war, wo sie schon geweint hat und so schwach war. Ich hätte wissen müssen, dass sie darauf nicht eingehen kann. Auf mein Klopfen an ihrer Tür sagt sie „Nein!“
Ich setze mich an den PC und schreibe die Geschichte des Wochenendes weiter.
Nach 10 Minuten kommt sie wieder raus: „Was wolltest Du mir noch sagen?“
Ich gehe in die Küche: „Ich wollte Dir sagen, dass es mir leid tut, ich hätte das nicht sagen sollen, es ging dir schon schlecht, und ich habe dir noch eine reingewürgt. Eigentlich habe ich dir verziehen. Du hast dich so verhalten, wie Du es konntest, wenn Du dich anders hättest verhalten wollen, hättest Du es gemacht. Aber du konntest nicht anders. Ich bin mir sicher, dass Du mich nicht verletzen wolltest. Du hast mich zwar verletzt, aber ohne es zu merken, sonst hättest Du es nicht getan.“
„Ja, das wollte ich nie. Es war für mich nicht einfach, ich habe mir das nicht so plötzlich überlegt, ich habe auch lange gelitten.“
„Ja, Du hast bestimmt in dem halben Jahr, in dem ich dich vernachlässigt habe, als ich zu sehr mit meinem Job und mir beschäftigt war, genauso gelitten, wie ich in den letzten zwei Monaten, nachdem Du dich von mir getrennt hast.
Ich dachte immer, es liegt an deiner Wetterfühligkeit, an Migräne wenn Du dich abends vor die Glotze zurückgezogen hast. Du hast mir nicht deutlich genug gesagt, dass Du leidest, weil ich dich nicht mehr beachtet habe, dass ich dir keine Zuneigung mehr geben konnte, dir nicht sagen, dass ich dich noch liebe. Oder es ist nicht zu mir durchgedrungen.“
„Es war für mich nicht einfach, mich von dir zu trennen und mich für A. zu entscheiden, ich habe es mir lange hin und her überlegt, ich war lange unsicher, aber jetzt weiß ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Aber ich hätte Unterstützung gebraucht. Du hast es mir so schwer gemacht.“
„Du kannst doch nicht von mir erwarten, dass ich dich dabei unterstütze, wenn Du dich von mir trennen willst, das ist zuviel verlangt. Ja, ich habe es dir nicht leicht gemacht, aber dahinter stehe ich auch. Ich wollte dich zurückgewinnen, ich habe um dich gekämpft.“
„Ihr habt es mir alle so schwer gemacht! Ich war immer so unsicher, ob meine Entscheidung, mich zu trennen, richtig war. Du hast mich unter moralischen Druck gesetzt.“
„Also, hör mal, ich habe dir, nachdem du gesagt hast, dass Du mein Gejammer nicht mehr hören kannst, nie mehr erzählt, wie schlecht es mir geht.“ „Verbale Signale und nonverbale Signale sind etwas anderes, Du hast es mir anders gezeigt.“ „Das war eben nicht zu vermeiden“
Ich merke, dass es nichts mehr zu sagen gibt, und ich merke, dass ich es auch gar nicht nötig habe, weiter zu bohren, dass ich ihre Anwesenheit auch nicht nötig habe, um irgendetwas zu spüren, und seien es Schmerzen. Ich kann das Gespräch also einfach beenden, wenn ich es will, muss nicht darauf warten, dass sie es beendet, weil sie über eine Bemerkung von mir sauer ist, oder weil sie mit A. telefonieren will, oder weil sie mein Gejammer nicht hören kann.
Ich bin nicht mehr von ihr abhängig, ich habe wichtigeres zu tun, als mit ihr zusammen in einem Raum zu sein, egal, wie schlecht sie mich behandelt.
Das geht mir alles völlig klar durch den Kopf, und mir fällt auf, dass sonst immer sie unsere Gespräche in der Trennungsphase beendet hat.
Ich sage also: “Willst Du mir noch etwas sagen?“ „Nein.“
Ich gehe in mein Zimmer, um weiter zu schreiben.
Sie rennt in ihr Zimmer, wirft die Tür sehr heftig zu, dreht den Fernseher auf volle Lautstärke und schreit aus vollem Halse: „Scheeeiiiißßßßßßeeeeee“.
Ich weiß nicht warum, aber ich bilde mir ein, weil sie begriffen hat, dass sie jetzt ihre Macht über mich verloren hat, und dass sie ihre alten Fehler immer wieder machen wird, ich aber vielleicht nicht mehr meine. Ich schicke ihren Sohn hinterher, um zu schauen, ob alles in Ordnung ist. Er schaut nach und kommt zurück.
Sie hat sich nicht aus dem Fenster gestürzt.
Das wäre allerdings auch sinnlos, weil wir im Parterre wohnen.
30.04.2002 23:14 •
#1