Lieber Siron,
jau, Du hast mir Futter gegeben!
Es ist immens schwierig, seine eigenen Unzulänglichkeiten zu erkennen, wenn der Partner oder besser Ex-Partner nicht in der Lage ist, wenigstens einen Punkt auf den Tisch zu bringen, an dem ich ansetzen könnte.
Es ist so, dass ich – damals, als wir noch Dinosaurier im Vorgarten hatten – verheiratet war und aus dieser Ehe eine 19-Jährige Tochter habe. Die Ehe scheiterte am Alk. meines damaligen Mannes. Dramatische Geschichte, die uns um unsere ganze Existenz brachte. Ich musste also die Verantwortung für meine Tochter und mich in die Hand nehmen und die fast 11-jährige Ehe beenden. Ich hab das damals alles verarbeitet, mich dem Leben und den Menschen gestellt und habs alles wunderbar gepackt, hab einen guten Job gefunden und konnte meine Tochter groß ziehen – ohne Unterhalt für mich oder meine Tochter zu erhalten. Und habs auch geschafft, dass meine Tochter ein sehr gutes Verhältnis zu ihrem Vater aufbauen konnte. Die Beiden lieben sich innig. Die Probleme, die damit verbunden waren – Angriffe anfangs meines Ex-Gatten, Gefühlsausbrüche meiner Tochter (weil ich ja den Vater nicht mehr wollte) - habe ich alle ausgestanden, bewältigt, aus dem Weg geräumt und geschluckt.
Darauf bin ich heute stolz, denn meine Tochter sagte gerade erst zu mir: „ich kenne Papa und ich liebe ihn, aber ich verstehe jetzt, dass du dich von ihm getrennt hast“.
Ich war trotzdem irgendwie ein „gebranntes Kind“ und sehr vorsichtig in Bezug auf Beziehungen. Darüber sind 10 Jahre vergangen, in denen ich den ein oder anderen Mann kennen lernte, die aber doch nicht zu mir passten. In der Zeit habe ich mir einen Traum erschaffen von meiner Zukunft und von dem Mann an meiner Seite. Meine Ansprüche haben nichts mit Aussehen oder materiellen Werten zu tun.
Und dann passierte es nach dieser langen Zeit eben doch, dass ich wahrscheinlich ausgehungert nach Liebe, Wärme und Nähe an diesen Typen geriet.
Fairerweise muss ich sagen, dass er auf den ersten Blick eben nicht das vermittelt, was in ihm steckt. Und auch heute gibt’s noch genug Leute, die das nicht vermuten, das wird erst in der Beziehung mit ihm deutlich. Diese Gefühlskälte, diese Distanziertheit, dieses am langen Arm verhungern lassen.
Tja und ich hatte meine Form bereits im Kopf und in die sollte er eben passen. Somit ergab sich dann das typische Verhaltensmuster von Unter- und Überlegenen in der Beziehung. Je mehr ich tat, um Nähe aufzubauen, desto mehr entfernte er sich. Was ich damals eben nicht wusste, war die Tatsache, dass er diese Verhaltensmuster bereits beherrschte – aus seiner Ehe. Er sagte mir, dass er in seiner Ehe immer „zu kurz“ gekommen wäre, dass er seine Wünsche niemals hätte ausleben und verwirklichen können. Und er suggerierte mir, dass die Beziehung nicht laufen würde, wenn ich ihm das nun alles nicht geben würde. Hinweise gabs – im nachhinein betrachtet – wohl genug, die ich aber in meinem Bestreben, alles gut zu machen, komplett übersehen habe. Ich hatte ja damals auch keine Ahnung davon, dass er sehr wohl sein Ding schon immer durchgezogen hat. Die Freizeitaktivitäten in seiner Ehe waren immer die Unternehmungen, zu denen er Lust hatte.
Im Prinzip genau der Abklatsch unserer Beziehung oder besser gesagt, er führte die Beziehung nach dem Muster, welches er kannte: ich nehme, du gibst.
Ja, ich habe mich selbst total aufgegeben, denn die Beziehung war für mich etwas, von dem ich mir einredete, dass sie mir einen starken Rücken machte. Dabei war genau das Gegenteil der Fall. Stark war ich ja! Sie hat mich klein und unscheinbar gemacht, meine Werte vergraben, mich unsicher und abhängig gemacht. Ich habe tatsächlich seine Bedürfnisse weit über meine gestellt. Alles zielte darauf ab, es ihm schön und bequem zu machen.
Das klappte denn soweit auch, bis ich langsam doch auf den Trichter kam, dass der Wurm drin ist und ich ihm klipp und klar die Fragen stellte, die ich vorher schon mal beschrieben hab – warum gehst du nicht einmal auf meine Bedürfnisse ein? Und mit diesem Punkt war er echt überfordert, nun hatte er das Gefühl, seine Bequemlichkeit sei dahin und er muss sich rühren und bemühen. Das war dann zuviel verlangt. Der einfachere Weg war aus seiner Sicht, sich die Nächstbeste (wirklich Nächstbeste) zu angeln und ade zu sagen.
Der Witz ist, dass ich weiß, dass er mich und meine Art schon wertschätzt. Ich war die einzige Person, die ihm die Wahrheit gesagt hat. Zugegeben, manchmal schonungslos, aber nie ohne Respekt und Liebe. Ich weiß, dass er kein Wort von mir anzweifelt.
Und trotzdem meint er, mir dumm kommen zu können. Schwafelt von Freiheit und Veränderung in seinem Leben. Schwafelt von Freundschaft und es gibt da keine Andere. Wie kann er mich so einschätzen, dass er meint, ich merke nicht was los ist? Freiheit, Veränderung? Wo denn bitte? Freundschaft? Wie denn bitte? Keine Andere? Ha ha ha…
Das verletzt mich.
Der Punkt ist der, dass ich mit meiner „Schönrederei“ mich selbst in die Irre geführt habe! Logisch wäre gewesen, wenn ich mich getrennt hätte. Er ist mir lediglich zuvorgekommen. Vielleicht sollte ich nicht sauer, sondern dankbar sein, dass er die Entscheidung getroffen hat?
Er kann nicht allein sein – aber ich.
Die Veränderung, die er wollte – erlebe ich.
Die Freiheit, die er wollte – habe ich.
Die Erkenntnisse und damit die Voraussetzung für ein gutes Leben, das er will – habe ich.
Neue Sichtweise!
Danke Siron
GIPI