Liebe TE, ich weiß nicht, ob du hier noch mitliest. Schade, wenn es nicht so wäre aber vielleicht ist dieses Forum auch nicht für jedes Beziehungsthema geeignet. Man muss schon hart gesotten sein, um hier die ewigen Nörgler an sich abprallen zu lassen. Ich erzähl dir einfach mal meine Geschichte. Vielleicht hilft sie dir ein bisschen.
Ich hatte mich auch mal in einen frisch gebackenen Witwer verliebt. Wir waren damals schon beide nicht mehr jung. Ich Ende 40, er Mitte 50. Er war mein Kollege, mit dem ich mich sehr gut verstand. Dennoch erzählte er mir nie, wie krank seine Frau war. Erst als sie starb, erfuhr ich davon, weil er sich an ihrem Todestag erstmals krank meldete und danach 6 Wochen nicht zur Arbeit kam. Eine andere Kollegin hatte er ins Vertrauen gezogen und sie erzählte es mir. Als er zurück kam dauerte es nur wenige Wochen bis er anfing, heftig mit mir zu Flirten. Ich war zu diesem Zeitpunkt schon sehr verliebt und hinzu kam nun noch mein Mitleid mit diesem leidenden Mann. Er schickte mir per Whatsapp Bilder vom Grab seiner Frau, welches er liebevoll dekoriert hatte und er erzählte mir bei unserem ersten privaten Treffen von seinen Kindern, die ebenfalls sehr trauerten. Schon beim zweiten Treffen erzählte ich ihm, das ich mich in ihn verliebt habe und bat ihn, vorsichtiger mit mir zu sein. Schließlich wollte ich seine Trauer nicht ausnutzen und ihn nicht verletzen. Er dankte mir für meine Offenheit und sagte, er sei zu derlei Gefühlen noch nicht in der Lage. Nach Ablauf des Trauerjahres aber sei ich für ihn die erste Wahl, sollte er dann eine neue Partnerin haben wollen. Ich schwebte auf Wolke 7.
Es kam zu weiteren Treffen und irgendwann, einige Wochen später landeten wir im Bett. Ich hielt dies für den Anfang einer neuen Beziehung. Doch das war wohl sehr naiv von mir. Er ging sofort danach auf Abstand, was mich sehr verletzte. Es entstand eine On- Off-Beziehung in die ich leider sehr viel investierte. Ich wollte ihm Zeit lassen aber irgendwie wurde sein Verhalten immer merkwürdiger und erregte schließlich mein Misstrauen. Einerseits schickte er mir weiterhin Herzerweichende Bilder, rief mich mitten in der Nacht an, wenn es ihm schlecht ging und suchte auf der Arbeit meine Nähe. Andererseits machte er dicht, wenn ich etwas von ihm forderte, z.B. ein Treffen, um zu Reden. So vergingen Monate und durch dieses ewige Hin und Her band ich mich immer mehr an ihn und ich geriet ohne es zu merken in eine emotionale Abhängigkeit. Er wurde zu meiner fixen Idee und ich ließ nichts unversucht, ihn doch noch irgendwie für mich zu gewinnen. Immerwieder kam es auch zu intimen Begegnungen, in denen ich ebenfalls sehr viel tat, um ihm zu gefallen. Ich ging dabei weit über meine inneren Grenzen hinaus.
Dann kam es zu Eklat. Er sagte mir, er habe sich in eine andere Frau verliebt und wolle mit ihr eine Beziehung. Zuerst zog ich mich wunschgemäß zurück. Doch mir wurde zugetragen, das diese Verbindung schon sehr lange bestand. Sie war die beste Freundin seiner Frau. Schon zu ihren Lebzeiten kannten sich die beiden und für alle Menschen ihrer Umgebung war klar, das die beiden irgendwann ein Paar werden würden. Sie war nur schlauer als ich und wartete sein Trauerjahr ab. Ich war also ohne es zu wissen nur die Übergangsfrau, die seine Bedürfnisse während dieses Jahres stillte, als sie ihn noch nicht an sich heran ließ. All das und noch viele weitere verstörende Details erfuhr ich nach und nach und immernoch hätte ich alles dafür getan, wäre er zu mir zurück gekommen.
Das geschah dann auch, als seine Beziehung mit ihr scheiterte. Zuerst meldete er sich zurück, um mir genau dies zum Vorwurf zu machen. Ich habe seine Beziehung zu B. gestört, behauptete er. Ich war völlig überfordert und hatte ein mega schlechtes Gewissen. Ich machte ihm sogar ein großzügiges Geschenk, um mich zu entschuldigen. Dies nahm er natürlich dankbar an. Wenig später bot er mir ein weiteres Treffen an, welches natürlich wieder im Bett endete. Kurz danach bat er mich, seine Wohnung zu verlassen. Er schickte mich nach einer knappen Stunde und vollzogenem S. auf die Straße wie eine Gratisprosstituierte. Und endlich fiel bei mir der Groschen. Ich blieb noch eine Weile mit ihm in Kontakt, um meine Fragen beantwortet zu bekommen. Vor allem die Frage nach dem Warum ließ mir keine Ruhe.
Mit der Zeit verstand ich, was geschehen war und ich verarbeitete meine Trauer. Ich suchte eine Therapeutin auf, um meine emotionale Abhängigkeit zu verstehen und aufzulösen.
Heute bin ich ihm nicht mehr böse. Ich trauere ihm auch nicht mehr nach. Ich war dumm und naiv, als ich ihn traf und ich geriet dadurch in die schlimmste Notlage meines Lebens. Er nahm sich von mir einfach nur, was ich ihm großzügig anbot. Er gefährdete dadurch mein Leben aber was macht das schon aus, im Angesicht dessen, was er schlimmes erlebt hatte während der Krankheit und dem Sterben seiner Frau. Er handelte absolut egoistisch. Wer sollte ihm das verübeln? Ich nicht. Aber ich habe gelernt, das ich mich schützen muss. Auch und vor allem vor ihm. Sein Leid machte ihn skrupellos und egoistisch. So egoistisch, das er mich dafür fast zerstört hätte. Für meinen Schutz bin ich selbst verantwortlich. Und deshalb grenze ich mich heute rigoros von ihm ab. Wir haben keinerlei Kontakt mehr und das ist gut so.
Mein Leben wird nie wieder so werden, wie es vor der Geschichte war. Auch ich bin davon gezeichnet. Aber ich habe auch sehr viel gelernt. Und deshalb kann ich dir nur raten, schau auf dich und auf das was dir gut tut. Versuch keine Erklärungen für sein Handeln zu finden, sondern schütze dich selbst. Er hat schlimmes erlebt aber das gibt ihm nicht das Recht, dir Schaden zuzufügen. Für deinen Schutz bist du selbst verantwortlich! Ich wünsche dir alles gute!