Zum Nachdenken bei Liebeskummer

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Hallo,
hier mal noch eine interessante Zusammenfassung zum Thema Glück von Eric_Flausen auf single.de, mit dem ich auch persönlich in Kontakt stehe. Ein Kommentar des Verfassers soll hier gleich am Anfang stehen:

In einigen Kommentaren zu den vorherigen Artikeln wurde deutlich, wie groß die Ablehnung bei manchen ist, dass Glück erlernbar sein soll. Wieso stellt man sich nicht die Frage, ob an der Theorie etwas daran sein könnte? Ist die Angst vor neuen Erkenntnissen so groß? Weil man auf einmal selbst dafür verantwortlich ist und sogar noch etwas dafür tun müsste? Die Angst vor dem Risiko ist größer, als die Hoffnung auf mehr Glück
(Eric_Flausen)


Ist das GLÜCK ERLERNBAR ? Kapitel 1
Was tun wir für unser Glück?

So wichtig es für uns ist, so wenig tun wir wirklich dafür – für unser Glück. Die Wissenschaft weiß heute schon eine ganze Menge, wie Glück, Liebe entsteht. Dieses Wissen zeigt, dass wir tatsächlich eine Menge für unser Glück tun können.

Zuerst sollten wir aber etwas mehr verstehen, wie wir alle funktionieren. Erst dann kann der Nutzen, die Praxis kommen. Was ich hier versuche wiederzugeben, sind wissenschaftliche Ergebnisse. Ich habe dieses Wissen NICHT aus philosophischen Büchern, sondern aus einem Buch, dass sich im wesentlichen auf die Wiedergabe wissenschaftlicher Ergebnisse beschränkt (Die Glücksformel oder wie die guten Gefühle entstehen, Stefan Klein).

Ich bin gespannt, ob sich jemand mit mir unvoreingenommen auf diese Reise begeben mag. Dies hier ist das erste Kapitel. Sobald ich Zeit habe, folgen weitere. Ich schreibe das, weil ich mich gerade in einer extrem schwierigen Lebenssituation befinde und es hilft, sich alte Gedanken wieder ins Gedächtnis zu rufen. Ich schreibe es deshalb in erster Linie für mich selbst, weil es Spaß macht.

Also dann geht es los:

Kapitel 1: Das Geheimnis des Lächelns


Einführung

Die Depression droht zur Pest des 21. Jahrhunderts zu werden. Wir brauchen daher eine Kultur des Glücks. Aber nur wer das Glück kennt, kann es finden und seine eigene Glücksformel basteln. Teile des Gehirns, die Wohlbefinden erzeugen, können wie ein Muskel trainiert werden. Das Gehirn verändert seine Struktur durch Gedanken und den Umgang mit den eigenen Gefühlen. D.h. wir können mit den richtigen Übungen unsere Glücksfähigkeit steigern.

Bisher untersuchten Hirnforscher das Unglück: Wie entsteht Wut, Angst und Niedergeschlagenheit. Eine ganze Industrie profitiert davon mit Pillen gegen schlechte Stimmungen. Doch wie entstehen gute Gefühle, wie entsteht Glück? Dazu gibt es zwei neue Erkenntnisse der Hirnforschung: Wir haben ein Glückssystem mit Schaltungen für Freude, Lust und Euphorie. Und Gedanken und Emotionen verändern auch das Gehirn des erwachsenen Menschen.


Echtes Lächeln

Ein Forscher klassifizierte 19 verschiedene Weisen des Lächelns. Aber Achtung: 18 davon sind nicht echt. Nützlich sind sie trotzdem, um höflich zu sein, um gutes menschliches Miteinander zu ermöglichen. Aber nur eine Weise des Lächelns ist echt, wenn wir auch die Augen etwas zusammenkneifen, Lachfalten in den Augenwinkeln erscheinen und sich die oberen Hälften der Wangen heben. Aber gerade dieses eine echte Lächeln, diese Muskeln sind mit Willenskraft kaum zu steuern. Nur knapp zehn Prozent der Menschen beherrschen Ihre Gesichtsmuskeln so gut, dass Sie mit Willenskraft echt Lächeln können. Gerade für Schauspieler ein echtes Problem.


Glück entspringt dem Körper

Wie entsteht nun Glück? Man hat Dir ein Kompliment gemacht oder Du genießt gerade ein gutes Essen: Die guten Gefühle zeigen sich nicht nur im Gesicht. Ganz gleich, was Dich freut, der Körper reagiert darauf. Wenn man Glück empfindet, haben die meisten Menschen ca. 4 Herzschläge pro Minute mehr und das Gleichgewicht der Hormone verschiebt sich. Alles nimmt seinen Ausgang ebenso im Körper wie im Gehirn. Glück entsteht also NUR DANN, wenn das Gehirn die richtigen Signale von Herz, Haut und Muskeln empfängt und deutet. OHNE unseren Körper wären wir zum Glücklichsein außerstande. Diesen Gedanken mögen wir zunächst als Blödsinn abtun. Es scheint so zu sein, dass die Vorstellungswelt die entscheidende Rolle spielt. Doch das ist eine Täuschung: Gedanken, Erinnerungen, Hoffnungen ALLEIN lassen uns keine Emotionen erleben. ERST wenn sie sich mit den richtigen Körpersignalen VERBINDEN, können wir Freude empfinden. Das Glück entspringt also mindestens ebenso sehr unserem Körper, Armen und Beinen, Herz und Haut, wie unseren Vorstellungen und Gedanken. Deshalb sollten wir unseren Körper ernster nehmen, als wir es vielleicht tun.


Das Eigenleben der guten Gefühle

Das menschliche Nervensystem zerfällt in zwei Teile: Das willkürliche Nervensystem (z.B. um die Muskeln zu bewegen) und das unwillkürliche (autonome) Nervensystem (kontrolliert z.B. den Herzschlag). Für die Emotionen ist nun das unwillkürliche Nervensystem zuständig, deren Leitungen zu den inneren Organen, den Blutgefäßen, sogar bis zu den winzigen Hautmuskeln gehen, die unsere Körperhaare aufrichten. Dieser Teil des Nervensystems bewirkt, dass uns bei Angst die Haare zu Berge stehen und dass das Herz rast, wenn wir verliebt sind. Und da wir nun auf dieses unwillkürliche Nervensystem kaum Einfluß haben, können wir nicht einfach beschließen, glücklich zu sein. Dieses Nervensystem steuert all jene unbewussten Regungen des Körpers, aus deren Wahrnehmung das Gehirn DANN ERST DIE GUTEN GEFÜHLE ERZEUGEN kann. Die Emotionen sind also vom direkten Einfluß des Willens abgeschirmt. Wir können nur indirekt steuern, indem wir uns Gutes tun (z.B. angenehme Gedanken) und damit den Körper steuern, so dass dann gute Gefühle entstehen.


Wissenschaftler entdecken die Intuition

Läuft nun die Reaktion des Körpers den Gefühlen voraus wie eine Bugwelle dem Schiff? Wissenschaftler haben aufgezeigt, dass sich Freude, Widerwille, Angst und Wut tatsächlich zuerst im Körper abspielen. Bei Versuchen hat sich z.B. gezeigt, dass der Körper schon lange vorher Bescheid weiß, bevor der Verstand etwas davon mitbekommt. Bei Versuchen hat der Körper richtig gehandelt, obwohl die Versuchsperson nie mit dem Verstand den Grund dafür erfasst hat. Es gibt sie also, die Intuition, dieses seltsame Gefühl, bei dem wir vorher erahnen, bevor wir wissen. Solche Vorahnungen können wir deswegen nicht recht begründen, weil sie auf unbewussten Emotionen beruhen. Manchmal weiß der Körper mehr als der Verstand oder wie es der Philosoph Pascal ausdrückte: Das Herz hat Gründe, die die Vernunft nicht kennt.


Bilder aus der Innenwelt

Ein Gefühl erleben wir, wenn wir Emotionen bewusst wahrnehmen. Wie wird nun aus einer Emotion ein Gefühl? In Versuchen wurde das Gehirn mit einem Tomographen untersucht, während die Versuchsperson sich an freudige oder traurige Situationen erinnerte. Beteiligt an Freude oder Trauer waren die Hirnregionen, die ein Abbild des Körpers im Hirn erzeugen. Das Großhirn hat dann diese Emotionen mit unserer bewussten Wahrnehmung, Gedanken und Phantasien verknüpft und aus den Emotionen die Gefühle erzeugt. Jedes Gefühl - und damit auch das Glück - beruht demnach darauf, dass das Gehirn Körpersignale verarbeiten kann. Selbst in Momenten größter Seligkeit entstehen unsere Gefühle der Euphorie, indem wir unseren eigenen Körper wahrnehmen.


Macht Lächeln froh?

Reicht etwas Lächeln, damit die Welt freundlicher erscheint? Wenn Gefühle auf Körperzustände zurückgehen, dann kann man doch auch durch Beeinflussung des Körpers positive Gefühle erzeugen? Leider ist dieser Weg zur Heiterkeit nicht ganz so einfach. Ein höfliches Grinsen ist ja nicht gleichbedeutend wie ein ehrliches Lächeln. Bei einem echten Lächeln sind nun aber um die Augenwinkel Muskel beteiligt, die sich bei den meisten Menschen nicht willentlich steuern lassen. Diese Augenmuskeln, werden durch das unwillkürliche Nervensystem beeinflusst. Bei Versuchen hat man Menschen gelehrt, diese Augenringmuskeln zu trainieren. Das Ergebnis: Je besser die Versuchspersonen ihre Augenmuskel zu beherrschen lernten, umso mehr berichteten sie von guter Stimmung. Die Versuchspersonen wussten nur nicht, weshalb sie sich besser fühlten, weil man ihnen den Zweck der Übung nicht verraten hatte. Sie hatten Muskeln trainiert, die an das unwillkürliche Nervensystem angeschlossen sind, damit das Körperabbild im Gehirn beeinflusst wird und haben damit ihre Stimmung verbessert.


Ist das GLÜCK ERLERNBAR ? Kapitel 2
Die guten Gefühle als Kompass

Weshalb haben wir eigentlich Gefühle? Als Mensch, der nicht mehr fühlen kann, wurde Elliot bekannt. Er war ein erfolgreicher Jurist, ein guter Ehemann und Vater, bis ein Tumor sein Stirnhirn oberhalb der Nasenhöhle zerstörte.

