Zitat von Plentysweet:Aber: Meinst Du, an einem solchen grundsätzlichen Bindungsproblem, d.h. nicht-zueinander- passen von zwei Bindungsstilen, so wie hier gegeben, könnte man paartherapeutisch arbeiten?
Vielleicht dann, wenn beide die Beziehung halten wollen. Aber das Problem liegt ja meistens darin, dass das Fluchttier wegläuft, weil das momentan leichter ist bzw. das innere Muster momentan voll durchschlägt, dass eine Trennung unausweichlich erscheint.
Eine Paartherapie hat ja nur dann einen Sinn, wenn beide die Beziehung halten wollen. Solange aber dem einen die Trennung unausweichlich erscheint, ist das nicht gegeben.
Der eine will sich sozusagen retten und der andere wartet oft lange erfolglos und redet sich ein, der kommt schon wieder und wenn ich nur besonders lieb bin, dann sieht er doch meinen Wert. Manchmal stimmt das ja auch, aber das ist der Nährboden für On-/Off-Beziehungen, die keinen glücklich machen.
Meiner Ansicht nach ist jeder mit sich selbst befasst und muss auf seine Weise damit klar kommen. Ich persönlich glaube nicht, dass man das gemeinsam tun kann. Aber das ist nur meine persönliche Meinung. Hätte mein Ex. damals eine Therapie vorgeschlagen, hätte ich sofort zugestimmt. Aber der wollte ja irgendwann auch nur noch weg. Und das ist keine Basis für eine Paartherapie.
Der Ex. hatte ja vor mir mal eine Beziehung, die 11 Jahre hielt. Aber auch nur, weil er genügend Fluchtpunkte hatte, die die Partnerin auf Abstand hielten. Erst musste er über Jahre furchtbar viel arbeiten und zwar so viel, dass er nicht in Urlaub mit ihr fahren konnte. Das war die offizielle Version, die inoffizielle war, dass er 24/7-Paarbetrieb nicht ausgehalten hätte. Und als sich das mit der vielen Arbeit eingespielt hatte, bauten sie ein Haus. Und somit hatte er den neuen Fluchtpunkt: Hausbau und Baumarkt.
Und als das Haus fertig war, zog er aus, weil er das Leben im Paarbetrieb ohne seine Ausweichpunkte nicht aushielt.
Die beiden gingen damals sogar zu einer Paartherapie, was aber sinnlos war, denn seine innere Entscheidung war bereits gefallen. Und so waren die paar Sitzungen nur Kosmetik. Angeblich taugte der Therapeut nicht, sagte er damals. Die Wahrheit war, dass er nur noch weg wollte. Was soll der Therapeut da noch retten, wenn die Beziehung zu einer Bedrohung geworden ist?
Hinzu kommt, dass viele Menschen, die in solchen Beziehungen leben, oft gar nicht wissen, was abläuft. Ich wusste das auch nicht, als ich drinsteckte. Der Durchblick, dass auch mit mir etwas Gravierendes im Argen lag, kam erst viel später. Es hilft nur Bewusstwerdung, aber die setzt meiner Meinung nach auch Abstand voraus. Solange man aber in der Beziehung ist, hat man keinen Abstand sondern bleibt in der Verstrickung.
Zitat von Plentysweet:Oder gibt es Deiner Meinung nach für diese zwei Menschentypen überhaupt keine Chance?
Höchstens dann, wenn beide den Wert der Beziehung als so hoch einschätzen, dass das ehrliche Bedürfnis dahinter steht, dass eine Trennung die schlechtere Option ist.
Bindungsvermeider und Verlustängstler kommen meistens zusammen, denn der eine lebt das, was der andere nicht hat und kann.
Dem Verlustängstler fehlt es an Selbstwertgefühl und auch an Autarkheit, denn er versenkt sich sozusagen in die Beziehung, die ihm allein selig machend vor kommt. Er klammert unbewusst, braucht immer wieder starke Zuwendung vom Partner und die beständige Versicherung, dass der Partner bleibt. In Wirklichkeit spürt er aber oftmals die Fragilität der Beziehung und die Ängste treten hervor und nehmen immer mehr Platz ein. Der Passive leidet massiv darunter und fühlt sich nicht mehr genug geliebt. Der Passive hat auch starke Defizite, denn oft genug kann der Partner an Liebe oben rein schütten und es reicht doch nie. Der Passive ist einer, der die Liebe praktisch aufsaugt und es muss immer wieder bestätigt werden, dass sozusagen Nachschub kommt. Der Passive ist oft genug das Fass ohne Boden. Egal, wieviel Liebe oben reinkommt, sie reicht doch nie. Zumal der Passive da sucht, wo er sowieso nicht das Maß an Liebe findet, das ihm vorschwebt und nach dem er giert.
Der Passive übt unbewusst einen massiven Druck aus und er tut alles um die Beziehung zu halten, weil er ständig Angst vor einem Zusammenbruch das Kartenhauses hat. Und damit kommen dann eine Art Unterwerfung, ein Sich-Kleinmachen und ein Sich-Klein-Fühlen und Anpassung um jeden Preis. Alles, nur keine Trennung, ist die Maxime. Dabei steht die Trennung oft genug unmittelbar bevor, aber der Passive kann auch nicht aus seinen Mechanismen heraus. Dem Aktiven wird alles zu viel, die Partnerin mit ihrer Anpassung wird zunehmend unattraktiv und es folgt die innere Abwertung. Der Aktive erfährt den passiven Partner als zunehmend reizlos, weil der Passive seine Eigenständigkeit praktisch aufgibt.
