Liebe Libra82,
es ist viel los in deinem Thema momentan, ich komme leider nicht hundertprozentig hinterher, will mich aber auch mal aus dem Hintergrund zwischendurch zu Wort melden ...
Zitat von Libra82: Und sofort hab ich wieder Sorge, dass nur weil ich die richtige Wortart und Tonlage nicht gefunden habe
Ja, da übst du halt noch. @E-Claire hat dir ja schon super seziert, an welchen Punkten die Kommunikation (auch von deiner Seite her) problematisch war.
Ich möchte dir da nochmal das Thema Grey Rock Methode ans Herz legen. Ich kann dir wirklich nur raten, eine absolut neutrale, rein sachliche Tonart anzutrainieren. Und niemals, wirklich niemals mit deinem Ex über irgendwas zu diskutieren, wer was wann wie... sorry, aber die Nummer KANNST du nur verlieren. Da ist er dir einfach über (weil er Jahrzehnte Erfahrung mit seiner Schuldumkehr und Manipulation hat) und ja, du bist da leider triggerbar, weil du nicht nur weiterhin das alte Tänzchen tanzt, ihn doch irgendwie erreichen und mit irgendwelchen Verrenkungen zur
EINSICHT bringen zu wollen, sondern ...
Zitat von Libra82: Ich fühle mich sofort schuldig und verantwortlich nun noch besser und zeitlich noch feiner auf ihn abgestimmt zu sein
... dies mit dir geschieht und er das natürlich weiß und gegen dich ausspielt.
An diesem von dir geschilderten Austausch sieht man, finde ich, dass du immer noch um ihn herumtanzt anstatt ihn auf den Pott zu setzen und notfalls einfach dort sitzen zu lassen. Ich verstehe das, es sowohl Folge aus als auch einer deiner Anteile an eurer dysfunktionalen und emotional missbräuchlichen Beziehung. Es ist langwierig und schwierig, sich daraus zu befreien. Aber umso wichtiger finde ich, dir das nochmal in aller Deutlichkeit rückzumelden, was ich da wahrzunehmen meine. Denn du bist ja insgesamt auf einem unheimlich guten Weg und es kann nur weiter besser werden, je klarer dir Dinge sind.
Zu der Frage, ob es Diego besser gehen wird, wenn es verbindliche Regelmäßigkeiten gibt im Umgang mit seinem Vater: ja, natürlich, davon bin ich überzeugt.
Ich finde es gut, dass du Diego dahingehend entlastet hast, ihm die Kommunikation bezüglich der Kontakte abzunehmen. Ich hatte diese Phase, in der Diego sich um den Kontakt bemühte, mit Besorgnis hier mitgelesen. Sowas ist, zumal bei einem so jungen Kind, die Aufgabe und Verantwortung der Erwachsenen! Du wirst dieser nun gerecht, dein Ex kriegt es (mit Verlaub) immer noch nicht gesch*ssen.
Die eigentliche Frage ist mMn daher, ob ein verbindlicher Umgang mit Diegos Vater überhaupt realisierbar ist. Und ob DU einen echten, effektiven Einfluss darauf hast, das zu realisieren. Das ist eine gefährliche Frage, weil das dein Problemthema berührt: deine Vorstellung, etwas erreichen zu können (Einsicht, Entgegenkommen usw.) wenn du dich nur genug um ihn bemühst.
Für mich wäre längst ein Punkt erreicht, an dem mein Goodwill aufgebraucht ist und ich es regeln würde wie @thegirlnextdoor:
Zitat von thegirlnextdoor: Du wirst ihm Termine mitteilen, die ER sich notiert.
Du wirst ihn nicht daran erinnern - denn du bist weder seine Sekretärin noch sein Terminkalender. (...) Und er hat sich bei dir zu melden und dir mitzuteilen ob er kommt/abholt oder nicht oder whatever.
Das Gleiche gilt für deine Wochenendplanung. Ich finde es wirklich dreist, wie er mit seiner Unverbindlichkeit auf deiner Zeit, deiner Lebensgestaltung und deinen Nerven herumtrampelt. Würdest du dir das von jemand anderem außer ihm auch gefallen lassen? Du machst dich umso mehr erpressbar, wenn du glaubst, DU hättest einen echten Einfluss darauf, aus diesem Mann einen verlässlicheren Vater machen zu können.
Wie findest du den Gedanken, spätestens morgen mittag andere Pläne für dein/Diegos Wochenende zu machen, die tatsächlich verbindlich sind? Er bekommt seine Chance, er nutzt sie nicht, die Chance verfällt, nächstes Mal gibt es eine neue Chance.
Für dich und Diego tut es mir vor allem deshalb leid, weil ihr euch so, wie es jetzt läuft, als von seinem Wohlwollen abhängig erlebt. Es wäre aber wichtig, aus dieser Opferrolle herauszufinden und in die Selbstbestimmung und ins Handeln zu kommen. Ich glaube, das wäre auch für Diego gut, selbst wenn er seinen Vater dann weniger sieht. Diego, ich habe den Papa vorgestern, gestern und heute gefragt, ob er am Wochenende Zeit für dich hat. Er kann es mir noch nicht sagen. Möchtest du weiter warten, oder sollen wir uns mit Oma/Onkel/Kindergartenfreund verabreden und Papa dann das nächste Mal wieder fragen?