Das Geschwür wurde entfernt und die Ärzte fanden bei Elliot keine Anzeichen einer Störung, er hat die Operation unvermindert überstanden. Seine Intelligenz war nicht beeinträchtigt, alle Reflexe funktionierten normal, er war genauso charmant, aufmerksam und witzig wie vorher - nur immer etwas unterkühlt. Trotzdem: Er war jetzt ganz anders. Er ließ sich nie aus der Ruhe bringen.


Der Mann ohne Gefühle

In vielen psychologischen Tests fand man heraus, dass Elliot durch die Operation ein Mann ohne Gefühle geworden war. Zeigte man im Bilder mit schlimmen Szenen, wusste er, daß das schlimm sein müsse, aber er fühlte es nicht mehr. Er konnte im Beruf seine Arbeit nicht mehr organisieren. Er grübelte an seinem Schreibtisch stundenlang, nach welchem Prinzip er die Akten sortieren sollte: Elliot konnte sich nicht mehr entscheiden, er hatte den Blick für das Wesentliche verloren, er konnte Informationen nicht mehr bewerten. Seine Intelligenz allein half ihm nicht, wenn er sich z.B. zwischen zwei scheinbar gleich guten Varianten entscheiden musste. Er musste sämtliche möglichen Folgen einer Entscheidung bis ans Ende durchdenken. Das dauert viel zu lange, auch weil wir nicht alles voraussehen können. Deshalb braucht der Verstand Hilfe durch die Gefühle. Elliot verlor seinen Job, sein Geld in finanziellen Abenteuern, seine Ehe zerbrach und er konnte nur in der Obhut seiner Schwester mit einer Invalidenrente überleben. Alles nur deshalb, weil er keine Gefühle mehr hatte.


Gefühlsblindheit (Alexithyme)

Quasi über Nacht wurden Gefühle zu einem der heißesten Themen der Neurowisssenschaft. Wohl kaum ein psychologisches Phänomen erschüttert das menschliche Miteinander so, wie die Gefühlsblindheit. Jeder zehnte kennt weder Glück noch Trauer. Der Grad der Gefühlsverarmung ist sehr unterschiedlich. Da es nicht so wie bei Elliot immer eine körperliche Funktionsstörung ist, ist diese Gefühlsverarmung nach den neuesten Erkenntnissen durchaus therapierbar.

Gefühlsforscher vermuten, dass Gefühlsarme einfach nie gelernt haben, ihre Körpersignale als Gefühle zu deuten. Typisch ist z.B. vor einer Prüfung, statt Angst zu haben, Durchfall zu bekommen. Gefühlsarme müssen lernen, dass Gefühle haben, nichts Schlimmes ist. Diese Erkenntnisse haben in jüngster Zeit die Behandlung von Gefühlsblinden dramatisch verändert.

Die Erkenntnis ist, dass Gefühlsblinde durchaus Gefühlsinformationen haben, diese aber abblocken, bevor es das Gehirn vollständig verarbeiten kann. Wie im vorherigen Kapitel erläutert, macht sich der Mensch ständig ein Bild seiner selbst und baut sich im Gehirn eine Art Karte seines Körpers zusammen. Wenn diese Gefühlsinformationen nun nicht in das Bewusstsein vorgelassen werden, können keine Gefühle empfunden werden.


Gefühle machen uns flexibel

Wo der Kopf lange Ketten von Für und Wider bildet, hat der Bauch ohne Angabe von Gründen längst entschieden. Urteile aus dem Gefühl speisen sich nicht aus logischen Schlüssen, sondern aus zwei Quellen, die beide aus der Vergangenheit entspringen: Intuition und Erfahrungen.

Emotionen entstanden im Lauf der Evolution, um auf einfache Fragen eine schnelle Antwort zu finden: soll ich vor den Angriff einer Schlange fliehen oder zum Gegenschlag ausholen. Die meisten Probleme, die wir Tag für Tag zu lösen haben, sind verwickelter. Eine schnelle Antwort aus dem Bauch macht viele zwischenmenschliche Schwierigkeiten nur noch schlimmer.

Erstaunlicherweise benötigen wir aber Gefühle, um überhaupt vernünftig handeln zu können. Das Gehirn trifft eine Entscheidung unter Berücksichtigung, wie wir uns in diesem oder jenen Fall wahrscheinlich fühlen würden. Wenn nun Gefühle fehlen, kann das Gehirn nicht vernünftig entscheiden. Selbst, wenn wir mit unserem Wissen Regeln durchschauen, nutzen wir dieses Wissen nicht, wenn die Gefühle nicht mit beteiligt sind. Obwohl Elliot alles mit seiner Intelligenz durchschaut hatte, die mangelnde Risiko-Furcht durch fehlende Gefühle hat seinen finanziellen Ruin bedeutet.


Eine Vorliebe für Tragik

Glück und Unglück sind Lehrmeister, mit denen die Natur uns erzieht. Das Vergnügen ist umso stärker, je mehr wir vorher Mangel gelitten haben. Diese Steuerung aus Lust und Unlust strebt aus biologischen Gründen danach, den Organismus im optimalen Betriebszustand zu halten. Deshalb überwiegt Schmerz fast immer alle anderen Affekte. Generell erleben wir negative Gefühle intensiver als positive und die unangenehmen Affekte werden auch leichter ausgelöst. Es ist leichter, uns mit einer traurigen Geschichte zu rühren, als uns mit einem lustigen Film zum Lachen zu bringen. Der Mensch hat eine Vorliebe für Tragik. Wir scheuen das Risiko stärker, als wir das Glück suchen.


Weshalb es das Glück nicht gratis gibt

Weil wir Glück oftmals nur noch als angenehmen Zustand verstehen, fällt es vielen nicht leicht, zu verstehen, was Glück wirklich bedeutet. Wir neigen dazu, Glück als Genuss ohne Vorgeschichte und ohne Kosten zu begreifen, nicht als einen Prozess. Das ist unrealistisch, wie die Wissenschaft jetzt belegt. Nach allem was wir heute über unsere Seele wissen, kann es positive Emotionen nicht gratis geben. Gute Gefühle sind kein Schicksal, man kann und muss sich darum bemühen.

Das Unglück kommt von allein, um das Glück müssen wir uns bemühen. Viele Menschen heute sehen das Glück als etwas Schicksalhaftes, als etwas, das von außen über uns kommt oder eben nicht. Aber schon Aristoteles schrieb: Glück ist die Folge einer Tätigkeit. In einem aktiven Leben liegt das Geheimnis von Freude und Erfüllung. Die Neurowissenschaft bestätigt also unsere alten Denker.

(Der Artikel ist nicht kopiert, sondern eine von mir vorgenommene sehr komprimierte Zusammenfassung folgender Quellen: Die Glücksformel von Stefan Klein; Der Spiegel 1.12.03: Blind für Wut und Freude von Veronika Hackenbroch)
(Eric_Flausen)

Fortsetzung folgt!

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14.01.2004 13:14 • #76


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Fortsetzung:


Ist GLÜCK ERLERNBAR? Kapitel 3
Das Glückssystem

Die Erde ist eine Scheibe! So ungefähr ist unser Wissensstand, was unsere Emotionen betrifft. Heute lest ihr u.a. etwas über Don Camillo und Peppone, über den Aus-Schalter für die schlechten Gefühle und darüber, wie verhängnisvoll gute Gefühle sein können.
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Dieser Artikel baut auf die vorhergehenden auf. Manche von euch mögen sich nun fragen, weshalb man sich mit all diesen Dingen beschäftigen soll. Wo soll der konkrete Nutzen sein? Ob man das alles nun weiß oder nicht, was bringt mir das? Doch, es ist schon so: Mithilfe von diesem Wissen kann man tatsächlich glücklicher werden.

Trotzdem bleibt die Frage: Weshalb nicht gleich das Ergebnis darlegen? Weshalb das ganze Gerede vorher?

Einfach deshalb, weil man ein Haus auch nicht mit dem Dach anfängt. Einfach deshalb, weil man sonst das Ergebnis nicht richtig verstehen würde. Wenn wir einen Lebenstrainer hätten, müssten wir von all dem nichts wissen. Aber diesen Trainer haben wir nicht. Ganz unabhängig davon, macht es doch auch Spaß, etwas mehr von uns selbst zu erfahren. Oder etwa nicht?


Der große Irrtum

Wenn nun endlich der Richtige/die Richtige gefunden wäre, dann würde sich alles weitere schon finden. Wenn nur das Ungemach, dass uns gerade plagt, beendet wäre, ja dann, dann würde sich das Wohlbefinden so ganz von selbst einstellen.

Es ist die Vorstellung, dass ein Leben ohne Leid automatisch zum Glück führt. Doch das ist ein Irrtum. Man weiß heute, dass das Gehirn selbstständige und unterschiedliche Systeme für positive und negative Gefühle hat. Um sich gut zu fühlen, reicht es daher keineswegs, einfach nur frei von Leid zu sein.


Glück ist nicht das Gegenteil von Unglück

Schlechte Gefühle schließen gute Gefühle nicht aus. Stell Dir vor, dass Du mit einer Gehaltserhöhung von 200 Euro rechnest, aber tatsächlich nur 100 Euro bekommst. Du ärgerst Dich, dass Deine Leistungen nicht richtig anerkannt werden. Gleichzeitig freust Du Dich über die Gehaltserhöhung. Dermaßen doppeldeutig fühlen wir häufig. So verschmilzt der positive Affekt der Freude mit der Wut. Es gibt Angstlust, wenn wir einen Horrorfilm sehen. Es gibt Hassliebe, wenn man gerade mal die vergötterten Kinder zum Teufel wünscht.

Wenn wir ans Essen denken, macht oft diese Ambivalenz den Reiz einer Speise aus: Bittersüße Schokolade, chinesisches süß-sauer. Wenn es um unsere komplizierten Gefühle geht, besteht die Lebenskunst darin, das Glück im Unglück und das Unglück im Glück zu erkennen.


Don Camillo und Peppone

Auch wenn es immer wieder behauptet wird, es trifft nicht zu, dass eine Gehirnhälfte für Gefühle und die andere für die Vernunft zuständig ist. Vielmehr beschäftigen sich beide Hirnhälften mit der Verarbeitung von Emotionen: Die rechte Seite für Unangenehmes, die linke Gehirnhälfte ist für die frohen Botschaften zuständig. Positive Gefühle sagen uns, was wir tun, negative Gefühle, was wir lassen sollen.

