Also auf die Gefahr hin, dass das jetzt sehr lang wird... Ich kann auch nicht mehr alle einzelnen Fragen genau zuordnen, hoffe aber, vielleicht für etwas mehr Klärung zu sorgen und die zu befrieden, die mir Salami-Taktik vorwerfen.
Warum ich in diesem Forum geschrieben habe, was ich erwarte/erwartet hatte:
Keine moralische Bewertung, sondern eher Leute, die vielleicht ebenso in eine Sackgasse geraten sind. Erfahrungen. Mein Ziel ist, mit meinem langjährigen Lebensgefährten wieder sowas wie Glück zu empfinden. Ich suche den Weg dahin. Zufrieden zu sein. Ohne meine Bedürfnisse komplett zu vergessen. Platt gesagt: Warum fühle ich mich von meinem Partner überhaupt nicht mehr geliebt? Warum empfinde ich ihn als jemanden, der nun mal da ist, was nicht schlimm, aber auch nicht besonders toll ist. Warum schaffe ich es nicht, ihm nach so vielen Jahren offen zu sagen, wie ich mich fühle und was ich für einen Irrsinn mache in den letzten Monaten? Dass ich aber gerne mit ihm alt werden möchte?
Mein Verhalten würde ihn zutiefst verletzten, zu Recht. Aber er ist sehr bequem, er hasst Gespräche über Gefühle und Probleme, er sitzt alles aus, er wird nie laut, er streitet nie für seine Positionen. Er zeigt seine Gefühle nicht. Deshalb weiß ich nicht mal genau, wie's ihm geht. Also im Inneren. Ich möchte ihm meine letzten Monate oder Jahre nicht beichten. Ich möchte für mich selbst einen Weg finden.
Hier liegt vielleicht schon ein Fehler. Ich habe oft Angst, Menschen zu enttäuschen. Wenn mich jemand anruft, den ich nicht besonders mag, der aber irgendwie den Kontakt zu mir sucht, geh ich ans Telefon und bin freundlich, zugewandt. Ein Freund hat mal zu mir gesagt, warum sagst Du nicht ehrlich, dass Du keine Lust auf die Einladung zum Kaffee hast und dass Du auch keine Lust hast, Dich mit ihren Problemen auseinanderzusetzen? Nur weil Du Angst hast, dass diejenige dann schlecht über Dich denkt. - Und das trifft es ziemlich genau.
Mein Vater hatte -zig verschiedene Frauen, meine Mutter musste sich immer durchkämpfen, vor allem finanziell, aber auch emotional. Ich hab studiert, einen Beruf gelernt, gearbeitet. Immer sehr viel, immer irgendwie an der Grenze. Rückblickend weiß ich selbst nicht so genau, wie ich das eigentlich gemacht habe, mit den Kindern, einem ziemlich harten Vollzeit-Job und einem Mann, der beruflich sehr viel unterwegs ist. Geld war für mich nie etwas, das man hat, um sich etwas zu gönnen. Geld hieß für mich Sicherheit und Unabhängigkeit, kein dickes Auto, keine teuren Reisen, keine Klamotten, die nicht gebraucht werden. Mein damaliger Chef hat mich mal angesichts meines alten Kleinwagens und sonstiger Anzeichen von kommt gerade so durch gefragt, was ich eigentlich mit meiner ganzen Kohle mache. OK, das ist zwanzig Jahre her. Aber so kann man dann auch irgendwann ein Haus kaufen (und zwar da, wo es nicht 2,3 Millionen kostet, außerdem muss man ja auch kein nagelneues Haus kaufen, gell?)
Ich habe immer gedacht, das ist alles OK so. Habe nie dran gezweifelt, dass ich alles richtig mache. Dreh- und Angelpunkt der Familie. Ohne mich läuft nichts hab ich mir eingebildet und fühlte mich auch noch gut dabei. Ich wurde nämlich gebraucht, vom Chef, vom Mann, von den Kindern. Kind krank ich zum Arzt und Arbeit eben nachts. Ärger in der Schule Mutti macht. Alle Versicherungen abgeschlossen und bezahlt klar. Autos in die Werkstatt, ich kümmere mich. Kaputte Waschmaschine, Kindergeburtstag, Hund kotzt den Teppich voll, Klamotten für den Abi-Ball, alles meine Baustellen.
Irgendwann kam Unzufriedenheit. Alle haben sich auf mich verlassen. Und was mir einst so wichtig war, wurde mehr und mehr zur Last. Das passiert nicht von einen Tag auf den anderen. Ich hab versucht, vergeblich, Rollenmuster zu verändern. Das, was ich selbst über Jahre geschaffen hatte, passte mir nicht mehr. Die Familie reagierte irritiert. Ich konnte es nicht vermitteln, ich wusste selbst nicht, warum ich mich plötzlich auch gerne mal zurückgelehnt oder angelehnt hätte. Ich fühlte nichts mehr, hab das aber damals nicht wahrgenommen. Aber ich wollte etwas anderes, und an dieser Stelle begann dieser ganze Mist.
