Lieber imWald,
Zitat:Durch sie (oder die Verliebheit) waren meine anderen Probleme wie weg geblasen aber nun stand ich da und es ging mir trotzdem schlecht.
Ich glaube, damit hast Du etwas wesentliches gesagt.
Ich habe mal gelesen, dass viele Menschen, die wegen psychischer Probleme in eine Klinik gehen, sich dort verlieben und dass dieses Verlieben gewissermaßen als Ablenkung vor den eigenen Problemen dient. Statt sich nur auf sich selbst zu konzentrieren, flüchten sie sich in eine Liebesgeschichte. Verliebtheit kann einem fast jede Situation erträglich erscheinen lassen. Auch das Gefühl gemeinsam schaffen wir es schützt manchmal vor der Konfrontation mit sich selbst.
Natürlich ist es ersteinmal ein wundervolles Gefühl, wenn die eigenen Probleme wie weggeblasen erscheinen. Aber auch mir sagte meine Therapeutin (ambulante Therapie) einmal, dass eine Therapie (die als Single begonnen wurde), wesentlich effektiver sein kann, wenn man Single ist, als wenn man sich bindet. Nur als Single ist man einmal komplett nur auf sich selbst zurückgeworfen (ja, negative Konnotation denn man könnte sich als Single ja auch sehr wohl fühlen...Doch dann ginge man sicherlich nicht in Therapie).
Fragen wie Wer bin ich? Und was will ich, ganz unabhängig von einer Liebe? können wir wesentlich besser nachspüren wenn kein Verliebtheitsgefühl uns beschwingt.
Zitat:Wie vergesse ich sie / mich erst selbst finden?
So lautet dein Threadtitel. Dir geht es also auch um Selbstfindung.
Da diese Frau eine - ich nenne es einmal- problematische Persönlichkeit hat, kann es sein, dass sie dich dadurch wunderbar von deinen eigenen Problemen ablenkt. Also gewissermaßen eine Verlagerung der Problematik.
Auch ich habe eine ähnliche Erfahrung gemacht: ich begann als Single eine Therapie...kam an wesentliche Punkte...es war schwer...aber im Grunde begann mein Leben eine Wendung hin zum Besseren einzunehmen. Doch es war eine sehr ernste Zeit...Weit und breit keine beschwingenden, romantischen Gefühle...Nur ich selbst...
Dann, nach ein paar Monaten der Therapie, verliebte ich mich in einen Mann, der selbst voller Probleme war. