Die Story mit Deiner Arbeitskollegin zeigt, dass Du Dich für die Fortführung des Gesprächs verantwortlich fühlst. So, als Du jetzt dafür sorgen müsstest, dass die Unterhaltung irgendwie weiter geführt wird.
Das ist aber ein Trugschluss, denn Kommunikation basiert - wenn sie gut läuft - auf Geben und Nehmen.Sie sagt was, erzählt was, Du hörst zu und sagst vielleicht auch etwas. Und dann kommt auf einmal Schweigen, das Du als unangenehm empfindest.
Schweigen hat viele Facetten. Schweigen kann wie eine Blockade wirken. Man überlegt sich krampfhaft, was man sagen könnte, setzt sich selbst unter Druck und fühlt sich überfordert und blockiert. Das ist oft der Fall mit Menschen, mit denen man nicht sehr vertraut ist.
Daher wurde ja das Smalltalk erfunden, das mir auch nicht sonderlich liegt. Zwar bin ich schon wesentlich selbstbewusster und spreche mehr als früher, aber es kann durchaus in Mühe ausarten.
Der Sinn von Smalltalk ist, dass das Gespräch weiter geht und man nur oberflächliche Themen berührt, die keine Konflikte hervorrufen. Daher sind Themen wie Politik, Trennungen, Scheidungen, gesellschaftliche Probleme etc.tabu, um keine Meinungsverschiedenheiten aufkommen zu lassen.Themen wie Reisen, Urlaub, Hobbies wiederum sind unkritisch und oft eignet sich auch Berufliches durchaus.
Dann gibt es das bockige Schweigen. Jemand fühlt sich z.B. zu Unrecht kritisiert, zieht sich in sich selbst zurück und spricht nicht mehr. Er verweigert Kommunikation und lässt damit das Gegenüber regelrecht auflaufen. Solch ein Schweigen ist meist auch eine Machtdemonstration, die nonverbal sagt: mir dir rede ich nicht mehr, Punkt.
Schweigen kann aber auch eine Übereinstimmung bedeuten, die aber meist ein hohes Maß an Übereinstimmung voraussetzt. Man kennt sich, man mag sich und man muss nicht viele Worte machen um sich gemeinsam wohzufühlen ohne dass Worte nötig wären. Das ist dann ein angenehmes Schweigen.
Smalltalk, diese Hilfsmittel, kann man lernen und üben. Am Anfang geht es holprig, aber mit mehr Übung merkt man, dass es geschmeidiger läuft. Zum Üben gehört aber auch, dass man gerade am Anfang nicht nur Erfolgserlebnisse hat, sondern auch mal auf die Nase fällt.
Ich glaube, Deine Unsicherheit liegt nicht nur auf Deinem mangelndem Selbstbewusstsein. Ich denke, Du fühlst Dich für zu viel verantwortlich und setzt Dich damit unnötig unter Druck. Lass das einfach alles mal laufen, es liegt nicht alles an Dir und Du musst nicht alles richten und jede Gesprächspause überbrücken. Zumal Dir das ohnehin nicht so liegt, da Du eben nicht von der redseligen Sorte bist. Menschen sind verschieden und jeder hat das Recht zu sein wie er ist, sofern er keinen anderen damit schadet.
Es gibt halt solche und solche und wiederum andere. Aus einem Partylöwen, der gerne glänzt, wird nie ein zurückhaltender Mensch und aus einem schweigsamen, introvertieren wird keiner, der gerne im Mittelpunkt steht. Alles hat seine Daseinsberechtigung.
Ich habe letzthin mal über Männer nachgedacht, die mich interessiert haben. Es waren ausnahmslos immer eher zurückhaltende und ruhige Männer. Mit Männern, die richtg einen auf Mann machen oder auf solche, die gerne die Aufmerksamkeit auf sich lenken, konnte ich nie etwas anfangen. Mich reizten immer nur solche, die ihr Herz nicht auf der Zunge trugen und eine Karnevalssitzung im Alleingang bestreiten könnten.