Zumindest mal wieder S. , dachte ich. Und weil ich keine Affäre oder sowas wollte, hab ich gezielt jemanden gesucht, dem es ähnlich geht. Das war spannend, zugegeben. Ich fand jemanden, mit dem es klare Absprachen über das Verhältnis gibt. Verkürzt und überspitzt gesagt (bitte keinen Nebenschauplatz aufmachen) ist es so, als würde ein Mann einfach alle vier bis sechs Wochen zur gleichen Vergnügungsdame gehen. Außer eben, dass kein Geld gezahlt wird, weil wir beide Spaß dran haben. Wir gehen auch mal ins Kino oder zum Schwimmen, wir reden auch über unsere Familien zuhause, über die Arbeit. Wir mögen uns, aber wir würden nie zusammen leben wollen. Es geht nie über Nacht, es ist wie ein Tag Urlaub, und ich bin für diese paar Stunden jemand anders.
Zwischenzeitlich hat mich das zufriedener gemacht. Irgendwie fühlte ich mich sogar ganz gut, ich hatte für mich einen Weg gefunden, zumindest ein Bedürfnis oberflächlich zu stillen, ohne zuhause ein Fass aufzumachen. Es gab wieder bisschen Spannung im Leben, und der S. war toll. (Rückblickend denke ich inzwischen auch, ich wollte nur alles unter Kontrolle behalten, und die Zufriedenheit hab ich mir eingeredet. Ja.)
Zuhause brauchte man mich allerdings immer weniger. Ein Kind ausgezogen, die anderen sehr selbstständig, der Mann zufrieden mit sich. Bei der Arbeit gab es Probleme, neue Strukturen, und plötzlich wurde ich da auch nicht mehr gebraucht. Mein Geschäftsbereich fiel weg. Es folgten Burnout, Depressionen, Medikamente, Therapie. Auch das jetzt sehr verkürzt: es hat sehr viel gebracht, ganz neue Einsichten und Erkenntnisse. Ich hab Vieles geändert in meinem Leben, nur die Unzufriedenheit in der Partnerschaft, die blieb. Es gab mehrere Versuche, unterstützt vom Therapeuten (dem ich nichts verheimlichte), meinen Partner in die Therapie einzubeziehen. Er wollte aber nicht, hielt es für überzogen und nicht notwendig, dass er da mitkommt.
Ich war einerseits sehr enttäuscht, hab aber gedacht, wenn man immerhin einen Großteil grundlegender Dinge ändert (es klingt jetzt so locker, das war ein langer Prozess), kann man damit auch ganz gut leben. War wohl ein Trugschluss. Sonst hätte ich mich nicht verliebt. Das entwickelte sich langsam, und ich fühlte mich manchmal wie ein Beobachter, nicht wie eine Beteiligte. Der Mann ist fast im Rentenalter. Ich bekomme von ihm Fürsorge. Das ist alles. Fürsorge und Liebe. Und das bekommt er auch von mir. Vielleicht nur wieder der alte Fehler, ich möchte gebraucht werden, gemocht werden, und wenn mir jemand dieses Gefühl gibt, nachhaltig und überzeugend, dann ist das der stärkste Magnet für mich. Ich würde mit ihm nicht leben wollen, ich will auf keinen Fall, dass er sich von seiner Frau trennt.
Zum Ende: Ich brauche kein Mitleid und keine Absolution. Ich wünsche mir, dass ich für diese Lage einen Ausweg finde, an dessen Ende eine ausgeglichene Beziehung, im besten Fall wieder Liebe und gute Gefühle für den Vater meiner Kinder da sind. Und dass er von sich aus mal zeigt, ob ihm eigentlich noch etwas an mir liegt, abgesehen von sauberer Wäsche und Ähnlichem. Ich würde auch gerne wissen, ob ich notfalls einfach wieder in den Modus den Funktionierens zurückfallen kann, wie vor dem Zusammenbruch. Oder ob dann eventuell doch eine Trennung von meinem Partner die einzige Lösung ist.
Das war jetzt auch etwas Ballast abwerfen. Warum ich mich nicht von meinem Partner trenne, obwohl ich ihn zur Zeit nicht mehr liebe? Tja - weil er ein toller Mensch ist, und ich weiß ja, wie er mal war, damals, als wir noch 25 Jahre jünger waren. Klar haben wir uns beide verändert, und er ist sicher auch nicht rundum glücklich mit mir, glaube ich jedenfalls nicht. Mein Therapeut hat damals u.a. einen gemeinsamen Urlaub vorgeschlagen, irgendwo, wo er gerne mal hinmöchte. Wusste ich, Ungarn. Er hatte aber keine Zeit dafür. Fällt mir ein, da war noch eine Frage, was der Partner eigentlch macht. Er arbeitet, war nie Hausmann (wer hat das eigentlich so gehässig geschrieben? Sollte das heißen, ich wäre die dominante Karriere-Tante und er der untergebutterte Hausmann? Nein, absolut nicht. Und merkwürdigerweise ärgere ich mich über solche Vermutungen, während mein Mann (also der ledige Vater meiner Kinder) darüber schallend lachen würde. Das z.B. liebe ich an ihm.)
20.02.2020 23:27 •
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