Ich bin eigentlich auch nicht so der Foren-Schreiber, aber ich denke, dass es Zeit wird, sich mal mit Ansichten von aussen auseinanderzusetzen:
Im letzten Jahr haben mein Freund und ich angefangen zu flirten, es ging von Anfang an um den S., den wir in unseren Beziehungen nicht ausleben können. Wir sind beide verheiratet, er hat noch keine Kinder, ich kleine.
Da fing mein Parallelleben schon an, denn das ständige Denken daran, wie es wohl wäre, mit meinem besten Freund (denn so habe ich ihn bezeichnet, wenn das auch andersrum bei ihm wahrscheinlich nicht der Fall war) ins Bett zu gehen.
Seit Anfang des Jahres treffen wir uns alle paar Wochen und haben S..
Ich denke daran, dass ich Nähe zu ihm möchte und dass ich möchte, dass er auch Gefühle für mich hat und es ihm wichtig ist. Dass er mich wertschätzt, respektiert und dass ich eine besondere Rolle für ihn einnehme.
Ich nehme an, dass er noch andere Liebschaften nebenher laufen hat. Und dass das, was wir miteinander teilen, eben wirklich nur S. für ihn ist. Er ist aber auch sehr routiniert im Fremdgehen, ich kenne ihn jetzt seit 15 Jahren und er hat immer parallel zu seinen Beziehungen etwas laufen gehabt.
Das fand ich immer total abschreckend, oft genug habe ich mir gesagt, dass er ein toller Mensch, aber als Partner eine totale Nullnummer ist.
Er hat mich, bevor ich in der Beziehung mit meinem Mann war auch oft angemacht, aber er hatte immer eine Freundin, also habe ich mich nicht darauf eingelassen, weil ich nicht wollte, dass die Freundschaft daran zerbricht, dass er mich zur s.uellen Bedürfnisbefriedigung benutzt und ich mir wahrscheinlich eine Beziehung hätte vorstellen können.
Jetzt bin ich dennoch schwach geworden und in einer emotionalen Zwickmühle gelandet. Obwohl ich natürlich keine feste Partnerschaft mit ihm plane und die auch niemals zustande kommen kann. Ich habe kleine Kinder und bin verheiratet, wir wohnen schön und haben keine finanziellen Sorgen. Das aber auch nur, weil ich mit meinem Mann zusammen bin, der sich gut mit mir um die Kinder kümmert und mir viele Freiheiten lässt.
Mein Freund würde niemals für mich dasein können und wollen, so wie ich es brauche, strukturell, emotional und finanziell. Obwohl ich meinen Kopf gerne in den Wolken habe, brauche ich eine verlässliche Heimat, ein Zuhause.
Ich weiss selbst gar nicht, warum ich mir überhaupt wünsche, dass es mehr als unverbindlicher S. ist.
Wahrscheinlich habe ich große Angst, ihn zu verlieren. Als Mensch, als Freund, aber mittlerweile auch als Liebhaber.
Ich habe soviele Freunde verloren, ich habe wenige Menschen, die mir wirklich nah sind und ich zähle ihn dazu. Auch wenn die geistige Nähe, die wir durchaus miteinander teilen, sich durch den ständigen Flirt, den S. und das gegenseitige Taktieren in eine andere, fremde Art der Nähe, die auch immer mit Distanz verbunden ist, verwandelt hat.
Jedesmal wenn er nicht so reagiert, wie ich das gerne hätte, bin ich verunsichert, traurig und frustriert. Ich denke sehr oft an ihn und die Affäre. Wenn es gut läuft, denke ich nur an den S., wenn es schlecht läuft, denke ich darüber nach, warum er nicht so reagiert, wie ich das gerne hätte, warum er nicht das nächste Treffen vereinbart, warum er schon wieder nicht vorbeikommen kann..Er ist derjenige ist, der die Termine macht, der die Termine verschiebt, der dann doch nicht kann. Ich versuche mir zu verbieten, an ihn zu denken, denn ich komme ja auch nicht weiter. Jedesmal, wenn der Gedanke an ihn aufkommt und ich habe momentan viel Zeit, an ihn zu denken, sage ich innerlich „Urlaub“, eine Abgrenzungsstrategie, die nur von sehr mässigen Erfolg gekrönt ist.
Diese sich ständig im Kreis drehenden Gedanken nerven mich und rauben mir viel Energie. Ich stehe oft vor dem Spiegel und sage mir, dass ich damit aufhören muss. Ich fühle mich einsam, denn mein Wunsch nach Nähe kann ich weder mit ihm, noch mit meinem Mann teilen.
Der Vorteil der Affäre ist, dass ich mich wieder als Frau fühle, in guten Zeiten macht es mich glücklich, begehrt zu werden. Noch dazu ist mein Freund ein wirklich gut aussehender Mann, was mir einerseits schmeichelt, mich andererseits aber auch abschreckt.
Alle Frauen, wirklich alle, finden ihn heiss und er weiss darum.
