Ich habe das Gefühl, daß in der ganzen Zeit immer ein anderer da war. Es stimmt, du hast ihn immer nur kurz gesehen und mit ihm geschlafen, aber du hast immer mit ihm kommuniziert. Bei allem, was wir getan haben, war er immer in deinen Gedanken dabei. Im Urlaub. Bei all den Feiern. Beim Radfahren. Bei all den alltäglichen Sachen, die man zusammen macht. Beim S.. Und bei all den Ereignissen, die man alljährlich hat – Geburtstage, Weihnachten, Sylvester, Hochzeitstag. Immer war er dabei.
Ich weiß nicht, wie ich all diese Ereignisse mit dir zusammen durchhalten soll. Wie soll ich mit dir aufs Volksfest gehen? Wie in den Urlaub, wenn ich weiß, daß du in jedem Urlaub – Kalabrien, Rom, Skifahren, Türkei, Toskana – immer mit ihm zusammen warst, mit ihm kommuniziert hast? Mit mir konntest du es nicht mehr. Wie soll ich meinen Geburtstag mit dir feiern, wenn ich weiß, daß du einen Tag vorher eine SMS geschickt hast? Wie soll ich deinen Geburtstag feiern? Auch da hast du am Tag vorher eine SMS geschickt und später mit ihm gefeiert. Wie soll ich unseren Hochzeitstag feiern? Selbst da hast du eine SMS geschickt.
Ich habe die ganze Zeit unter seinem Schatten gelebt. Ich habe ihn nicht gesehen, dachte, dies wäre eine Wolke. Und Wolken hatten wir ja genug. Aber später habe ich ihn gespürt, weil er immer dunkler wurde. Weißt du, daß ich nicht geraucht habe? Erst später habe ich wieder angefangen, habe Essen und Trinken in mich hineingestopft. Der Schatten wurde immer dunkler. Und erst sehr spät habe ich ihn gesehen. Und er ging nicht weg, ist immer noch da. Aber daran bin ich selbst schuld, weil ich Angst vor ihm hatte. Zurecht.
Schatz, ich bin nicht wütend auf dich, hasse dich nicht. Und ich habe meine Liebe zu dir nicht verloren, weiß, daß du mich liebst. Ich gebe dir auch nicht die Schuld an dem ganzen. Es gibt kein Gut und Böse bei der ganzen Sache. Ich weiß, daß ich kein Opfer bin und du kein Täter. Es gibt nur zwei Menschen, die in einer schlimmen Situation furchtbar falsch gehandelt haben. Und ich kenne meine Verantwortung für das, was passiert ist. Aber das macht es nicht leichter.
Ich kann den Schatten nicht mehr ertragen. Ich habe panische Angst vor den nächsten Tagen Anfang Juli, als es angefangen hat. Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll, wie ich das nächste Jahr überstehen soll. Ich weiß nicht, wie ich mit dir feiern soll, in Urlaub fahren soll. Gottseidank haben wir keine Radtour geplant. Die würde ich nicht überleben.
Das heißt nicht, daß wir uns komplett trennen werden. Das können wir gar nicht. Wir werden weiter zusammen sein, als Eltern, bei der Arbeit, als Freunde. Wir hassen uns ja nicht. Aber ich kann mich uns nicht mehr als Liebespaar vorstellen.
21.06.2013 20:26 •
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