Lieber Snacki,
Deine Geschichte ähnelt meiner…
Bei uns war die Trennung letztes Jahr im Juni, nach 12 Jahren Beziehung, davon 9 verheiratet. Auch bei uns waren letzten Endes die Lebenswünsche und -ziele, auch die Charaktere / Temperamente zu unterschiedlich… obwohl da noch viel Zuneigung und Respekt da war (und noch immer ist) – für eine Liebesbeziehung hat es nicht mehr gereicht, wir waren beide nicht mehr glücklich in dieser Ehe und haben uns nicht mehr gut getan.
Ich hatte selbst schon immer mal wieder an Trennung gedacht, und trotzdem hat es mich sehr getroffen, als mein Mann mir die Entscheidung abgenommen und von sich aus den Trennungswunsch ausgesprochen hat. Vom Verstand war mir klar, dass er recht hat, dass diese Trennung „folgerichtig“ war, und für uns beide auch eine Chance auf einen Neuanfang… und trotzdem war der Abschied schmerzhaft.
Im November letzten Jahres ist er mit seiner neuen Partnerin zusammengezogen und im Januar erwarten sie Nachwuchs…
Auch mir war klar, dass das kommen würde. Immerhin war sein Kinderwunsch – den ich nicht geteilt habe – das schwerwiegendste Argument in der Waagschale, das für eine Trennung gesprochen hat. Und trotzdem habe ich geweint, als ich von der Schwangerschaft erfahren habe. Obwohl ich meinen Frieden gemacht habe mit der Trennung. Obwohl ich mich ehrlich freue für ihn, dass sich dieser sehnliche Wunsch für ihn erfüllt hat.
Was mir dieses „Frieden machen“ etwas erleichtert hat waren sicher auch zwei Faktoren, die bei Dir nicht zutreffen… Erstens gibt es bei uns keine räumliche Nähe mehr. Die beiden wohnen 400km entfernt, somit bekomme ich das junge Glück nicht „live“ mit. Und zweitens habe ich selbst ein neues Glück, einen neuen Partner gefunden.
Wenn ich mir vorzustellen versuche, er würde mit ihr in meiner Nachbarschaft wohnen, quasi vor meinen Augen sein neues Leben mit seiner neuen eigenen Familie genießen während ich „allein übriggeblieben“ bin… da muss ich dann doch schlucken. Insofern finde ich Deinen Gedankengang weder absurd noch kindisch, sondern sehr nachvollziehbar.
Und ich versteh auch den Stolz, der sich da bei Dir meldet, dieses Gefühl, nicht „das Feld räumen“ zu wollen, weil es wie eine Flucht wäre, ein Eingeständnis für den großen Einfluss, den sie noch immer auf Dich hat.
Tja, was würde ich tun… schwer zu sagen. Generell tendiere ich persönlich dazu, nichts zu überstürzen. Zumindest nicht, solange es keinen fixen Termin gibt, bis zu dem eine Entscheidung getroffen sein muss.
Und so einen Termin sehe ich bei Dir nicht… Ich meine, es ist ja nicht so, dass Du „für immer zum Bleiben verdammt“ wärst falls Du nicht bis Ende des Monats den Entschluss gefasst hättest, wegzuziehen.
Du kannst Dir Zeit lassen, es auf Dich zukommen lassen, mal sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Wegzuziehen - dieser Weg steht Dir auch in ein paar Wochen oder Monaten noch offen, solltest Du feststellen, dass die Nähe zu Deiner Ex doch zu belastend wird. Wenn diese Schmerzgrenze erst erreicht und der Leidensdruck zu groß wird, fällt Dir der Abschied aus Deinem „Kiez“ vermutlich auch nicht mehr so schwer, wie er das jetzt offenbar tut… und vermutlich wäre dann auch Dein Stolz nicht mehr gar so verletzt, weil Du Dir sagen könntest, es zumindest versucht zu haben…
Aber ich sehe auch tatsächlich eine gute Chance, dass Deine Wunden mit der Zeit TROTZ der Nähe zur Ex heilen können. Dass Du lernst, damit umzugehen und Deine Lebensqualität nicht mehr davon einschränken zu lassen. Nach vorne zu sehen, frei zu sein und Dich zu öffnen für Dein eigenes „neues Glück“ ganz unabhängig von Deiner Ex.
Ich wünsch Dir Mut und Kraft, für Dich den richtigen Weg zu finden…
04.11.2015 16:05 •
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