Mrs. Dodds war nach einem Schlaganfall in der rechten Hirnhälfte halbseitig gelähmt. Von dieser Lähmung wollte sie nicht nur nichts wissen - sie wusste tatsächlich nichts davon. Als der Arzt fragte, ob sie in die Hände klatschen könne, sagte sie: Selbstverständlich. Dann schlug Mrs. Dodds mit der intakten Hand in die Luft und behauptete im vollem Ernst, sie klatsche doch. In ihrem Gehirn, war nur noch die linke Hirnhälfte aktiv, die eine überschäumende positive Sicht der Dinge lieferte. Die rechte Hirnhälfte funktionierte nicht mehr, die sie auf den Boden der Tatsachen gebracht hätte.

Dieses Verhalten ist oft bei Schlaganfallpatienten zu beobachten: Menschen, die den Schlag im linken Vorderhirn erhalten haben, versinken häufig in schwere Depressionen. Menschen, die den Schlag im rechten Vorderhirn erhalten haben, verfallen in dauernde Fröhlichkeit. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn dabei nicht auch der Bezug zur Wirklichkeit abhanden kommen würde.

Bei Säuglingen, denen Wissenschaftler Zitronensaft einflößten, reagierten die rechten Hirnhälften, bekamen sie süße Getränke, wurde die linke Gehirnhälfte aktiv. Die gleichen Reaktionen zeigten sich im Gehirn von Erwachsenen, denen man einmal Erfreuliches und einmal Unerfreuliches zeigte.

Die Hirnsysteme für negative und positive Empfindungen sind so miteinander verbunden, daß ein gutes Gefühl schlechte verhindern kann und umgekehrt. Ständig kommt es im Gehirn zu Machtproben zwischen widersprüchlichen Regungen. Die negativen und positiven Emotionen können dabei miteinander, nebeneinander und gegeneinander arbeiten. Ständig geht es zu wie bei Don Camillo und Peppone, Spieler und Gegenspieler. Dieses Prinzip ist sogar in jedem einzelnen Neuron verwirklicht. Wir haben 10 Milliarden dieser winzigen Schaltstellen im Kopf, mehr, als Sterne in der ganzen Milchstraße funkeln.


Ein/Aus-Schalter für Ärger und Wut

Lust und Schmerz sind ewige Rivalen und liegen im ständigen Wettstreit um die Seele. Das Gehirn hat nun einen Schalter, um Ärger einfach abzuschalten. Neuropsychologen vermuten, dass dieser Schalter dazu da ist, dem Körper zu sagen, der Warnruf ist im Bewusstsein angekommen, Körper und Geist können sich daher wieder beruhigen. Das Schöne dabei: Diesen Schalter kann man mit etwas Training willentlich betätigen.

Diese Regelung der Emotionen ist oft eine Sache von Zehntelsekunden. Ist es in dieser kurzen Zeit nicht gelungen, die Emotionen richtig einzuschätzen, können die negativen Empfindungen eine Eigendynamik entwickeln. Man muß seine Gefühle einen Moment lang bewusst wahrnehmen, dann aber beiseite schieben und einfach zur Tagesordnung übergehen. Es mag nach übermenschlichen Herausforderungen klingen, es lässt sich aber trainieren.

Dagegen steht unsere bisherige Auffassung von Emotionen, die aus dem vorletzten Jahrhundert stammt und die inzwischen so überholt ist wie der Glaube, die Erde sei eine Scheibe. Diese falsche Meinung sieht das Gehirn wie einen Dampfkessel, in dem sich negative Gefühle als Druck aufstauen und abgelassen werden müssen. Wein Dich aus! ist so eine wohlmeinender falscher Rat. Natürlich tut es oft gut, seine Erlebnisse auszusprechen und seine Gefühle jemanden anzuvertrauen. Aber es schadet, sich in den Ausbruch negativer Emotionen hineinzusteigern. Keinem Wissenschaftler gelang es jemals, Belege für eine entlastende Wirkung von Wutausbrüchen zu finden. Studien ergaben, dass Wutanfälle die Wut noch steigern und Tränen uns noch tiefer in die Depression hineintreiben können.


Über das sonnige Gemüt

In der Kontrolle der negativen Emotionen liegt eines der Geheimnisse des Glücks. Menschen mit einer starken Dominanz der linken Gehirnhälfte werden nicht nur leichter mit den Unannehmlichkeiten des Lebens fertig, sondern können auch Krankheiten besser abwehren. Sie haben mehr Killerzellen im Blut, ein besseres Immunsystem. Wer seine negativen Gefühle kontrolliert, kann die Aktivität der linken Gehirnhälfte steigern und lebt damit glücklicher und gesünder. Auch bei Erwachsenen kann sich das Gehirn noch wandeln. Mitunter kommt der Anstoß dazu von außen; neue Erfahrungen verändern oft unser Erleben. Aber das Gehirn kann sich sogar selbst umprogrammieren. Bei einer Versuchsperson wurde die stärkste jemals gemessene linke Gehirnaktivität festgestellt - ein Mönch hatte 10.000 Stunden Meditation hinter sich.

(Diese Artikelserie er ist eine von mir vorgenommene sehr komprimierte Zusammenfassung aus dem Buch: Die Glücksformel von Stefan Klein. Es sind die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnise der Philosophen und Psychologen, der Mediziner, Neurophysiologen und Verhaltensforscher.)


Ist GLÜCK ERLERNBAR? Kapitel 4
Das formbare Gehirn

Daß Menschen freiwillig Chilies verzehren ist bemerkenswert. Kein Tier würde je eine Speise anrühren, die Schmerzen erzeugt. In Mexiko verhungern Ratten lieber, als sich scharfe Speisereste aus den Mülltonnen zu holen. Menschen und die Gefühle hingegen sind flexibel: Wir können lernen, uns an etwas zu erfreuen, was uns vorher zuwider war.
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Chili ist die einzige essbare Frucht, die zurückbeißt, so drückte es ein indischer Schriftsteller aus. Die Pfefferschote reizt die Schleimhäute und greift die Nervenrezeptoren an, die sonst nur auf Hitze ansprechen. Darum der brennende Schmerz. Doch mehr als eine Milliarde Menschen genießt genau dieses Gefühl. Mexikaner, Inder und Thais geben gemahlene Pfefferschoten nicht messerspitzen-, sondern löffelweise ins Essen. Wer also Chilies mag, hat gelernt, diesen Schmerz zu lieben.

Kaum etwas ist so tief in unsere Gehirne einprogrammiert, wie Freude am Süßen und die Abneigung gegen Bitteres. Diese Vorlieben teilen wir mit Mäusen, Katzen und Affen, denn sie ist ein Erbe der Evolution. Alle Versuche, Tieren den Widerwillen gegen scharfes Futter abzudressieren scheiterten. Menschen sind flexibel, sie können lieben lernen, was ihnen vorher zuwider war. Dabei wird das Gehirn umprogrammiert, die Verdrahtung ändert sich. Daß dies so möglich ist, haben Wissenschaftler noch vor Kurzem nicht geglaubt.


Die Welt entsteht im Kopf

Man hat geglaubt, dass die komplizierte Gehirnstruktur bei der Geburt festgelegt wird und sich im Laufe des Lebens kaum mehr ändert. Aber das ist falsch. In Wahrheit ist unser Gehirn so wandlungsfähig wie kein anderes System, das die Natur hervorgebracht hat.

Wer nicht unter dem Schmerz von Chilies im Mund leiden will, kann entweder allzu scharfe Speisen meiden oder das Brennen auf der Zunge geniessen lernen. Wir können also nicht nur die Reize ändern (z.B. unsere Lebensbedingungen), sondern auch die Art, wie unser Gehirn darauf reagiert. Unser Hirn ist ein Organ, das sich zum größten Teil mit sich selbst beschäftigt; Empfindungen sind zum größten Teil hausgemacht. Auf dieser Erkenntnis beruhen die bewährtesten Verfahren der Psychotherapie.

Besonders die Verhaltenstherapie setzt darauf, Patienten durch Übungen beizubringen, auf eine Situation mit anderen Emotionen zu antworten. Ziel ist meistens negative Emotionen zu bändigen, wie die Angst vor Spinnen. Ähnliche Methoden lassen sich aber auch nutzen, um die guten Gefühle zu stärken. Schaltungen im Kopf sind so eng miteinander verknüpft, daß Ereignisse wieder auf sich selbst zurückwirken können. Es kommt eine Aufwärtsspirale in Gang, die das Gehirn zunehmend verändert: Wir lernen gute Gefühle.

Mir ging es z.B. so, dass ich Hummer nicht essen konnte. Mir wurde alleine vom Geruch übel. Ich habe angefangen, mal einen Löffel Hummersuppe runterzuwürgen. Ich war glücklich, als ich drei Löffel Hummersuppe schaffte, ohne dass mir davon übel wurde. Nachdem ich dann mal einen ganzen Teller schaffte, begann ich den Geruch und den intensiven Geschmack zu mögen. Heute läuft mir das Wasser im Mund zusammen, wenn ich an Hummer denke.

Die Welt, wie wir sie wahrnehmen entsteht in unserm Kopf: Wenn wir einen Apfel essen, spüren wir sein köstliches Aroma auf der Zunge. Tatsächlich können wir aber mit zugehaltener Nase und verbundenen Augen beim Hineinbeißen eine rohe Kartoffel kaum von einem Apfel unterschieden.


Das Gehirn neu verdrahten

Im Gehirn fügt sich zusammen was zusammengehört. Damit man sich nicht mehr an einer heißen Herdplatte verbrennt, ist eine Verbindung zwischen Herd und heiß entstanden. Pawlow hat 1904 den Nobelpreis dafür erhalten, weil er ein Metronom ticken ließ, wenn Hunde ihr Fressen bekamen. Nach einer Weile lief den Hunden der Speichel aus dem Mund und der Magen begann zu arbeiten, wenn die Hunde nur ein Metronom hörten und es gar kein Fressen gab. Es ist die Verbindung Metronom und Fleisch entstanden. Dieser Aufbau von Verknüpfungen heißt Lernen, Hunderte von Verknüpfungen verändern sich ständig. Wenn Du diesen Artikel gelesen hast, sieht Dein Gehirn anders aus als vorher. Innerhalb kürzester Zeit wachsen an den Nervenzellen Knubbel und neue Synapsen entstehen. Je nachdem, um was es sich dreht, geschieht dies automatisch oder durch Wiederholungen (durch Lernen).