Zitat von Libra82: Glaub mir ich brauch das WE eigentlich dringend. Muss Berichte schreiben für die Arbeit. Die Steuererklärung machen...
Wäre dann nämlich auch möglich, und Diego könnte mit anderen Menschen in seinem Bezugssystem schöne Erlebnisse haben und die Bindungen stärken, während sein Vater nicht verfügbar ist - anstatt immer in dieser innerlichen Warteschleife zu hängen. Das ist wirklich frustrierend und tut mir unheimlich leid für deinen Kleinen, aber was soll man machen? Der Vater ist, wie er ist.
Zitat von Libra82: Wenn der Preis nicht mein Sohn und dessen Gefühle sind?
Leider gibt es Menschen, die einfach schlechte Eltern sind. Sie sind desinteressiert, unempathisch, vernachlässigend, misshandelnd, missbrauchend, manche Kinder sterben sogar durch die Hand ihrer Eltern.
Es GIBT also zutiefst dysfunktionale Elternteile, das ist die Realität. Und aus meiner Sicht und langjähriger einschlägiger Berufserfahrung heraus, kann man ein Kind nicht davor beschützen, einen solchen Elternteil zu
haben, und ihn, wie Kinder das nunmal tun, trotzdem abgöttisch zu lieben, und Entwicklungseinbußen davonzutragen aufgrund der Dysfunktionalität dieses Elternteils oder sogar beider Eltern.
Wovor man ein Kind aber zumindest in Teilen beschützen kann, ist unnötig lang ein idealisiertes und unrealistisches Bild von diesem dysfunktionalen Elternteil aufrecht zu erhalten. Dazu gehört es leider auch, das Kind erleben zu lassen, dass dieser Elternteil eben nicht funktioniert. Das erreicht man nicht, indem man sich selbst im Hintergrund die ganze Zeit bemüht, die Lücken zu füllen, die der andere fabriziert; man muss sich natürlich in gewissem Maße um gute Kommunikation und Kooperation bemühen, aber liefern muss der andere trotzdem selbst. Jeder Elternteil steht seinem Kind gegenüber IMMER in einer ureigenen, nicht übertragbaren Bringschuld. Das Kind hat keine Holschuld, und der andere Elternteil hat ebenfalls keine Holschuld beim nicht funktionierenden Elternteil.
Du, Libra82, kannst und musst also aus meiner Sicht nicht leisten, was der Kindsvater nicht hinkriegt. Du kannst und musst das auch nicht hinter den Kulissen für Diego deichseln, indem du deinem Ex das hinterherträgst, was eigentlich seine Aufgabe als Elternteil ist. Es ist leider die Realität, dass er als Vater kein ausreichendes Interesse und keinen Invest zeigt, und Realitäten gilt es zu erkennen und zu akzeptieren, um einen möglichst gesunden Umgang damit entwicklen zu können.
Du kannst Diego im Umgang mit dieser Realität eines versagenden Elternteils begleiten, wie du ihn bei seiner Erkrankung und seinen Untersuchungen begleiten kannst; ändern kannst du weder seine Erkrankung, noch seinen Vater. Aber du kannst ihm helfen, damit einen guten, gesunden Umgang zu finden, und es möglichst nicht auf sich zu beziehen, dass sein Vater leider so tickt wie du hier beschreibst:
Zitat von Libra82: Er will ihn sehen aber nur wenn er Zeit hat und es nicht zu anstrengend ist... Grundsätzlich ist es ihm jedoch eher zu viel.
Ich persönlich finde, dazu gehört auch ein transparenter Umgang damit, dass der Vater eben eklatante Schwächen zeigt. Die Krux hierbei ist, dass du aufgrund der Tatsache, dass du noch sehr in der Paarebene gefangen bist, Mühe haben wirst, mit diesen Schwächen neutral gegenüber Diego umzugehen. Nicht weil du das nicht willst, oder dazu grundlegend nicht in der Lage wärst, sondern einfach aufgrund deiner eigenen Befangenheit und auf gewisser Ebene immer noch vorhandenen Hilflosigkeit diesen Triggerthemen gegenüber. Wäre ich du, würde ich darüber nachdenken, mich aufgrund dieser meiner Befangenheit vielleicht einmal professionell beraten zu lassen, ob und wie ich Diego in dieser ganzen Situation möglichst gut unterstützen kann, denn es gilt die Balance zu halten zwischen der Vermeidung von Entfremdung einerseits und Loyalitätskonflikt andererseits und das ist schon für nicht Befangene ein ziemlich schwieriges Unterfangen.
