Lieber H.
hiermit übersende ich dir die letzten Worte, die mir wichtig waren, dir mitzuteilen.
Im Januar bist du einfach gegangen. Wie aus dem Nichts hat es mich mitten in mein Herz getroffen. Für dich war es schon immer am einfachsten, ohne Worte, den Menschen aus deiner Umgebung mit deinen neuen Plänen zu überraschen. Das ist für dich zwar die beste Methode ohne dich großartig erklären zu müssen. Aber es ist einfach nicht fair, so mit jemandem umzugehen, der dir Nahe steht bzw. stand.
Somit kann ich mir eigentlich nur in meinen Gedanken ausmalen, was dich zu dieser Entscheidung bewegt hat. Ich bin mir sicher, dass wir beide Fehler gemacht haben. Wir waren eins. Es gab wenige Freiheiten, die mehr als wichtig in einer Beziehung sind. Schon am Anfang gabst du mir Gründe, um an dein Vertrauen zu dir zu zweifeln. Das machte mich immer wieder skeptisch und unsicher.
Immer wieder fühlte ich mich wie eine Hausfrau. Du hast dies nicht von mir verlangt, jedoch hatte ich das Gefühl deine Mutter ersetzen zu müssen. Ich kann mir nur so meine ständige Unzufriedenheit erklären. Ich kann nachvollziehen, dass das nicht sehr einfach für dich war.
Ich hatte doch nichts mehr. Meine Freunde distanzierten sich von mir, ich hatte keine anderen Interessen mehr, als meine Zeit mit dir zu verbringen. Jeden Tag habe ich auf dich gewartet. Ja, ich war glücklich mit dir.
Allerdings habe ich jetzt gemerkt, was mich wirklich glücklich macht und ich bin froh mein eigenes, selbstständiges Leben zurückzuhaben. Meine Freunde haben mich in der letzten Zeit sehr unterstützt und mir ist klar geworden, was für einen hohen Stellenwert sie in meinem Leben haben. Derzeit mache ich einen Sprachkurs, engagiere mich ehrenamtlich und habe doch ein klein wenig meine sportliche Ader wiedergefunden. Auf einmal gehe ich gerne zur Arbeit, treffe mich sogar mit einigen Kollegen privat. Gut, der Chef ist geblieben aber der Zusammenhalt ist einfach toll.
In den letzten zwei Jahren habe ich unendlich geliebt aber dabei völlig mein Selbst verloren. Das habe ich überhaupt nicht bemerkt. Aber weißt du was, ich glaube dir ging es einfach genauso. Deshalb sehe es bitte nicht als Vorwurf, es ist nur eine Erkenntnis.
Ich wünsche dir jedoch, dass du irgendwann den Mut und die Größe hast, dich zu verwirklichen und das zu tun was DU möchtest. Natürlich darfst du deine Mitmenschen dabei nicht außer Acht lassen. Oft sagte ich dir, dass es wichtig ist, seine eigene Meinung kund zu tun. Dies hast du leider bis zum Schluss nicht geschafft. Merkst du nicht wie deine Mutter dich unter den Scheffel stellt? Weißt du, sie ist eine liebe und fürsorgliche Person und ich nutze diese Worte nun nicht, um sie schlecht darzustellen. Aber wer hat schon von Anfang an nicht hinter dir gestanden und war gegen unser Zusammenleben. Immer wieder wurdest du mit dem Wunsch deiner Mutter bedrängt dort wieder einzuziehen. Oder warst du nicht derjenige, der weinend bei mir angerufen hat? Zwischenzeitlich bereutest du das Dasein der Firma. Ich weiß, dass es im Grunde deines Herzens nicht so ist, aber diese Gedanken waren nun einmal in deinem Kopf. An einem Tag, hast du mich um meine Eltern beneidet… Der Zeitpunkt hat mir mehr als zu denken gegeben.
Deine Mutter ist ein Familienmensch. Sie möchte am liebsten die gesamte Familie bei sich haben. Das hat sie ja auch bis auf deinen Bruder M.geschafft. Das ist auch eine tolle Charaktereigenschaft, die soll sie überhaupt nicht verlieren. Hin und wieder vergisst sie einfach, die Wünsche der anderen Familienmitglieder zu berücksichtigen.
Du bist wirklich ein herzensguter Mensch und versuchst es ALLEN Personen in deiner Umgebung recht zu machen. Aber das klappt einfach nicht immer im Leben. Bleib einfach so wie du bist, aber sprich mit deinen liebsten Menschen, wenn dich etwas bedrückt und stehe zu deiner Meinung und halte dieser stand.
In lieber Erinnerung
K.
15.04.2012 19:39 •
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