Betrogen, verlassen und emotional gefangen

S
Ich komme nicht vorwärts und nicht zurück.

Es ist alles so typisch, und doch habe ich nie damit gerechnet, dass es mich treffen könnte.
Ich bin Ende 30 und war 14 Jahre lang mit meiner Frau zusammen, die letzten fünf davon verheiratet. Ich habe sie geliebt und war ihr treu. Doch in den letzten vier Jahren - wir haben zwei Kinder, vier und zwei Jahre alt, hat sich ihre Liebe für mich unmerklich verabschiedet.

Ende November offenbarte sie mir, dass sie seit einigen Wochen eine Affäre hat und nicht wisse, wie es mit uns weitergehen soll. Das war drei Tage, bevor sie mit den Kindern in eine lange geplante Mutter-Kind-Kur abgereist ist. Während der Kur hat sie sich entschieden, dass es der Andere werden soll – aus der von ihr selbst noch vorgeschlagenen Paartherapie nach ihrer Rückkehr wurde nichts mehr.

Da ich in den letzten Jahren eher die Rolle des Hausmanns übernommen habe, kann ich finanziell nicht auf eigenen Beinen stehen und bin in meiner Verzweiflung fürs erste ins Haus meiner Eltern gezogen, bei denen ich in meiner Kindheit nie gelebt habe sondern bei den inzwischen verstorbenen Großeltern) und wo die Bedingungen alles andere als ideal sind. Das schlimmste: Meine kleinen Kinder sind nun über 600 Kilometer weit weg, und ich sehe sie nur noch jedes zweite Wochenende. Da aber der Neue schon kurz nach der Rückkehr in meinem alten Zuhause übernachtet hat, wie ich bei einem Besuch vor Weihnachten wegen des Geburtstags meiner Tochter feststellen musste, war es mir unmöglich, in der Nähe zu bleiben.

Lange habe ich gehofft, dass sie ihre Meinung ändert. Kurz vor der Affäre gab es eine Fehlgeburt, und die Paartherapeutin in spe, der ich alleine einen Besuch abstattete, weil ich akut hilfsbedürftig war, erklärte mir, wie viele Faktoren da hormonell gerade eine Rolle spielen. Aber die neue Beziehung hört nicht auf und ist ernst. Das schlimme aber ist, dass meine Noch-Frau klammert, wann immer ihr die Folgen ihrer Entscheidung bewusst werden. Bei meinem Auszug. Als ich eine Anwältin wegen der Scheidung konsultierte. Als ich ihr die Trennungsvereinbarung schickte. Sie liebe mich noch und wisse nicht, worauf das alles hinauslaufe, der Neue wisse das auch, aber sie müsse jetzt mal in die Zukunft sehen, und vielleicht gebe es irgendwann eine zweite Chance.

Das Schlimme ist: Ich nehme ihr diese Gefühle ab. Aber sie helfen mir nicht mehr. Ich kann sie nicht gebrauchen. Ich muss mich beruflich ganz neu orientieren – Trennungsunterhalt will ich nicht. Geld könnte ich von ihr bekommen, wenn ich wollte, aber da die finanzielle Schieflage neben der mangelnden Kommunikation ein entscheidender Grund für die Trennung war – sie verzweifelte daran, mich glücklich machen zu wollen und gab irgendwann einfach auf –, spielt da auch verletzter Stolz eine Rolle. Ich weiß aber, dass ich mir diesen Stolz nicht mehr lange erlauben kann.

In den vergangenen Wochen gab es immer wieder Mailwechsel, die in Liebesbekundungen endeten, die ich immer wieder abblocke, denn eine offene Beziehung oder eine Liebe zu zwei Menschen sehe ich in meinem Leben nicht. Das war bei meiner Frau eigentlich auch immer so. Immer wieder betont sie, dass sie jetzt so glücklich gar nicht sei und noch sehr unsicher, aber trotzdem muss sie demnächst mit ihrem Neuen einen schönen Urlaub machen, während die Schwiegereltern und ich auf die Kinder aufpassen. Unser letzter Urlaub ohne Kinder war vor der Geburt der Kinder. Wir wussten schon vor einer ganzen Weile, dass wir uns dringend wieder um uns kümmern müssen, ich habe zugelassen, dass meine Frau sich nach der Fehlgeburt in Arbeit stürzt, wie so oft, und wollte nach der Kur neu anfangen – aber da war es dann schon zu spät.