So, und was diesen ominösen Freund deines Ex angeht: Hoffentlich ist das nur so eine unbedachte Art, nett zum kleinen Sohn des Kumpels sein zu wollen, so nach dem Motto Männer unter sich. Aber, ich bin da ganz bei dir, so ein Besuch hat keinesfalls stattzufinden und da wäre ich auch SEHR rigoros. Insbesondere, da Diegos Vater es nicht hinkriegt, sich um sein Kind zu kümmern; da solltest du erst recht nicht zulassen, dass er das auch noch auslagert, selbst wenn der Kumpel völlig harmlose Intentionen haben sollte - es ist völlig unangemessen.
Habe jetzt einen ziemlichen Roman verfasst, trotzdem noch ein Exkurs zur Schule: mir kommt es auch etwas schräg vor, wie du den Termin dort beschreibst, bzw. diese Konrektorin. Vielleicht magst du dir ja wirklich noch andere Schulen anschauen, ich würde das jedenfalls tun. Aber, hier hat @Heffalump deren Ansichten ich oft teile, etwas gesagt das ich ganz anders erlebe und dem möchte ich gern meine Sichtweise entgegenstellen:
Zitat von Heffalump: Sie ist doch nur ne Frau, die gegenüber Diego noch nicht geleistet hat, was zum Stillsitzen animiert. (...) Es gibt viele Schulen, viele Lehrer, diese Schule muss beweisen, das sie die richtige ist - nicht du, das deine Sohn richtig ist - für diese.
Es ist hinlänglich bekannt, dass Schulen und Lehrkräfte heutzutage vielfach mit Problemen zu kämpfen haben, die im Bereich Sozialverhalten und Sekundärtugenden angesiedelt sind. Der Auftritt dieser einen Lehrerin mutet fragwürdig an, aber sie hat in dem einen Punkt mMn doch Recht: Stillsitzen und Konzentration sind Bestandteil von Schulfähigkeit sind, und Eltern sind in der Verantwortung, dies mit ihren Kindern einüben!
Diese Fähigkeiten, genau wie ein angemessenes Sozialverhalten und ein Mindestmaß an Respekt vor Autoritäten sind schließlich grundlegend, um in einer Klasse sowas wie halbwegs effektiven Unterricht führen zu können. Es ist teilweise wirklich erschreckend, unter welchen Bedingungen an manchen Schulen Unterricht stattfinden soll: Kinder, die weder still sitzen, noch eine Schere halten können, von frechem und respektlosem Verhalten mal ganz zu schweigen, viele sprechen nicht mal Deutsch (selbst Deutsche haben damit bisweilen Probleme...). Das sind ALLES Defizite, die aus den Elternhäusern in die Schulen getragen werden, als wären Schulen sowas wie grundlegende Erziehungsanstalten die alles richten sollen was die Elternhäuser nicht hinkriegen; und auf der anderen Seite gibt es dann die Kritik, wenn von den Kindern tatsächlich sowas wie Anpassungsleistungen erwartet werden? Wirklich schwierig - das funktioniert nicht und darum sehen wir derzeit auch dabei zu wie in großem Stile in Deutschland das Bildungsniveau den Bach runtergeht; das liegt nicht nur an den schlecht ausgestatteten Schulen sondern hat meiner Erfahrung nach eben auch viel damit zu tun, dass Lehrpersonal vor allem an Schulen mit sozial benachteiligtem Einzugsgebiet in eine Rolle und Verantwortung gedrängt wird, die so einfach nicht funktionieren
kann. Ein Kind zur Beschulbarkeit zu erziehen, ist die Aufgabe der Eltern! Die Aufgabe der Schule ist es, Unterricht zu geben und einen sicheren Aufenthaltsort für alle Kinder zu gewährleisten.
Selbstverständlich sind die Lehrkräfte gefragt, ihren Job mit Engagement, Freude und großer Wertschätzung den Kindern gegenüber auszuüben, und für mich wäre es ebenso selbstverständlich, mein Kind so zu erziehen, dass es erfolgreich am Unterricht teilnehmen kann.
Pamphlet zum Thema Schule Ende
Noch ein weiterer Exkurs, zu der zuletzt nochmal aufgekommenen Frage warum dein Ex sich so gegen Beratung, Mediation, Therapie sträubt... mir ist dazu durch den Kopf gegangen, dass du ja eine Ausbildung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin machst (wenn ich das richtig in Erinnerung habe, hoffentlich war das jetzt kein peinliches Verwechslungsfettnäpfchen). Wenn er anerkennen würde, dass Therapeuten irgendwas Sinnvolles können, müsste er DIR damit ja indirekt einräumen, womöglich mit der ein oder anderen Thematik auch mal im Recht zu sein ... ich denke, zu dieser Form der Aufwertung/Anerkenntnis dir gegenüber kann und wird er eher nicht in der Lage sein.
tl;dr: Ich sehe hier insgesamt leider weiterhin, dass bei deinem Ex so ziemlich Hopfen und Malz verloren ist, und dir und Diego eigentlich nur zu raten ist, dies so gut wie möglich zu akzeptieren und damit umzugehen zu lernen.