Auch Gefühle hinterlassen ihre Spuren im Gehirn. So wie ein Tropfen Wasser keine große Bedeutung hat, aber ein stetiges Tropfen einen Stein aushöhlen kann, so graben sich mit der Zeit Strukturen in das Hirn: Fröhlichkeit kann zur Gewohnheit werden, Missmut ebenso. Wer Wut seinen freien Lauf lässt, wird nächstes Mal noch wütender reagieren. Wer sich in Selbstbeherrschung übt, reagiert zukünftig gelassener und negative Emotionen entstehen dann erst gar nicht. Solch ein Training verändert das Gehirn und der Umgang mit den eigenen Gefühlen fällt allmählich leichter.


Alles im Fluß

Die antiken Philosophen betrieben regelrechte Glücksschulen: Unglück kontrollieren und Glück lernen. Askesis nannten die Philosophen des antiken Griechenlands dies. Auf Altgriechisch heißt akesis einfach nur Übung. Alles ist Übung soll schon Periandros gesagt haben, der im siebenten Jahrhundert vor Christus zu den ersten bekannten Philosophen überhaupt zählte. Heute denken wir bei Askese meist an Abtötung der eigenen Person und haben Bilder von Fastenden im Auge. Doch diese Bedeutung dieses Wortes ist erst im Mittelalter entstanden. Askesis, Training, Wiederholungen, das ist eines der Geheimnisse: Üben, gute Gefühle zu erleben und schlechte zu vermeiden.

Wie schnell Gewohnheiten ganze Bereiche des Gehirns verändern können, zeigt das Beispiel von Blinden: Weil Blinde mit dem Zeigefinger die Blindenschrift lesen, ist im Gehirn deutlich mehr Platz für den Tastsinn des Zeigefingers, als bei Sehenden. Man hat beobachtet, dass diese Veränderung innerhalb weniger Stunden geschieht. Haben die Blinden ein paar Tage nicht mehr gelesen, schrumpfen diese Bereiche für den Zeigefinger wieder.

Daß sich ganze Hirnreale so rasch umformen ist ein ganz alltäglicher Affekt. Allerdings sind nicht alle Systeme im Gehirn so flexibel wie der Bereich für den Tastsinn. Manche brauchen Wochen oder gar Jahre und manche Hirnbereiche sind unveränderbar, die nur in bestimmten Lebensbereichen wie in der Kindheit festgelegt werden.


Der Jungbrunnen im Kopf

Der Umbau im Gehirn erfolgt in mehreren Schritten. Für eine Langzeitverknüpfung ist es notwendig, dass gleiche Reize öfters auftreten. Mithilfe der Botenstoffe Serotonin und Dopamin (Hormone) wird eine feste langandauernde Verknüpfung erzeugt. Interessant dabei ist, dass es die gleichen Botenstoffe sind, die wesentlich für die guten Gefühle verantwortlich sind. Dieselben Substanzen, die also eine Schlüsselrolle beim Umbau des Gehirns haben, lassen uns auch Lust, Genuss und Sympathie erleben. Regelmäßig etwas tun, bewegen und lernen verändert unser Gehirn und erzeugt dazu Substanzen, um sich gut zu fühlen.

Aber noch etwas kommt hinzu: Diese Botenstoffe sind auch Nahrung, ohne sie sterben die Hirnzellen ab. Sind wir niedergeschlagen, sinkt der Serotoninspiegel; bei Depressionen sterben Hirnzellen. Umgekehrt halten positive Emotionen das Gehirn lebendig, weil damit reichlich der Botenstoffe Serotonin und Dopamin im Kopf zirkulieren und sich damit leichter neue Verknüpfungen aufbauen. Glück ist folglich ein Jungbrunnen für das Gehirn.

Verknüpfungen, die wenig aktiv sind, bekommen auch wenig Nahrung. Die untätigen Leitungen im Gehirn verschwinden allmählich. Talente, die wir nicht fordern, verkümmern. Das gilt für alle Leistungen des Gehirns: Gelernte Fremdsprachen oder unsere Wahrnehmung, so wie die Fähigkeit glücklich zu sein. Also kann und muß Glück ständig trainiert werden. Es gibt nur wenige Funktionen, die im Erwachsenenalter nicht mehr zu beeinflussen sind. Also können auch Erwachsene noch sehr gut den Umgang mit ihren Gefühlen lernen.

Man nimmt an, dass auch das Bewusstsein einen großen Einfluß darauf hat, wie Emotionen das Gehirn formen. Auch gute Gefühle entfalten wahrscheinlich eine umso stärkere Wirkung, je mehr wir uns bewusst mit den Emotionen befassen. Im Ergebnis stimmen die Philosophie des Ostens und die moderne Neurowissenschaft überein, dass unbewusste Emotionen eine große Bedeutung haben und der Geist durch bewusste Erfahrung geformt wird: Emotionen sind unbewusste Zustände des Organismus, Gefühle deren bewusste Wahrnehmung.


Der Wille zum Glück

Zu einer klugen Lebensführung ist nur fähig, wer seine Emotionen wahrnehmen, steuern und voraussehen kann. Glücksgefühle sind kein Zufälle, sondern die Folge der richtigen Gedanken und Handlungen. Das ist die Auffassung sowohl der antike Philosophie, als auch der modernen Neurowissenschaft, die beide an ein strenges Prinzip von Ursache und Wirkung glauben.

Unser gewohntes westliches Denken betont oft den Wert der richtigen Entscheidung: Wenn wir uns an den Scheidewegen unseres Daseins richtig handelten (z.B. einen neuen Lebenspartner haben), dann würde sich vieles zum Besseren wenden. Das ist falsch. Es kommt mehr darauf an, dass wir gute Gewohnheiten in uns verankern, weil diese die Seele formen.

Unser Augenmerk sollte also nicht in erster Linie darauf liegen, die Umstände zu ändern, sondern uns selbst. Alles weitere ergibt sich dann daraus, weil wir mit einer zum Glück bereiten Seele auch die äußeren Umstände besser im Griff haben oder besser verändern können.

Unsere Wahrnehmung vom Glück hängt weitaus mehr von der Weise ab, wie unser Gehirn empfindet, als von den äußeren Umständen. Aber, einmalige Anstrengungen genügen nicht, um diese Empfindungsweise zu ändern. Ist es nicht erstaunlich, dass wir bereit sind, viel für äußeren Umstände zu tun (Status, Karriere, Kinder etc.)? Doch wenn es darum geht, unsere Tage glücklicher zu erleben, sind wir mit unserer Energie seltsam knauserig.


Fußnote

Mit diesem Kapitel 4 ist der erste Teil Was ist Glück abgeschlossen. Mit Kapitel 5 beginnt der Teil 2 Die Leidenschaften. Literatur: Die Glücksformel von Stefan Klein mit den aktuellen Erkenntnissen aus den Wissenschaftslabors dieser Welt. Stefan Klein studierte Physik und Philosophie und promovierte über Biophysik. 1998 erhielt er den Holtzbrinck-Preis für Wissenschaftsjournalismus

wird fortgesetzt...

14.01.2004 13:19 • #77


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Zum Nachdenken bei Liebeskummer

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E
Fortsetzung:

Ist GLÜCK ERLERNBAR? Kapitel 5

Begehren

Sein Gesicht war mit 46 Jahren faltenlos, weil es nie einen Ausdruck zeigte. Leonard war eine lebendige Mumie: nach einer schweren Gehirnerzündung kurz nach seinem Studium war Leonard zu kaum mehr einer Bewegung fähig. Seine Glieder waren im Laufe der Jahre steif geworden, auch hatte er seine Stimme verloren. Die einzige Freude die blieb, war das Lesen, während ein Pfleger die Seiten umblätterte.

Sein Arzt experimentierte Anfang 1969 mit einem neuen Medikament, das dem natürlichen Botenstoff Dopamin ähnelt. Die Wirkung war so durchschlagend, dass Leonard schon nach zwei Wochen wieder laufen konnte. Leonard war berauscht von dieser Welt und war voller Energie. Er konnte wieder Auto fahren und stürzte sich ins Nachtleben seiner Heimatstadt New York. Er fühlte sich gut, so gut.

Aber Leonards Ekstase dauerte nur ein paar Wochen. Zuerst begann seine Freude in schmerzliche Sehnsucht umzuschlagen, dann in Gier. Mehr und mehr war er besessen von unstillbaren Wünschen nach Macht und S.. Er begann sogar die Nachtschwestern zu belästigen. Ich bin geladen und überladen, erklärte er. Seine Verfassung steigerte sich zur Raserei und er sah sich von Dämonen bedrängt. Er glaubte, dass er von einem Netz von Fangseilen umgeben war, die ihn erdrosseln sollten.

Alls er sich in seinem Wahn mit einem Kissen ersticken wollte, wurde das Dopamin-Medikament abgesetzt. Nach ein paar Tagen versteinerte Leonard wieder. In diesem Zustand starb er 1981, nachdem weitere Behandlungsversuche immer wieder denselben Irrsinn ausgelöst hatten.

Aber ohne ungewöhnliche Mengen an Dopamin (ob natürlich oder krankhaft oder durch Dro. ausgelöst) wären viele Kunstwerke niemals entstanden. Jean-Paul Sartre schrieb seine letzten Bücher in einem künstlichen Schaffensrausch. Weil der französische Philosoph im Alter zunehmend sein Augenlicht verlor und den Wettlauf gegen seine Blindheit gewinnen wollte, schluckte er Amphetamine, Dro., die den Dopamin-Spiegel heben.

Ein Zuviel an Dopamin kann Menschen ins Schattenreich der Phantasie führen: Wahnideen, man ahnt Bedeutungen, wo es in Wirklichkeit gar nichts gibt. Schwächer ausgeprägt aber beflügeln solche Regungen die Kreativität.



Der Stoff, der uns antreibt

Das Gehirn schüttet Dopamin immer dann aus, wenn wir etwas oder jemanden begehren. Dopamin ist der Stoff des Wollens, der Stoff für Aufmerksamkeit, Neugierde, Lernvermögen, Kreativität, Vorfreude und Lust auf S.. Dabei sorgt diese erstaunliche Substanz nicht nur für Erregung, sondern setzt auch die nötigen Systeme in Gang, um unsere Ziele zu erreichen, so dass wir motiviert, optimistisch und voller Selbstvertrauen sind. Dopamin stellt das Gehirn darauf ein, dass dem Entschluß Taten folgen - ohne Dopamin gehorchen unsere Muskeln dem Willen nicht. Es gibt kaum eine Situation, in der diese Substanz keine Rolle spielt. Im Supermarkt liegt frisches Obst, auf das wir gerade Lust haben - Dopamin wird frei. Unter dem Einfluß von Dopamin gibt das Gehirn den Befehl an die Muskeln, den Arm auszustrecken und nach den Äpfeln zu greifen.

