Liebe Else
Ich finde mich in so vielen deiner Einträge wieder! Natürlich tut es mir leid, dass du so leiden musst, und ich wünschte mir für dich und alle anderen hier, dass es nicht so sein müsste. Aber es tut auch gut zu spüren, dass man nicht alleine ist mit seinen Gefühlen. Dass andere genauso empfinden und in einem ähnlichen Prozess stecken. Schön, dass wir uns dabei unterstützen können.
Selbstvorwürfe, wie du sie dir immer wieder machst, kenne ich nur zu gut.
Aus dieser neuen Perspektive sehe ich manche Dinge ganz anders. Die Trennung hat mich wirklich sehr aufgerüttelt. Dabei kam sie nicht aus heiterem Himmel. Ich habe gesehen, dass wir auf diese Mauer zusteuern, aber ich war einfach zu blockiert, um den Aufprall zu verhindern. Heute ist es so unbegreiflich für mich, dass wir es so weit kommen lassen konnten. Dass wir unsere Probleme nicht angegangen sind und unsere Beziehung einfach dem Zerfall überlassen haben.
Ich hatte auch ein paarmal über Trennung nachgedacht. Dabei war mir aber immer wieder bewusst geworden: Ich will nicht meinen Ex-Partner nicht mehr. Ich will nur das nicht mehr, was sich zwischen uns entwickelt hat. Diese ungute Dynamik.
Ich hatte immer das Gefühl, dass eigentlich so wenig fehlen würde. Dass es so gut sein könnte zwischen uns, wenn es uns nur gelänge, dem Ganzen wieder eine positive Richtung zu geben.
Und dann hat mein Ex-Partner diese Entscheidung getroffen. Natürlich weiss ich, dass ihr ein langer Prozess vorausgegangen ist. Trotzdem fühlt es sich für mich manchmal an wie: Er hat das einfach so entschieden und mir/uns überhaupt keine Chance gelassen!
Und nun bedaure ich meine Versäumnisse zutiefst. Es tut mir so leid, dass ich manche Dinge nicht besser konnte. Und ich wünschte, ich hätte das, was wir hatten, mehr geschätzt.
Bei mir ist es auch so, dass ich nun einen Grossteil der „Schuld“ – oder sagen wir der Verantwortung – auf mich nehme. Ich muss mir deshalb oft selbst in Erinnerung rufen, was ich an anderer Stelle einmal zu dir gesagt habe:
Zitat:Zu einer Beziehung gehören immer zwei! Es entwickelt sich eine Beziehungsdynamik, an der beide Anteil haben.
In unserem Schmerz neigen wir dazu, den anderen zu idealisieren, unsere eigenen Fehler und Versäumnisse aber durch eine riesengrosse Lupe zu betrachten.
Auch unsere Ex-Partner hatten Anteil an der Beziehungsdynamik.
Bei meiner Trennung spielte auch eine andere Frau eine Rolle. Obwohl ich ihn mehrmals gefragt habe, ob es so sei, hat er es lange abgestritten und dabei so manches Mal auch gelogen. Teilweise habe ich ihn nicht mehr wiedererkannt. Er hat mir dann schliesslich mal gesagt, dass das mit dieser anderen Frau nicht passiert wäre, wenn das zwischen uns gut gewesen wäre. Das hat sicher was Wahres. Aber auch hier muss der sich-nicht-selbst-verachtende, gut-für-mich-sorgende, liebevoll-mit-mir-umgehende Anteil in mir ergänzen: Auch er hätte seinen Teil der Verantwortung für unsere Beziehung übernehmen können – und sollen.
Das brain f***ing in Sachen „Überfrau“ kenne ich auch zu gut. Und neben dieser vermeintlich perfekten Frau in meiner Vorstellung fühle ich mich dann so minderwertig und unzulänglich. Aber unser Kopf spielt uns da oft einen Streich. Viele Gedanken, die sich uns aufdrängen, sind nicht Realität.
Ich bin so manches Mal schier verzweifelt beim Gedanken daran, dass diese Nähe, die zwischen uns mal war und es noch sein sollte, jetzt zwischen ihm und einer anderen Frau stattfindet. Früher waren er und ich „wir“. Nun bildet er zusammen mit einer anderen Frau ein „Wir“. Das fühlt sich sehr seltsam an für mich. So unwirklich und falsch (nicht im moralischen Sinn, sondern einfach vom Gefühl her).
Diesbezüglich konnte mich ein Hinweis meiner Therapeutin etwas trösten: Unser „Wir“ gibt es nicht mehr. Es ist jetzt nicht einfach das „Wir“ zwischen ihnen. Das ist ein anderes „Wir“. Ich kann nicht einfach ersetzt werden.