Gestern, während meiner Zugreise zurück nach meinem zweiten Besuch bei den Kindern, gab es wieder viele SMSen. „Fast“ hätte sie mich gebeten, zu bleiben. Alles Stünde auf der Kippe, aber heute würde sich nichts entscheiden.

Ich kann nicht mehr. Es wird sich nichts entscheiden. Sie wird diesen Urlaub mit dem Neuen machen, und er wird sich einreihen in die lange Liste der Dinge, die ich vergeben müsste. Und ich würde gerne vergeben – aber jetzt, und nicht erst, wenn das Experiment vorbei ist und sie zurück will.

Ja, ich müsste längst loslassen. Ich bin seit drei Monaten in der Hölle. Ich war schon weiter. Ich bin wieder hier. Ich wollte eine Kontaktsperre. Ich wollte zumindest, dass alles Persönliche, Emotionale aus den Mails verschwindet. Aber es klappt nicht. Wären die Kinder nicht, hätte ich schon mit ihr gebrochen. Und meine beste Freundin verloren. Aber auch das stimmt nicht mehr: Von Freunden verlange ich Ehrlichkeit und Offenheit. Loyalität.

Ich drehe mich im Kreis.
Ich müsste ein paar Bewerbungen schreiben. Herausfinden, wohin ich mit meinem turbulenten Lebenslauf überhaupt passen könnte. Aber Kreativität und Krise gehen bei mir nicht so gut zusammen. Ich habe keine Kraft mehr. Zum Glück habe ich schon eine Therapeutin gefunden, aber das Problem bleibt, dass ich eigeninitiativ Handeln müsste. Aktiv sein. Mir Bestätigung holen und hoffentlich beruflich wieder Fuß fassen. Aber ich verkrieche mich. Auch, weil ich nicht weiß, ob ich nicht doch zumindest wieder näher bei den Kindern sein kann, egal, was meine Noch-Frau macht.

Eigentlich will ich es. Deshalb muss ich daran arbeiten. Allerdings ist hier in der alten Heimat mein soziales Netz etwas besser, obwohl ich fast zehn Jahre weg war. Aber auch das darf bald nicht mehr zählen. Ich muss es alleine schaffen. Und die widersprüchliche, irrationale Gefühlswelt des Menschen, mit dem ich für immer verbunden bleibe, darf mich nicht mehr interessieren.

Hölle.

Ich stelle diesen Text jetzt doch einfach mal hier ein und hoffe, dass er halbwegs Sinn ergibt und ein nachvollziehbares Bild entsteht.

24.02.2014 13:58 • #1


S
Puh, jetzt, wo ich noch einmal drübergucke, merke ich, dass natürlich viele wichtige Informationen fehlen, aber da ist noch ein Berg aus Notwendigkeiten, der hier abgetragen werden will. Deshalb nur ganz kurz:

Ja, ich würde noch immer alles geben für eine zweite Chance. Aber es liegt nicht mehr in meiner Hand.

Wir haben uns offenbar schon sehr lange falsch verstanden: Ich habe mich beruflich eingeschränkt, um ihr den Rücken für die Karriere frei zu halten und leider immer wieder mit der Situation gehadert. Sie fühlte sich deshalb schuldig, dabei hatte ich die Rollenverteilung irgendwann akzeptiert und war glücklich damit. Und jetzt, nachdem wir beschlossen hatten, dass wir nur zwei Kinder haben werden, hätten sich viele Möglichkeiten ergeben, wieder etwas zu ändern. Aber wir haben es zu lange versäumt, offen über unsere Gefühle und Erwartungen zu sprechen und uns voneinander entfernt. (Ich weiß, dass für das Scheitern einer Beziehung immer beide Parteien verantwortlich sind.) Und jetzt ist es zu spät.