Dopamin-Mangel lässt Menschen antriebslos werden, im äußersten Fall wie bei Leonard fast bis zur Leichenstarre. Überdosiert führt das Verlangen zur Besessenheit, Zielstrebigkeit zum Machtrausch, Selbstvertrauen zum Größenwahn und der Einfallsreichtum zum Irrsinn. Auch die guten Gefühle haben also ihre dunklen Seiten. Leonards Tragödie war, dass die Ärzte die Medikamente noch nicht richtig dosieren konnten. Das Medikament löste bei ihm die Mechanismen aus, die jeden Menschen durch sein Leben steuern. Übersteigert bis ins Groteske führt Leonards Schicksal vor Augen, wie Dopamin in uns allen wirkt. Dopamin fördert die Entstehung neuer Verknüpfungen im Gehirn: Es beeinflusst die Weise, wie die genetische Information in den Nervenzellen verarbeitet wird, und regt dadurch die Neuronen an, sich neu zu formieren.


Lob auf Vorfreude

Wissenschaftler wollten herausfinden, wie Dopamin Bewegungen beeinflusst, um Menschen zu helfen, die an der Parkinson-Krankheit leiden (bei Parkinson-Patienten ist der Dopamin-Haushalt gestört). Aber bei den Untersuchungen an Affen geschah nicht das Erwartete: Bei Bewegungen wurden nicht wie erwartet die Dopamin-Neuronen aktiv. Das Experiment war enttäuschend und wurde abgebrochen. Als Belohnung für den Test hat dann ein Mitarbeiter den Affen ein paar Apfelschnitze in den Käfig gereicht. Und pötzlich gingen die Neuronen los wie verrückt, wir konnten es gar nicht glauben, erzählte der Wissenschaftler. Die Forscher hatten per Zufall entdeckt, dass es einen Schaltkreis im Hirn für überraschende Ereignisse gibt. Ein System, dass beim Menschen die Spannung der Vorfreude auslöst.

Die Zellen sprangen tatsächlich nur an, wenn eine Belohnung in Aussicht stand. Man spricht deshalb von einem Belohnungssystem bzw. Erwartungssystem, das wir in uns haben. Es war also nicht der Apfelschnitz selbst, sondern die Erwartung, die Vorfreude. In der Erwartung liegt die größte Lust.


Lust macht schlau

Interessant ist nun, dass dieses Experiment mit den Affen und den Apfelschnitzen nicht beliebig wiederholbar ist. Die Tiere hatten sich an das bessere Futter gewöhnt, es war keine Überraschung mehr und deshalb gab es im Hirn auch kein Übermaß an Dopamin mehr. Gab man nun den Tieren, so wie vorher, keine Apfelschnitze mehr, zeigten sie Zeichen von Depressionen, es ging ihnen schlechter als ursprünglich. Aber nach einer Weile war das alles vergessen und es ging ihnen wieder ganz normal, so wie vorher. Der Dopamin-Haushalt war wieder ausgeglichen, als ob es nie Apfelschnitze gegeben hätte.

Begehren und Begreifen hängen also sehr eng zusammen. Lust macht klug und ohne Lust, ist schwer zu lernen. Etwas Neues machen und lernen regt an und setzt Mechanismen in Gang, um uns gut zu fühlen. Besseres zu wollen gehört zu den ältesten Prinzipien in der Natur. Das Bessere regelmäßig genossen, ist nichts Besonderes mehr und gibt uns kein besonderes Gefühl mehr. Sich jeden Abend einen Champagner zu leisten, wird schnell langweilig.



Der Drang nach mehr

Tief im Gehirn arbeitet also ein Detektor für Neues und Besseres. Dieser Mechanismus ist nun viel älter und mächtiger als die menschliche Vernunft und kann uns tückischerweise auch wider alle Vernunft handeln lassen. Wir sind programmiert, immer das Beste zu wollen. Doch wenn wir es haben, gewöhnen wir uns schnell daran.

Wir lassen uns zu Gefühlsausbrüchen bei einem Spiel hinreißen, obwohl es doch um gar nichts geht. Offenbar fragt der Mechanismus nicht, wie nützlich etwas ist, er will einfach nur haben, wo immer es etwas gibt. Gute Gefühle auf Dauer sind dabei gar nicht das Ziel: Wichtig allein ist nur, dass das, was in Aussicht steht, das Gewohnte auf irgendeine Weise übertrifft.



Ist GLÜCK ERLERNBAR? Kapitel 6

Genuss und Sucht

Kein guter Liebhaber ist, wer auf schnellstmöglichem Weg sein Ziel zu erreichen sucht.
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Beim Menschen entstehen gute Gefühle auf zweierlei Wegen: Wenn er etwas will - oder wenn er etwas bekommen hat. Wir sind nicht daran gewöhnt, zwischen Wollen und Mögen zu unterscheiden: Wenn wir im Restaurant ein Gericht bestellen, werden wir nur das bestellen wollen, das wir auch mögen. Beide Regungen, Wollen und Mögen, Vorfreude und Genuss, erzeugt das Gehirn aber auf unterschiedliche Weise, es sind dabei sogar verschiedene Bereiche im Kopf zuständig.

Die Vorfreude, das Wollen wird durch Dopamin im Zentrum des Vorderhirns gesteuert. Wenn wir genießen, etwas mögen, sind dagegen Opiode (Opium ähnlich) in Teilen des Großhirns beteiligt (das Großhirn ist für die bewusste Wahrnehmung zuständig).



Die Boten der Euphorie

Jeder Genuss ist ein Rausch. Egal, ob wir uns an einer heißen Dusche erfreuen, an einem guten Essen oder am S., - bei all diesen Wohlgefühlen sind dieselben Mechanismen im Spiel und dieselben Schaltkreise im Gehirn dafür verantwortlich. An der Entstehung aller Genüsse sind die Opiode beteiligt.

Das Gehirn stellt Dro. her, die dem Morphium ähneln und die Wohlgefühle auslösen. Ohne Opiode wäre die Welt schrecklich grau, man fühlt nichts mehr. Das Gehirn stellt aber auch Dro. her, die das Gegenteil bewirken: Empfindungen des Abscheus. Diese Dro. werden unter dem Begriff Opiode zusammengefasst: Opiode für Wohlgefühle (Endorphine, Enkephaline) und Opiode für Abscheu (Dynorphine).

Noch im 19. Jahrhundert war es medizinische Praxis, Ängste und Depressionen mit Opium zu behandeln. Lebensfreude pur spüren wir unter den Opioden Endorphine und Enkephaline. Alles erscheint freundlich und hell und wir könnten die ganze Welt umarmen. Traurig zu sein, ist schier unmöglich. Sind die Gegenspieler Dynorphine im Spiel, haben wir scheußliche Empfindungen, Schüttelfrost, Schwäche, rasende Gedanken und sogar den Verlust der Selbstkontrolle. Für manche Versuchspersonen waren die Erfahrungen unter dem Einfluß der Dynorphine so schrecklich, dass sie sich am liebsten aus dem Fenster gestürzt hätten.



Schmecken, Ursprung der Genüsse

Doch die guten Gefühle kommen nicht von den Opioden alleine. Der ganze Körper ist darauf eingerichtet zu genießen. Nichts zeigt das so deutlich, wie die Freude am Essen, wie sehr der Mensch für das Glück gebaut ist. Insgesamt leiten mehr als 100 000 Nervenfassern die Signale aus 3000 Geschmacksknospen, mit jeweils etwa 50 Sinneszellen zum Gehirn weiter. Im Gehirn wird daraus Vergnügen. Die Natur hat die Gefühle erfunden, um uns zu nützlichem Verhalten zu verführen. Wenn uns etwas Gutes zustößt, schüttet unser Gehirn Endorphine aus, bei üblen Erfahrungen Dynorphine.

Schön ist es auch gestreichelt zu werden. Nicht nur Menschen, auch Affen, Katzen und Meerschweinchen lassen sich dadurch beruhigen. Interessanterweise dient diese Opiod-Schwemme bei Berührung weniger dazu, Lustgefühle zu erzeugen, sondern eher Angst zu lindern. Eine Massa. kann Wunder wirken, wenn wir uns einsam oder niedergeschlagen fühlen.



Der Weg in die Harmonie

Genuss ist ein Signal dafür, dass der Organismus bekommt, was er braucht. Aber was brauchen wir? Wenn wir durstig sind, Wasser. Wenn wir hungrig sind, Essen. Wenn wir traurig sind, Zuspruch. Wann immer etwas zum Leben Notwendiges fehlt, stellt der Körper ein Defizit fest: Dynorphin wird ausgeschüttet, das Opiod des Unwohlseins.

Dynorphin ist z.B. dafür verantwortlich, dass wir Hunger als unangenehm empfinden. Der Drang setzt ein, etwas dagegen zu tun. Wir sehen ein Ziel, ein gebratenes Huhn. Das Gehirn schüttet Endorphin aus, als Vorgeschmack auf den erhofften Genuss und bewirkt, dass Dopamin freigesetzt wird, das Molekül des Begehrens. Wir beißen in die Hähnchenkeule, noch mehr Enbdorphin überschwemmt das Gehirn und zeigt an, dass wir in einen ausgeglichenen Zustand zurückkehren können: sattes Wohlbehagen. Wir entspannen uns, das Leben ist schön.

Genuss ist die Rückkehr zum physiologischen Gleichgewicht. Genuss kann nicht von Dauer sein. Sobald alles wieder im Lot ist, verflüchtigt er sich. Gute Gefühle sind daher eine Frage der Umstände, des richtigen Zeitpunktes. Wen es heiß ist, suchen wir die Kühle des Schattens. Wenn wir frieren, wünschen wir uns nichts so sehr, wie eine kuschelige Wolldecke. Nicht die Temperatur an sich ist also für unser Wohlbefinden ausschlaggebend, sondern der vorherige Zustand unseres Körpers.