Trotzdem fühle ich mich noch oft so: Wie Weggeworfen. Ausgetauscht. Ersetzt.
Ich fühle mich wie eine einzige grosse Wunde, die immer wieder neu aufreisst.
Ich bin traurig und verzweifelt. Ich traure um all die verpassten Chancen. Um jede Möglichkeit des Uns-näher-Kommens, die wir nicht genutzt haben. Um unsere gemeinsame mögliche Zukunft. Um alles, was wir zusammen waren und sein könnten.
Am Morgen wache ich auf und denke daran, dass er jetzt auch aufsteht und in einen neuen Tag startet. Seinen Alltag lebt. Ohne mich. Weil er es so entschieden hat. Wir haben zusammengehört, Dinge zusammen gemacht…und dann plötzlich will er mich einfach nicht mehr dabei, nicht mehr an seiner Seite haben. Das mit dem Herzen begreifen zu können fällt mir sehr, sehr schwer.
Auch die Distanz, die er aufgebaut hat, tut mir sehr weh. Sie gibt mir das Gefühl: Er lebt weiter, als hätte es mich nie gegeben. Ich bin für ihn nur noch jemand, den er mal kannte. So oft habe ich mir gewünscht, er würde mir zeigen, dass das Ganze auch ihm nicht einfach egal ist. Dass
ich ihm nicht einfach egal bin.
Aber wahrscheinlich können sie es nicht anders als so. Wahrscheinlich können sie es nur mit dieser Mauer. Sie dient ihnen wohl auch als Schutz. Sie müssen ihre Entscheidung deutlich manifestieren – gegenüber sich selbst und uns gegenüber. In unserem Nicht-wahrhaben-Wollen, unserer Hoffnung und unserer Verzweiflung versuchen viele von uns Verlassenen ja auch noch lange Zeit, daran zur rütteln. Wir versuchen, den anderen davon zu überzeugen, dass wir zusammen gehören. Dass alles gut werden kann.
Dass jemand sich aber offenbar so schützen muss vor mir, stösst dann manchmal wieder Gedanken an wie: Muss man sich nicht nur so konsequent vor jemandem schützen, der böse ist? Und schon bin ich in meinen Augen das Monster, als das du, liebe Else, dich auch so oft siehst.
Aber Gedanken wie diese sind Denkfehler. Und diese wiederum sind Teil der Depression, in der wir stecken. Wir machen ganz viele davon!
Ein weiterer Klassiker von mir: Er ist so ein liebenswerter Mensch. Ich habe solche Sehnsucht nach ihm. Er hat aber keine Sehnsucht nach mir. Ergo: Ich bin kein liebenswerter Mensch.
Oder: „Er will mich nicht mehr. Mit mir ist etwas falsch.“
Aber: Könnte ich es auch anders sehen/sagen? Will er wirklich
mich nicht mehr? Oder will er nicht vielmehr einfach
das nicht mehr, was zwischen uns war? Diese Paardynamik, die sich zwischen uns entwickelt hat? Und die wollte ich ja auch nicht mehr.
Sehr gerne würde ich seinen inneren Prozess verstehen, der schliesslich zur Trennung geführt hat. Ich versuche immer wieder zu begreifen, was geschehen ist. Warum seine Gefühle mir gegenüber sich so verändert haben. Warum er keinen anderen Weg mehr sehen konnte als diesen. Aber es gelingt mir einfach nicht. Aber wie sollen wir auch etwas begreifen können, dass der andere vielleicht nicht einmal selbst begreift?!
Ich kenne auch all die anderen Gefühle. Die riesengrosse Sehnsucht. Die Verzweiflung. Die Erstarrung. Die Dumpfheit. Manchmal weiss ich kaum wohin mit ihnen.
Seit Monaten wohne ich bei meiner Familie.
Ich kann nicht ins Kino, kann nicht fernsehen, kein Buch lesen. Und schlafen kann ich auch nur für ein paar Stunden.
Da sind so viele Erinnerungen an die Vergangenheit. Doch wenn ich in die Zukunft blicke, ist da im Moment gerade nichts. Manchmal habe ich Angst, dass das Leben nicht mehr weitergeht. Dass ich nie mehr glücklich sein kann. Aber auch das ist wohl ein typischer Denkfehler in der Depression.
Im Moment machen wir gerade eine grauenhafte Phase durch in unserem Leben. Aber wir werden wieder hinausfinden – ganz bestimmt. Wir werden wieder glücklich!
Nun ist es ein ganz schön langer Text geworden. Tut mir leid – eigentlich ist das hier dein Thread.
Danke, dass du uns an deinem Prozess teilhaben lässt! Wie gesagt: Ich erkenne mich in vielem wieder.
Ich wünsche dir von Herzen alles Gute....du hast es verdient!