Es gibt für alles Abnehmer.
Du bist wie du bist und das kannst Du nicht ändern. Es steht Dir auch zu so zu sein. Akzeptiere das als Deine Eigenart, die keiner Wertung unterliegt. Du kannst sogar damit kokettieren und in unangenehmen Situationen sogar die Flucht nach vorne antreten und z.B. sagen ich weiß jetzt nicht, was ich sagen soll, Mir fällt absolut nichts ein. Das von einem Lächeln oder Lachen begleitet wirkt dann oft sogar sympathisch, einfach weil es authentisch ist. Oder Du sagst, ich bin im Grund genommen ein schüchterner Mensch, aber ich arbeite daran, dass das keiner merkt. Von einem Lachen über sich selbst begleitet kannst Du damit sogar punkten.
Spiele keine Rolle, die Dir nicht liegt. Das hast Du nicht nötig, denn Du bist okay so wie Du bist. Und wem das nicht passt, den brauchst Du nicht und der braucht auch Dich nicht.
Nimm die Schwere raus und nimm Dich so wie Du bist. Je älter Du wirst, desto leichter geht das. Denn es ist mühsam und energieaufwändig, wenn man eine Rolle spielen will, hinter der man nicht steht. Und irgendwann hat man zu so was auch keine Lust mehr.
Es ist alles in Ordnung und so wie Du bist ist es in Ordnung. Ich denke, an Deiner Sozialphobie kannst Du noch arbeiten, indem Du die Einstellung zu anderen Menschen ändert. Sie sind nicht dazu da, über Dich zu befinden oder zu urteilen. Es gibt ja auch Konfrontationstherapien, in denen Menschen Ängste überwinden, indem sie mit genau diesen Situationen konfrontiert werden.
Hat Jemand Höhenangst, kann er sich dazu zwingen über eine Brücke zu gehen und die unbegründete Angst trotz Geländer runterzufallen überwinden. Ähnlich verhält es sich mit anderen Menschen.
Aber überfordern darf man sich auch nicht. Denn kleine Fortschritte die man bei sich bemerkt, machen Mut und schaffen Zuversicht. Überforderung bewirkt das Gegenteil.
Ich denke manchmal gerne in Bildern. Ich hab da so elende Kobolde in mir entdeckt, die sich schon lange bei mir eingenistet haben und die ganz ekelhaft sind, Häßlich und bösartig sind sie und obendrein natürlich richtig schadenfroh.
Die kommen immer mal wieder hervor, setzen sich auf meine Schulter und sagen zu mir so schöne Dinge wie Na, wieder mal versagt, Du Looser. Ha, Du bringst es einfach nicht, da kannst Du Dir noch so viel Mühe geben, bei Dir ist Hopfen und Malz verloren.
Dann freuen sie sich, feixen und reden miteinander: die haben wir heute wieder mal fertig gemacht und auf den Boden der Tatsachen gestellt.
Mittlerweile höre ich nicht mehr auf sie, sondern nehme sie und setze sie in einen Schrank, wo ich sie einsperre. Und dann sage, Ihr könnt Euch jetzt gegenseitig ärgern, aber mich nicht mehr niedermachen. Ich bin draußen und lass mir mein Leben von Euch nicht mehr kaputt machen. Ihr seid ekelhaft, hochmütig, bösartig und charakterlos.
Tja, dann maulen die Kobolde zwar, aber sie werden dann auch still. Ich habe ihnen die Stirn geboten und sie weg geschickt und damit auch entmachtet.
Du kannst für Dich auch einen Weg finden, mit den inneren Dämonen zu Rande zu kommen. Bei mir funktioniert das Bild mit den bösen Kobolden, bei Dir vielleicht was anderes. Solche Übungen können sogar Spaß machen. Finde für Dich einen Weg.
19.02.2021 12:48 •
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