Wenn der Schmerz nachlässt

Deshalb kommen gute Gefühle auch dann, wenn der Schmerz nachlässt. Opiode sind in der Lage, Schmerzen entgegen zu wirken, da sie die Weiterleitung der Schmerzsignale unterbrechen. Deshalb ist Morphium das stärkste Schmerzmittel überhaupt.

Ein Beispiel ist die Hochstimmung des Joggers, bei dem das Gehirn Opiode ausschüttet, wenn die Erschöpfung naht und dem Körper hilft, über die Qual hinaus weiterzulaufen: Euphorie verdrängt Schwächegefühle. Die Natur hat diesen Mechanismus offenbar eingerichtet, um trotz Schmerzen weiter um sein Leben zu rennen, wenn z.B. ein Tier angegriffen und verletzt wird.



Die Wippe der Wohlgefühle

Die Katze spielt mit der Maus, bevor sie sie fängt. Der Appetit kann lustvoller sein als das Essen. Auch in der Liebe liegt der größte Reiz mitunter im Versteckspiel, im Vorgeplänkel, im Umweg und in der Verzögerung. Kein guter Liebhaber ist, wer auf schnellstmöglichem Weg sein Ziel zu erreichen sucht. Ich will die Gute nicht so billig haben erklärte Valmont, der routinierte und finstere Verführer in Choderlos de Laclos´ Briefroman Gefährliche Liebschaften: Er fürchtet um die Lust am langen ero. Ringen, sollte er zu frühe bekommen, wonach er sucht.

Begehren und Genießen sind eng miteinander verbunden und doch stehen beide Regungen einander entgegen. Wer begehrt, kann nicht in vollen Zügen genießen. Und wer genießt, dessen Begehren ist für den Moment erloschen. Dem Begehren wohnt ein Drang inne, sich anzustrengen. Der Genuss aber ist sich selbst genug.

Doch allzu lange halten wir den wohligen Genuss nicht aus. Denn die Wirkung der Opiode währt nur kurz, je nach Situation ein paar Minuten oder ein paar Stunden. Schließlich soll der Genuss uns nur als Signal dienen, dass wir unser Ziel erreicht haben. Dann zeigt sich die Schattenseite des Genießens. Schwindet die Wirkung der Glücksdrogen, stellt sich der Normalzustand in unserer Stimmung wieder ein. Und den können wir nach der vorhergehenden Euphorie als manchmal unerträglichen Abstieg empfinden.

Ein großartiges Festmahl kann einen Rausch des Genießens bewirken. Doch dafür dauert die Vorfreude länger. Lustvoll sich nach etwas zu sehnen und dieses Ziel verfolgen, kann Stunden, Tage, auch Jahre dauern. Viele Menschen versuchen, sich die Ernüchterung zu ersparen, indem sie unbewusst alles tun, um die Erfüllung der Sehnsüchte zu vermeiden.



Die Nachtseite der Lust

Das Gehirn wird von Spaß angetrieben: The brain runs on fun. Doch Wollen und Mögen sind zweierlei. Diese beiden Regungen zu verwechseln, kann eine Quelle des Unglücks sein. Im schlimmsten Fall führt dieser Irrtum sogar in die Sucht.

Das Begehren kann sich verselbständigen. Springt unser Erwartungssystem an, wird unser Hirn mit Dopamin überschwemmt. Dopamin bewirkt aber vor allem, dass unser Gehirn diese Situation als positiv speichert und auf Wiederholung drängt.

Hier zeigt sich die Teufelsfratze der guten Gefühle: Löst ein Reiz wiederholt Begehren aus, ändert sich die Funktionsweise von Teilen des Gehirns. Übermächtig geworden, verwandelt Begehren Menschen in Getriebene, die keine Grenzen mehr kennen und den Blick für die Wirklichkeit verlieren. Man konnte nachweisen, wie sich unter dem Einfluß von Dopamin die Struktur im Gehirn verändert: Die Programmierung auf Lust.



Lust, die Amok läuft

Wir sind mit einem Allzwecksystem für das Begehren ausgestattet. Ein einziger Mechanismus lässt uns verlangen, ganz egal was - ob Essen, Liebe oder Annerkennung. Bei Tierversuchen stellte man fest, dass bei genügend Dopamin im Gehirn, nur noch das Handeln zählte, das Ziel nichts mehr: Aktionismus in Reinform. Es wurden die Regungen verstärkt, die gerade vorherrschen. Etwas zu wollen, ist das beste Mittel gegen Langweile. Was es ist, spielt keine Rolle.

Was zählt, ist der innere Zustand des Verlangens, der Vorgeschmack auf das Siegesgefühl (auch in single.de?). Aus Lust am Gewinnen kann Spielsucht werden. Die Hoffnung auf Belohnung kann eine krankhafte Vorfreude in Gang setzen. Das Klingeln von ein paar Münzen am Spielautomat kann das stundenlange roboterhafte Drücken eines Hebels am Automaten auslösen, in der Hoffung zu gewinnen.

Sucht ist ein Unfall auf der Suche nach dem Glück. Sucht, gleicher welcher Art, bedient sich der gleichen Mechanismen, die im Alltag für das Lernen und der Vorfreude zuständig sind. Das ist wohl die irritierendste Einsicht beim Erforschen der guten Gefühle.

Die Rückfälle von Suchtkranken kann nur verstehen, wer weiß, daß das Gehirn die Regungen des Wollens und des Genießens auf unterschiedliche Weise erzeugt. Die Beeinträchtigung der Genussfähigkeit verlangt nach immer mehr. Doch diese Abstumpfung dem Genuss gegenüber kann rückgängig gemacht werden. Dagegen hat das zwanghafte Verlangen (das Wollen) das Gehirn dauerhaft umprogrammiert.

Es liegt also an den mächtigen Mechanismen des Verlangens, dass die Abhängigkeit so hartnäckig ist. Die Verschaltungen im Gehirn, die bei bestimmten Reizen ein Verlangen auslösen, bilden sich kaum zurück.


--- fin ----

cu

16.01.2004 14:39 • #78


E
Angeregt durch den Beitrag von Thilde möchte ich dazu noch etwas sagen:

Gefühlsmenschen, wie ich sie nenne, ergeben sich ihrem Schicksal ohne mit dem Verstand um sich selbst kämpfen zu wollen und sich zu schützen. Sie benutzen den Verstand, wenn überhaupt, nicht als Filter, sondern als radikales Instrument der Unterdrückung, oft erst wenn es bereits zu spät ist. Als frisch Verlassener wird so gut wie jeder zum Gefühlsmenschen, aber manche bleiben ihr ganzes Leben dabei.
Meistens bauen sie sich mit Hilfe anderer Menschen, die klarer denken können, wieder auf, meistens unbewußt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß andere Menschen, die etwas von ihrer Stärke abgeben können, in das eigene Leiden mit hineingezogen werden. So weit so gut. Aber sie nehmen praktisch nichts vom Verstand der anderen wahr und verhalten sich nicht anders als vorher, TROTZ Hilfe. Aus dieser Beobachtung schließe ich, daß die Egozentrik des Gefühlsmenschen so groß ist, daß sie zumindest für etliche Monate oder noch länger alles abblockt, was von außen kommt. Die Einsicht kommt meistens erst viel später.
Ich schließe weiterhin daraus, daß der Verstand durchaus Gefühle filtern kann, nachdem sie aufgetreten sind, um Schlimmeres zu vermeiden. Es ist eine Sache des Trainings und des Wollens. Wer nie gelernt hat zu kämpfen steht hier vor einem Problem, das gebe ich zu. Aber Probleme kann man lösen, wenn man seinen Eigenwillen dem Selbstschutz unterordnet, und Anderen gegenüber etwas rücksichtsvoller und aufmerksamer wird.

Um nicht den falschen Eindruck zu erwecken: Ich halte Gefühle für sehr wichtig, und man darf sie nicht unterdrücken, das wäre ungesund. Es sollte auch nicht geschehen, daß der Verstand das Gefühl selbst beherrscht, sondern nur filtert und relativiert, NACHDEM es aufgetreten ist. Es ist doch oft so, daß gerade Menschen, die sich zu oft ihren Gefühlen ergeben, dem Verstand jedesmal nach ihrer Schwäche zu viel Gewicht einräumen. Aber gerade das führt zwangsläufig zu einem schlechten Gewissen gegenüber sich selbst. Erst die Akzeptanz der Schwäche als Teil seiner eigenen Persönlichkeit kann zu einer Ausgeglichenheit zwischen Verstand und Gefühl führen.

cu

16.01.2004 14:50 • #79


E
Ungekehrt wird ein Schuh draus ... ?

spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,282894,00.html

23.01.2004 20:45 • #80


E
...auch ich bin manchmal eine mutlose Ratte.

..bin nichts besonderes,

und doch was besonderes.

23.01.2004 20:54 • #81


E
@, ganz tolle Lektüre, und wie geht es jetzt weiter???

04.03.2004 20:46 • #82


E
Hallo Gundel,

ich weiß nicht ob es Sinn macht, weitere Texte zu posten. Die Resonanz ist gleich null. Das hat mir auch der Autor der letzten Reihe bezüglich Single.de bestätigt. Übrigens ein einfacher, netter Kerl und kein intellektueller Wichtigtuer, der sich in reinen Theorien badet

Mit Theorie und Praxis verhält es sich ähnlich wie mit Gefühl und Verstand: Sie sollten gegeneinander ausgewogen sein. Letztendlich suchen wir doch alle nach dem Glück in diesem Leben und nicht in einer Scheinwelt, oder?

cu

08.03.2004 00:57 • #83


E

08.03.2004 13:12 • #84


E
@, mir haben Deine Texte auch immer gut gefallen.
Und mach Dich doch bitte nicht so abhängig von anderen, das passt ja garnicht zu Dir.
Schreib einfach fröhlich weiter, wenn auch nur für die stillen Leser
Wirklich wichtig ist doch was es IN den Menschen bewegt und nicht welche Reaktion darauf kommt. Oder ? :D


08.03.2004 20:28 • #85


E
Hallo Nivea,

ich mache mich nicht von anderen mehr abhängig, das ist schon eine Weile vorbei. Hat auch lange genug gedauert:-) Aber da ich ein Typ bin, der etwas Input braucht um Output erzeugen zu können, fehlt mir etwas die Motivation. Ich werde aber ab und zu wieder etwas veröffentlichen...
Als kleines Dankeschön für Deine Reaktion werd ich das gleich mal anpacken

cu

08.03.2004 21:26 • #86


E
Nun mal ausnahmsweise etwas zum schmunzeln:-)
(von Kritikus, 08.03.2004 auf Single.de)

KEIN S. AUF STAATSKOSTEN

Kein S. auf Staatskosten! So lautet die Überschrift einer Tageszeitung in Bayern! Wie am Freitag die deutsche Presseagentur dpa meldete, muss das Sozialamt für mittellose, einsame Ehemänner für Bord. nicht aufkommen. Mit diesem Urteil hat das Verwaltungsgericht im bayerischen Ansbach letzte Woche einen entsprechenden Antrag eines 35jährigen Sozialhilfeempfängers, dessen Frau seit einiger Zeit in Thailand lebt, vorerst abgelehnt.
Für die Trennung von seiner Ehegefährtin machte der Kläger die Behörden verantwortlich, die sich nicht an den Flugkosten für regelmäßige Besuche beteiligen würden. Um seinen latenten S. zu befriedigen, verlangte der Franke eine Kostenerstattung für monatlich 4 Bord. samt Anfahrtswege, des weiteren die Kostenübernahme für 8 P., zwei Kontaktmagazine sowie Hilfsmittel zur SB.