Ich nehme an, dass er immer soviel nebenher laufen gehabt hat, weil er diese Form der Bestätigung braucht. Weil er es liebt, wenn andere ihn toll finden. Weil es seine Form ist mit der Welt zu kommunizieren und sich gleichzeitig von ihr abzuschotten. Wenn es bei der einen nicht funktioniert, nimmt er eben eine andere. Er sagt immer, dass manche Menschen eben mehr S. als andere brauchen, aber ich glaube nicht, dass das der wirklich Grund für seine ausserehelichen Aktivitäten ist. Er ist ein toller Mann, intelligent, humorvoll, kreativ. Und er ist mir auch oft schon ein wirklich guter Freund gewesen.
Aber er ist durch seine hohe äusserliche Attraktivität schon fast wieder hässlich.
Denn er hat nie Demut gelernt und nie gelernt, seinen Gefühlen auf den Grund zu gehen und abzuwägen, was ihn bindet, was wertvoll ist, was gehegt und gepflegt werden muss.
Eigentlich sehe ich es manchmal fast als Affront, dass er bewusst die Freundschaft aufs Spiel gesetzt hat, als er anfing mit mir zu flirten. Er hätte doch wissen müssen, dass ich ein Mensch voller Fantasie, voller Herz und Bindungsfähigkeit bin und kein Typ für den total unverbindlichen S. bin. Aber ich kenne meine Persönlichkeit selbst auch gut, ich habe mitgemacht und es nicht geschafft, mich selbst zu schützen. Ich war eben schon immer ein Mensch des Spiels, eine die den Rausch liebt und die Welt-mit-ihren-ganzen-Scheiss-für-ein-paar-Momente-vergessen mehr braucht, als viele andere.
Ich habe mich für die Affäre entschieden, weil ich grosse Angst davor habe, dass ich als Mensch in der Langeweile der Paarbeziehung mit meinem Mann einfach eingehen, vergehen werde. Dass ich dann irgendwann alt und gebrechlich bin und dass es das dann war.
Mein Mann gibt mir seit vielen Jahren nicht mehr das Gefühl, dass ich ein guter Mensch bin, eine tolle Frau, die begehrenswert ist. Wir hatten jetzt über Jahre keinen S. mehr, was grösstenteils an ihm lag. In letzter Zeit ist er zwar ein bisschen freundlicher zu mir und will auch ab und zu S., aber ich kann mich nicht mehr überwinden. Ich habe nach all den Jahren der Gespräche, des Bittens und Bettelns beschlossen, dass ich ihn nicht mehr als Mann liebe, aber mit ihm als Partner, aufgrund der herausfordernden Struktur mit Kindern, zusammen bleiben muss. Ob ich will oder nicht. Jetzt bin ich diejenige, die zumacht, ich bin die, die sich wegdreht, wenn er auf der Suche nach körperlicher Nähe ist.
Ich bin bescheuerterweise meiner Affäre treu, die ja erst dadurch entstanden ist, dass ich beschlossen habe, untreu zu werden.
Heute ist Hochsommer, ich habe ihm unverbindlich geschrieben, aber er meldet sich nicht. Beim letzten Treffen war der S. sehr intensiv.
Ich sitze jetzt hier und mutmaße, warum er sich nicht meldet und mir das Gefühl gibt, dass es schön wäre, sich zu treffen, selbst wenn er zeitlich keine Möglichkeit dazu sieht. Ich fühle mich dem so ausgesetzt, dass ich auf seine Reaktionen warte, statt mir selbst einen festen Standpunkt zu geben, von dem ich auch mich selbst je nach Situation konfigurieren kann.
Jetzt denke ich: Hat er Angst, dass ich zuviele Gefühle investiere und distanziert sich deswegen? Hat er eine neue Affäre gefunden und findet die momentan einfach spannender? Warum entzieht er mir bewusst das Gefühl, dass ich wichtig für ihn bin? Hat das einen Grund oder ist er einfach nur zu blöd?
Naheliegend wäre, das Ganze sobald wie möglich zu beenden und wieder zu versuchen, die alte Freundschaft herzustellen.
Das setzt mich allerdings total auf Entzug, ich werde niemand mehr haben, auf den ich meine Projektionen malen kann und ich habe noch nicht mal mehr das bisschen Sternenhimmel, das entsteht, wenn wir miteinander schlafen.
Auf der anderen Seite hat die Affäre auch sehr viele negativen Eigenschaften. Aber das liegt nicht an meinem Freund, sondern an mir.
Er ist der Profi und ich bin diejenige, die träumt, obwohl sie weiss, dass es da nix zu träumen gibt und ich ja auch paradoxerweise gar keine feste Partnerschaft will.
Achja, das ist übrigens eine Feststellung, die ich machen kann und will: Auf ne Art liebe ich ihn, als Mensch, aber auch als denjenigen, der mir das Gefühl gibt, eine Frau zu sein. Jedenfalls ab und zu;-)
Die Beklopptheit meiner Entscheidung, überhaupt mit der Liaison anzufangen, müssen wir hier nicht diskutieren. Das ist mir total bewusst.
30.08.2016 11:56 •
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