24.02.2014 16:44 • #2


A


Betrogen, verlassen und emotional gefangen

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sanin
Was ich hier nicht verstehe.... du warst Hausmann, hast dich um Kinder und Haushalt gekümmert. Warum musst du gehen?

Wie bekommt sie das denn plötzlich mit den Kindern hin?
Dir geht es nicht anders als vielen Frauen, du sollstest dich mal beim VErband alleinerziehender Mütter und Väter erkundigen.
Wie kümmert sie sich denn jetzt um eure Kinder?

24.02.2014 17:31 • #3


S
Die Kinder sind zum Glück in einer Kita untergebracht und die Zeiten recht ausgedehnt. Da meine Frau zudem vor einer Weile ihre Arbeitszeit verkürzt hat, funktioniert das jetzt mit dem Abholen ganz gut bzw. hat sie sich für Notfälle noch eine Babysitterin besorgt. Da die Kinder noch sehr klein sind, gab es in den letzten Jahren aber natürlich viele Krankheitstage bzw. -wochen, dazu die üblichen Brückentage und Schließzeiten. Da bin in der Regel ich eingesprungen und hab auch mal spontan meine Termine geknickt, weil ich viel weniger verdiene. Es ist also kein ganz klassischer Rollentausch.

Und aus der Wohnung wollte bzw. musste ich raus, weil mein Nachfolger schon dort übernachten durfte, als ich noch längst nicht damit gerechnet hätte - siehe oben. Meine Frau stellte sich das so vor, dass ich ja erst mal in der Wohnung bleiben könnte - es gibt ein Gästezimmer - oder mir (von ihr mitfinanziert) was in der Nähe suche, aber das wollte ich nicht. Ich musste erstmal weg, mich aus dieser Abhängigkeit befreien. Ich habe die letzten Monate eigentlich nur reagieren können und fühle mich jetzt noch immer umklammert.

Noch eine Ergänzung zu meiner Flucht: Der Neue hat einen Laden bei uns in der Nähe, den wir unter Vorwänden mit den Kindern zweimal aufgesucht haben, während die heimlliche Affäre lief. Da kam mir einiges schon sehr seltsam vor. Ich kann und will nicht zu sehr ins Detail gehen, bin aber leider mit offenen Augen gegen die Wand gerannt.

24.02.2014 17:42 • #4


M
wie lange genau hast du denn nicht gearbeitet?
und warum lässt du dir von ihr nicht helfen, es steht dir zu und du brauchst bestimmt auch geld um wieder auf die füsse zu kommen.
hast du dich schon beim arbeitsamt beraten lassen?

du wirst dich besser fühlen, sobald du dein leben wieder in die eigenen hände nimmst....

24.02.2014 18:41 • #5


S
Danke, Minna. Das bescheuerte ist ja, dass ich das eigentlich weiß und versuchen muss, diese Lähmung zu überwinden. (Sie hängt sicherlich damit zusammen, dass ich mich erst gestern von den Kindern verabschiedet habe.)

Ich habe frei gearbeitet und dabei in den letzten Jahren nur etwa 300-600 Euro im Monat verdient - dafür bei manchmal extrem ungünstigen Arbeitszeiten und mit verhältnismäßig hohem Aufwand. Schlecht bezahlte Mediensachen, immer aber von meiner Frau darin bestärkt, weil ich das, was ich mache, eigentlich ziemlich gut mache. Allerdings ist es schwer bis unmöglich, in diesem Bereich noch an eine Festanstellung zu kommen. Letztlich hätte eine berufliche Neuorientierung ohnehin ins Haus gestanden, spätestens jetzt neulich, mit vollendeter Familienplanung und der reduzierten Stundenzahl meiner Frau. Aber da kam schon die Trennung