Die ablehnende, ja geradezu störrische Haltung unserer Sozialämter zeigt in diesem Verfahren eine nie gekannte Dimension sparwütiger Beamter, die selbst natürlichste menschliche Bedürfnisse juristisch abschmettern. Zwar ist dieser zugegebenermaßen ungewöhnliche Fall nicht ohne eine gewisse Pikanterie, dennoch steht er exemplarisch für die Diskriminierung ganzer Gesellschaftsgruppen.

Haben nicht auch »Mittellose« ein Recht auf ein wenig Lust und Liebe? Alle wissen es! Schröder, Müntefering, Büttikhofer und Westerwelle. Unisono predigen sie seit Jahren das Gleiche! Reformen müssen her! In vielen Branchen der Wirtschaft knackt es im Gebälk. Allenthalben wird geklagt, debattiert, diskutiert und nachgedacht, wie man die Konjunktur beleben könne. Geredet wird über Konzepte, Strategien, innovative Maßnahmen. Man müsse erstarrte Strukturen aufbrechen, Rahmenbedingungen ändern und alte Zöpfe abschneiden, um das Land wieder nach vorne zu bringen. Im Falle des nämlichen Sozialfalles hätten man parteiübergreifend beweisen können, wie ernst den Politikern Reformen sind. Und nun verhindern deutsche Sozialämter schon kleinste Ansätze marktbelebender Maßnahmen.

Selbst das freischaffende Gewerbe der Bordsteinschwalben spürt die lahmende Konjunktur. »S. sells«, lange Zeit Inbegriff jeder Verkaufsmetapher, ist inzwischen durch die Werbung so stark überfrachtet, dass sie kaum noch als Anreiz zum Konsum taugt. Männer, die noch vor wenigen Jahren reichlich Kleingeld in den Taschen hatten, von dem ihre Frauen nichts wussten, haben dem Rotlichtmilieu den Rücken gekehrt und sich dem Internet zugewendet. Grund! Sie sind arbeitslos und müssen ihr freudloses Dasein in kahlen Wohnungen fristen. Der Zusammenhang von Arbeitslosigkeit, unsozialer Gesetzgebung und Diskriminierung alleinlebender Ehemänner liegt auf der Hand und bleibt nicht ohne gesamtgesellschaftliche Folgen. Die Vernetzung der Systeme reichen bis ins Rotlichtmillieu. So sind auch die Damen des Gunstgewerbes gezwungen, sich etwas einfallen zu lassen, wollen sie einigermaßen unbeschadet die sich abzeichnende Rezession überstehen. Mit dem sogenannten »Sozialswinger« könnte man auch hier unbillige Härten abfedern.

Kleinanzeigen wie: Mona wässrig und willig oder »Chantal, großes Herz - kleine Tit.« reichen längst nicht mehr aus, dem Geschäft frischen Wind zu verleihen. Häufig liegt das Gute so nah! Spots heimischer Kosmetikfirmen lassen sich mit ein wenig Pragmatismus leicht in die Horizontale übertragen. »Come in find out« scheint mir ein passendes Motto zu sein. Das wenig erfolgreiche »Plan Spar-Paket« der Bundesbahn böte sich an, in der ero. mit Erfolg umgesetzt zu werden. Sieben Tage vorher buchen - bei Mona sparen. Es schaffte solide Planungssicherheit und größere Transparenz hinsichtlich Auslastung und Kundenterminierung. Selbstredend würde eine Stornogebühr von 50 Euro fällig, ginge der Frühbucher statt zur dunkelhaarigen Mona zur blonden Chantal oder zur brünetten Anouschka mit den vollen Brüsten.

»Du kommst als Fremder und gehst als Freund« sind überkommene Werbetexte, auf die kaum noch ein Mann reagiert. »Table-Dance« mit günstigen Bierpreisen als Lockangebot sind Ladenhüter, Eroscenter, in denen sich die leicht geschürzte Damen im Fast-Food-Stil zum hastigen Konsum anbieten, zum Lustkiller geworden. Rabattsysteme sind in! Selbst mein Friseur hat die Zeichen der Zeit erkannt und trägt den immer enger werdenden Brieftaschen Rechnung. Für jeden Haarschnitt gibt es ein Märkchen. Ist ein Heft vollgeklebt, werde ich einmal umsonst gebürstet. Kundenbindung nennt man dieses Marketinginstrument. Mona Chantal könnten sich auf ähnliche Weise einen festen Kundenstamm sichern, auf den sie auf Dauer bauen könnten. Aber was nützen innovative Vorschläge, wenn sie die Sozialämter quer stellen.

In Anbetracht leerer Kassen und gekürzter Spesenbudgets dürften auch Gruppentarife, Bonuspunkte oder Mengenrabatte kein Tabu sein. Die Lufthansa ist ein ideales Vorbild moderner Kundenwerbung. Ähnlich wie beim Viel-Flieger-Ausweis sollten Mona und Chantal dem »Frequent- Popper« ein »Card-System« anbieten. Beim Besuch der Entspannungsräume wären Serviceleistungen eingeschlossen, die es sonst nur gegen saftigen Aufpreis gäbe. Erlangt ein Dauergast die »Gold-Card«, käme er in den Genuss des »Senator-Service«. Für den devoten »VIP-Klienten« wäre beispielsweise eine Stunde Käfighaltung mit anschließender Auspeitschung oder das Fesseln mit Handschellen am Heizungsrohr als kostenlose Zusatzleistung denkbar. Der anspruchsvolle Kunde mit hyperaktiver Libido und ausgefallenem Geschmack griffe dagegen zum »Fit for Fun-Arrangement«. Die 17 Stellungen des Kama. mit partieller »Wellness-Behandlung« oder »Tant..n« mit finaler Handentspannung sind Ansätze, mit denen man interessante Marktsegmente hinzu gewinnen und Geschäftsfelder erweitern könnte.

Auch bei Autovermietern ließen sich jede Menge Anregungen aufgreifen. Schnäppchenjäger können im Internet unter .monachantal.de preisgünstige Angebote und Termine auswählen. An messe- oder kongressfreien Tagen werden lediglich geringe Bereitstellungspauschalen fällig. Mit aggressiven Slogans wie »Highnoon! We try it harder« wird dem Sachbearbeiter während seiner Mittagspause ein verlockerndes Preis/Leistungs-Verhältnis geboten. Für den kleinen Quicky zwischendurch, so wird die schnelle Nummer auch für den schmalen Geldbeutel erschwinglich. Will man mehr anlegen, sind Leihsklavin und Andreaskreuz im »Leistungs-bundle« mit Handschellen, SM-Gewichten und Gynäkologenstuhl zusätzlich buchbar.

Ähnlich wie in der Automobilbranche, deren Zulieferer sich aus logistischen Gründen in unmittelbarer Nähe der Fertigungen niederlassen, sollten sich die Damen im Umfeld großer Flughäfen niederlassen. Dort sind sie deutlich besser positioniert, als Liebesdienerinnen an herkömmlichen Standorten. Mit DIN-zertifizierten Angeboten wird dem eiligen Manager - sozusagen »just in time« nicht nur bequemes »Relaxing« schmackhaft gemacht, sondern er kann sich dabei auch auf gleichbleibende Qualität verlassen. »*beep" Fly« oder »POP WEG« böten sich als griffige Formeln an. Sie implizieren zügige Abfertigung und bevorzugten Service, die den Aufenthalt bis zum Connecting-Flight freudvoller gestaltet.

Gerade in Zeiten großer Verunsicherung bei Konsumenten und Investoren hätte ein positives Signal seitens des Verwaltungsgerichtes Ansbach einen Wirtschaftsimpuls ohnegleichen ausgelöst, hätte man sich der Sozialhilfeempfänger hinsichtlich ihrer Grundbedürfnisse ernsthaft angenommen. Ein entsprechendes Kostenübernahme-Konzept, am runden Tisch mit Vertreterinnen des »Gunstgewerbeverbandes (GGV)« und des Sozialministeriums erarbeitet und ratifiziert, hätte möglicherweise zur Folge, dass ganze Heerscharen perspektivloser Arbeitsloser neue Motivation durch Lustgewinn würden schöpfen können. »Jetzt *beep*, später zahlen« hätte nicht nur - davon bin ich überzeugt -, enormen Zulauf ausgelöst und die Zufriedenheit einer ganzen Gesellschaftsschicht verbessert, sondern auch zu entspannteren Bewerbungsgesprächen geführt und Einstellungschancen erhöht. Hier höhere Arbeitszufriedenheit, dort höheres Selbstwertgefühl, eine Kombination, die zukunftsweisende Ansätze geboten hätte. Aber diese Chance hat das Verwaltungsgericht leichtfertig vertan!