Je länger solche Konstellationen andauern, desto mehr kommen die jeweiligen Defizite zum Vorschein. Da hinterher kommt der Passive und sagt sich: Ich habe doch alles für ihn getan und dennoch ist der fiese Hund gegangen!
Ja, weil es ihn erdrückt hat, diese unbedingte LIebe.
Ungefähr zwei Jahre nach der Trennung, als alles längt vorbei war, erlebte ich einen Klick-Moment. Ich saß beim Frühstück und musste dann bald in die Arbeit. Da fällt er mir ein und ich fragte mich, warum? Wollte ich etwa wieder Kontakt haben? Nein, ich spürte kein Bedürfnis. Er sollte sein Leben leben, was mich nicht mehr interessierte. Was dann, warum dachte ich an ihn? Und auf einmal sah ich die Beziehung wie ein Zweipersonenstück auf der Bühne wie ein Zuschauer. Wie sich zwei aneinander abmühten und doch alles umsonst war.
Und dann sah ich auch mich, die vermeintich Unschuldige, die schnöde verlassen worden war. Ich sah mein Verhalten und konnte erahnen, wie es auf ihn gewirkt hatte. Und ich sah noch etwas Anderes, wofür ich mich dann schämte.
Ich hatte eine gewaltige Erwartung an ihn gehabt, denn ich wollte, dass er all das heilte und kompensierte, was bei mir im Argen lag.
Er sollte mich sozusagen retten und mir das Gefühl geben, dass ich genau die wundervolle Partnerin war, auf die er immer gewartet hatte. Er sollte heilen, was ich selbst nicht in mir heilen konnte. Und damit habe ich ihn auch benützt, ja sogar missbraucht.
Er sollte der Ritter auf dem Ross sein, der das arme Aschenputtel abholt und auf sein Schloss, also in ein besseres Leben führt.
Und was brachte ich mit? Nicht viel, außer dem Wunsch, dass er das für mich tun sollte, dass ich glücklich wurde.
Ein Partner ist kein Therapeut, er hat keine neutrale Außensicht. Und daher glaube ich auch nicht, dass solche Beziehungen, die ja fast immer ein starkes Machtgefälle haben, gemeinsam geheilt werden können, denn jeder steckt in seinen Verstrickungen. Und um die überhaupt mal halbwegs zu begreifen, ist Abstand nötig.
Ich glaube eher, dass es besser ist, wenn beide ihren Weg allein gehen und sich ihrer erst Mal bewusst werden. Und dann besteht vielleicht irgendwann die Chance, mit einem anderen Partner eine Beziehung auf Augenhöhe zu leben.
Ja, der Typ von der TE ging aus Liebe., wie sie meint. In Wirklichkeit entfloh er der Erdrückung, die sie verursachte ohne es zu merken.
Wer ist nun Schuld? Keiner, die Schuld liegt immer bei beiden. Sie ziehen sich magisch an, sind aber oft nicht kompatibel.
Zitat von Plentysweet: Nur in dieser Konstellation treten halt die extremen Stile besonders -als jeweils dem eigenen gegenüberstehendes Extrem- hervor. Und können das Beziehungsleben stark bestimmen (so wie Du so schön anschaulich beschrieben hast) und auch völlig vermasseln.
Da bin ich völlig Deiner Meinung. Beide müssen erst reifen und sich ihren Defiziten auch stellen und den Gründen dafür bewusst werden. Ich merkte damals, dass ich viel aus meiner Kindheit in dieser Beziehung nachlebte, aber eben genau das, was ich nie aufgearbeitet hatte, weil ich die Verletzungen verdrängt hatte. Und er ja genau so. Aber das wurde mir erst irgendwann nach der Trennung klar.
Im Grund genommen waren wir uns erstaunlich ähnlich. Jeder schleppte seine Defizite in die Beziehung und glaubte, dieses Mal wird es klappen, dieses Mal wird alles gut werden.
Aber keiner von uns konnte sich den inneren Dämonen stellen und sie im Zaum halten. Der Passive muss lernen, dass er dem Partner zu wenig Luft zum Atmen lässt und dass das Abdriften eine logische Konsquenz ist. Nur, weil der aktive auch mal was allein machen möchte, heißt das ja nicht, dass es mangelnde Liebe ist. Und der Aktive muss lernen, dass er das Klammern des Partners auch forciert ohne es zu wollen. Und er müsste damit leben können, dass eine Beziehung auch eine Einschränkung seiner Freiheit bedeutet. Aber der Verlust der Freiheit wird oft als so hoch empfunden, dass er nur noch weg will. Dass sich hinter dem Freiheitswillen massive Ängste vor Vereinnahmung verbergen, weiß er ja meistens nicht.
Jedenfalls sind solche Beziehungen immer defizitär weil die inneren Defizite aneinander ausgelebt werden. Die Prognose ist meistens schlecht, jedenfalls so lange, wie sich beide ihrer schädlichen Mechanismen nicht bewusst sind. Aber die Erkenntnis kommt meistens erst hinterher.
Begonie