Nach meiner Abreise war ich zunächst gut organisiert. Ich hatte mich vor der endgültigen Entscheidung meiner Frau für den Neuen schon beim Arbeitsamt meiner alten Stadt gemeldet, um bei einer Beratung zu ergründen, in welche Richtungen ich beruflich noch denken könnte, musste mich aber aufgrund meines Wegzugs in der neuen Stadt noch einmal in die Warteliste einreihen. Ich habe mich zunächst nur arbeitssuchend gemeldet, nicht arbeitslos, weil ich meine Sachen auch hier mit Einschränkungen noch machen kann und nicht direkt ins ALG 2 mit all seinen Zwängen rutschen wollte. Allerdings habe ich dann nach über zwei Monaten Wartezeit mit regelmäßigem Nachhaken und ein paar (bislang fruchtlosen) Eigeninitiativen nur die Einladung zu einer ganz allgemein gehaltenen Gruppenveranstaltung bei der Arbeitsagentur bekommen, weil gerade kein Personal da ist.

Ein paar nicht ganz hoffnungslose Stellenausschreibungen habe ich trotzdem schon gefunden, und ich weiß, dass nichts dringender ist, als mich zu bewerben, wo es nur geht. Teilweise sind da aber auch noch Kreativleistungen (etwa originelle und am besten witzige Konzeptideen) gefordert, und damit tue ich mich momentan mehr als schwer. Ich bin völlig blockiert. Aber ich weiß natürlich (eigentlich), dass daran kein Weg vorbei führt, ich habe mir auch endlich mal ein Wochenziel gesetzt. Aber das Private überschattet alles: Eigentlich will ich näher bei den Kindern sein. Dann muss ich aber auch eine Wohnung haben. Sollte ich also noch eine schlecht bezahlte Quereinstiegsmöglichkeit bekommen oder eine Trainee-Stelle, bräuchte ich auf alle Fälle die Unterstützung meiner Frau. Das weiß ich. Dann muss ich aber auch mit ihrer Nähe klarkommen.

Das Schlimme ist, dass sie - nachdem was sie mir erzählte – an meinem vermeintlichen „Unglück“ zerbrochen ist und ausgelaugt war, weil sie glaubte, dass ich meine Rolle nicht annehmen könne. Sie fühlte sich mir auf eine ungesunde Weise verpflichtet, ohne ihr Leiden daran auszusprechen. (Auch sie macht deshalb derzeit eine Therapie.)
Das ist schon mal ein Grund, warum ich jetzt am liebsten ohne ihre Unterstützung zurecht käme. Dann natürlich die Nähe zu ihrem neuen Leben. Und nicht zuletzt diese letztlich konsequenzlose Unschlüssigkeit, mit der sie mich weiter festhält, mir sagt, dass sie mich noch liebt und sich deshalb gar nicht so glücklich in die neue Beziehung stürzt, es aber trotzdem tut.

Ich werde loslassen müssen. Ich werde Hilfe suchen und annehmen müssen, wenn ich sie brauche. Ich werde für die Kinder da sein. Aber vor allem muss ich mich um einen Job kümmern, hier oder da, und versuchen, zurück in die Spur zu kommen. Und ich muss den Gedanken loswerden, wie gerne ich das getan hätte, ohne dass zuvor all meine Gewissheiten und mein gesamtes Leben auf den Kopf gestellt werden.

Ich werde jetzt versuchen, noch ein bisschen produktiv zu sein, weil es mir zumindest im Moment nicht hilft, mir die Situation wieder und wieder vor Augen zu führen. Ich habe schon so viele Mails geschrieben und Telefonate geführt und mit Freunden gesprochen. Aber es hilft nichts. Ich muss einen Job finden und wieder der Teamplayer sein dürfen, der ich eigentlich bin. An alles andere darf ich erst denken, wenn es konkret wird.

Und dabei tut alles, alles so weh.

Viele Grüße und auch euch alle Kraft, die ihr braucht.

24.02.2014 19:37 • #6




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