Aber wie steht es eigentlich um unsere Frauen? Haben sie nicht ebensolche Bedürfnisse wie die Männer? Gibt es unter ihnen nicht auch eklatante Sozialfälle? Von Männern verlassen, alleinerziehend, arbeitslos? Wie mir scheint, sind Wirtschaft und Politik auch in diesen Fällen aufgerufen, gangbare Lösungen anzubieten. Männliche Arbeitslose in gutem gesundheitlichem Zustand und solider Vitalität gäbe es genug. Bei ein wenig gutem Willen seitens des Gesetzgebers und vernünftiger Koordination beidseitiger Grundbedürfnisse könnte das Arbeitsamt - kostenredundant wie ich meine -, mindestens 30% aller männlicher Erwerbslosen unbefriedigten und vernachlässigten Frauen zuführen. In Frage kämen alle gutgebauten junge Männer im Alter zwischen 28 und 42 Jahren, denen ein 8-stündiger Arbeitstag aufgrund anstrengender Besuche in Fitness-Studios mit anschließender Solarbestrahlung nicht zumutbar wäre. Ich befürchte nur, solch wegweisende Ideen würden, seien sie auch noch so naheliegend, wie so oft im Dschungel der Bürokratie sang und klanglos scheitern.

Kehren wir zurück zu den Ungerechtigkeiten dieser Welt und zur Elite der Gesellschaft, die jene Art Lustbarkeiten nach wie vor von der Steuer absetzt. Sozialverträgliche Vorgehensweisen bedeuten in einem intakten Gesellschaftsgefüge eine sozial gerechte Verteilung. Dies kann den Damen im Rotlichtgewerbe nicht egal sein, und so haben sie sich längst dem Druck des Marktes gebeugt und an allen Flughäfen Deutschlands ihre Arbeitszentren errichtet.
Durchaus verständlich, wie ich meine. Aus dem Blickwinkel der Gewinnmaximierung bestechen geringer Arbeitsaufwand und effiziente Abläufe, zumal der eilige Kunde auf dem Inlandflug ohnehin keine großen Ansprüche an Ausstattung und Accessoires stellt. Die Preisgestaltung beim Spontan-Popper kann verständlicherweise nicht so flexibel gestaltet werden, wie im Longterm-Sex-Booking-System - kurz LSBS genannt. Immerhin könnte der Kunde auf diese Mosaiksteine einer durchstrukturierten Leistungspalette bauen, ohne seinen Bausparvertrag zu beleihen.

Dem Intercontinental-Reisenden hingegen sollte ein kundenorientiertes Kalkulationsmix angeboten werden. Oft muss er lange Wartezeiten überbrücken, findet jedoch nur unzureichende Zerstreuung in Flughafenterminals. Hier böte sich der Stop-Over-Tarif als ideale Ergänzung zum Bummel durch Duty-Free-Shops an. Selbstverständlich kann der gestresste Reisende in diskreter Umgebung auf internationales Personal zurückgreifen. Ob er sich zwischen Anouschkas Fingerfertigkeit oder Moniques Französisch-Kenntnisse entscheidet spielt dabei keine Rolle, denn der Stop-Over-Tarif beinhaltet alle klassischen Dienstleistungen. Sogar auf die russische Spezialbehandlung von Leder-Domina Veruschka aus Minsk muss niemand verzichten.

In Anlehnung an Miles More wäre die Variante: zweimal zahlen, dreimal relaxen empfehlenswert. Für besonders virile Zeitgenossen eine durchaus überlegenswerte Investition, die nur noch vom All-inclusive-Paket in intimer Atmosphäre übertroffen wird. Bei diesem Complete-Package-System ist der omnipotente Gast König. Sauna, Solarium, Pool, Übernachtung und Dauerverwöhnung durch ständig wechselndes Personal bilden die Basis lustvoller Verwöhnung. Vom Folterkeller über Latex-Utensilien, vom Gynäkologen-Stuhl bis zur Nilpferdpeitsche ist alles vorhanden, was der verwöhnte Besucher als selbstverständlich voraussetzt. Selbst an fe. oder Liebhaber von Klistierbehandlungen ist gedacht.
Mona Chantal machen den Weg frei, vorausgesetzt, das Konto auf der Volksbank ist gedeckt oder das Sozialamt übernimmt zukünftig die Kosten.

--- fin ----

08.03.2004 21:31 • #87


D
Gedanken über die “Zeit” – Text von Augustin

Ohne jeder Anspruch auf Wahrheit oder Richtigkeit, jedoch mit sehr nachdenkliche Stimmung möchte ich hier ein Text (auszugsweise) wiedergeben, der vielleicht zum „nachdenken“ anzuregen vermag...

Hier der Auszug:
...
Wir sprechen von Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. „Ginge nichts vorüber, so gäbe es keine Vergangenheit; käme nichts heran, so gäbe es keine Zukunft; bestände nichts, so gäbe es keine Gegenwart.“ Aber wunderlich: Vergangenheit und Zukunft sind nicht, jene nicht mehr, diese noch nicht, - und wäre die Gegenwart beständig gegenwärtig, ohne sich in die Vergangenheit zu verlieren, dann wäre sie keine Zeit mehr. Die Gegenwart, um Zeit zu sein, besteht darin, dass sie sofort in Nichtsein übergeht.
Gibt es etwa nicht drei Zeiten, sondern nur eine, die Gegenwart? Zukunft und Vergangenheit sind doch nur in der Gegenwart. Wenn ich Vergangenes erzähle, so schaue ich dessen Bilder in der Gegenwart. Wenn ich an Zukunft denke, so sind mir mögliche Handlungen und vorschwebende Bilder gegenwärtig. Es gibt nur die Gegenwart und in der Gegenwart drei Zeiten. Gegenwärtig in Bezug auf die Vergangenheit ist das Gedächtnis, gegenwärtig in Bezug auf die Gegenwart ist die Anschauung und gegenwärtig in Bezug auf die Zukunft ist die Erwartung.
Was aber ist die Gegenwart? Reden von kurzen und langen Zeiten betreffen Vergangenheit und Zukunft. Hundert Jahren, ein Jahr, ein Tag, eine Stunde, sie können nicht gegenwärtig sein. Immer ist, so lange sie dauern, in ihnen noch Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges. Könnte man sich eine Zeit denken, die sich in keine kleinsten Teilchen mehr teilen lässt, so würde man diese allein Gegenwart nennen. Aber dieses Zeitteilchen geht so schnell aus der Zukunft in die Vergangenheit über, dass die Gegenwart keine Dauer hat. Sie ist nur wie ein Punkt, eine Grenze, ist, indem sie schon nicht mehr ist.

Wenn wir die Zeit messen, messen wir offenbar nicht die Gegenwart, die keine Dauer hat, sondern wir messen Zeiten, die wahrnehmbar sind, indem sie vorübergehen. Dann aber messen wir, was entweder nicht mehr oder noch nicht ist. Mit welchem Maß messen wir die Zeit, die nicht ist?

Man hat gesagt, die Bewegungen der Sonne, des Mondes, der Sterne seien die Zeiten. Wenn aber diese Bewegung die Zeit ist, so jede Bewegung. Würden jene Himmelslichter feiern, könnte es die Drehung der Töpferscheiben sein. Aber in keinem Falle ist die Bewegung die Zeit, sondern mit der Zeit wird die Bewegung gemessen, die bald länger, bald kürzer sein kann. Bewegungen der Gestirne wie Drehung der Töpferscheibe sind Zeichen der Zeit, nicht selber die Zeit. Jetzt aber handelt es sich darum, nicht was Bewegung und was der Tag ist, sondern was die Zeit ist. Mit ihr messen wir auch den Kreislauf der Sonne. Wir messen nicht nur die Bewegung, sondern auch die Dauer des Stillstands der Zeit.

So messe ich also, ohne zu wissen, womit ich messe. Ich messe die Bewegung des Körpers mit der Zeit, und doch messe ich die Zeit nicht? Womit messe ich die Zeit selbst? Ich messe Längen von Gedichten, der Versfüsse, vergleiche sie, nehme eins als doppelt so lange dauernd als das andere wahr. Hieraus schließe ich, dass die Zeit nur eine Ausdehnung sei, aber wovon, dass weiß ich nicht.
Der Geist ist es, der selber die Ausdehnung der Zeit ist. Wenn ich ein Gedicht lese, messe ich die Silben, aber nicht sie selbst, die bereits nicht mehr sind, sondern ich messe etwas, was sich meinem Gedächtnis eingeprägt ha. Also messe ich in meinem Geist meine Zeiten. Den Eindruck, den die vorübergehenden Dingen auf mich machen und der auch, nachdem sie vorübergegangen sind, bleibt, diesen mir gegenwärtigen Eindruck also messe ich, nicht das, was vorübergegangen ist. Der Geist übt eine dreifache Tätigkeit aus. Er erwartet, nimmt wahr und erinnert sich, so dass das von ihm Erwartete durch seine Wahrnehmung hindurch in Erinnerung übergeht.
So scheint die Lösung gewonnen. Der Geist misst sicht selbst in dem, was ihm gegenwärtig ist. So vermag er das Vorübergehende zu messen. Aber es zeigt sich weiter, dass wir weder die zukünftige noch die vergangene, noch die gegenwärtige, noch die vorübergehende Zeit messen, und dennoch die Zeit messen.
---- sik -----

10.03.2004 13:30 • #88


E
Danke Dom,

für den Beitrag. Auch wenn er sehr abgehoben und philosophisch ist

Wie lautet Deine Interpretation? Aber ich glaube Du möchtest diesen Text gar nicht interpretieren sondern so stehen lassen...

cu

10.03.2004 14:03 • #89


D
Hallo

Ja, im Grunde möchte ich es lieber so stehen lassen. Natürlich bleibt es nicht aus, dass man sich gewisse „Interpretationen“ daraus zieht. Aber, ist es nicht der Zweck dieser Übung?
Man kann es auch als philosophisch (oder Theologisch? Im Gesamtkontext ist es eher theologisch...) ansehen. Oder auch als einfache Gedanken über die Zeit, den man so beklagt in manch einer Lage des Lebens.
Ich wollte es deshalb gern wiedergeben, weil es doch manch eine Frage überflüssig werden lässt, versteht man es für sich...
Was mich daran so gefällt ist der Spielraum, der trotz alledem gelassen wird... Erstaunlich auch: diese Gedanken sind älter als 1600 Jahren (Vergangenheit?)!

Man lebt ja, das ist unbestritten. Aber in welcher „Zeit“?

Und ich bin sicher, dass Du es so gelesen haben wirst, wie ich es tat...
Insofern: Danke auch an Dich!

Dom

PS: im übrigen tut es mir Leid, nicht auf Deine Beiträge einzugehen. Sollte ich eher: nicht eingehen zu können sagen? Eines ist dennoch gewiss: zum Nachdenken regen sie an! Schoen, dass Du noch „am Ball“ (der Zeit) bist! ;)

10.03.2004 15:33 • #90


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