Hey Schokolad,
wieder mal eine Runde Küchentischpsychologie. Und ja, ich kann mir durchaus vorstellen, dass ein echter Psychotherapeut sehr hilfreich sein könnte.
Aaalso...
Ich bin ja auch mit einem Kerl zusammen, der jegliche Verbindlichkeit verweigert, und aus Prinzip nichts tut, was man in Beziehungen normalerweise tut. Das kann ungemein verunsichern, da bin ich ganz bei Jane. Und ich liebe diesen Kerl von Herzen.
Kannst du denn mit ihm über die Gestaltung eurer Beziehung sprechen?
Mir kommt es als Konstruktionsfehler vor, Exklusivität zu vereinbaren (um um seinen wunden Punkt rumzuschleichen), aber Verbindlichkeit zu verweigern. Wenn ich Exklusivität vereinbare, kann ich eben nicht zu irgendwem anderen laufen, wenn der andere mir nicht die Verbindlichkeit gibt, die ich mir wünsche. Verstehst du, was ich meine?
Als zweiten Punkt, den ich bei dir ganz, ganz wichtig finde: Ich würde inzwischen davonlaufen, wenn mir jemand kommen würde mit beziehungsgeschädigt, so verletzt, kann sich nicht mehr einlassen. Ganz abgesehen davon, dass du mir da um mindestens ein Jahrzehnt zu jung vorkommst, dafür. Nicht jedes unschöne Beziehungsende oder jede unschöne Beziehung sind gleich ein Trauma, das einen für die (un)absehbare Zukunft daran hindert, eine erfüllte Beziehung zu führen.
Meines Erachtens kann man keine Beziehungen darauf aufbauen, wunde Punkte auszuklammern. Wenn ich jemand nahe genug an mich ranlasse (und S. sind verdammt nahe, auch wenn man sich was anderes einreden will), dann wird dieser Mensch auf meine wunden Punkte latschen. Ich würde nur mit jemandem zusammen sein wollen, der im Idealfall seine wunden Punkte kennt, aber dem ich mindestens die Bereitschaft, Kraft und Stabilität zutraue, damit umzugehen, wenn ein wunder Punkt auftaucht.
Bedeutet für ihn: Exklusivität zu vereinbaren, obwohl die Beziehung für dich nicht dafür reicht, um auf seine Verletzung Rücksicht zu nehmen, ist quatsch. Wenn es nicht die Beziehung ist, die du dir vorstellst, und wenn du ihn nicht besonders magst, dann wirst du ihn betrügen, sprich die S. aufkündigen, wenn der Blitz bei dir einschlägt. Entweder er kriegt dann seine Vergangenheit für sich klar, oder er wird allen und sich selber die Geschichte erzählen, dass du ihm auch untreu warst. Im ersten Fall bräuchtet ihr von vornherein keine Exklusivität vereinbaren, im zweiten Fall würde ich im Hinblick auf das absehbare Ende den Schmarrn gar nicht anfangen.
Bedeutet für dich: Du hattest in deiner Exbeziehung scheinbar ein Abgrenzungsproblem. Du hast Geld hergegeben, weil du dich verpflichtet gefühlt hast. Setzt da an. Warum hast du dich verpflichtet gefühlt? Der unzuverlässige Vater spielt da bestimmt hinein. Hast du geglaubt, dir Liebe und Stabilität erkaufen zu können? Keine Ahnung wie hoch dein Lehrgeld hier war, aber das ist eine ganz wichtige, und entscheidende Info für dich. Und die Frage lautet nicht: wie kann ich eine Beziehung (auf Kosten von so viel anderem) so führen, dass ich nicht in die Verlegenheit komme, Geld herzuleihen, sonden die Frage ist, wie du dich in Zukunft abgrenzen kannst, entweder indem du Sicherheiten forderst, oder Nein sagen lernst.
Vielleicht kurz zusammengefasst: Ich sehe bei euch beiden nicht, dass ihr aus Überzeugung nach alternativen Beziehungsformen sucht. Ihr schränkt euch halt beide lieber ein, als an euren wunden Punkten zu arbeiten. Das ist mE der Fehler an der Geschichte, in meinen Augen kann es so eher nicht funtkionieren.
Lass mich wissen, ob du was mit meinen Gedanken anfangen kannst.
01.09.2021 09:33 •
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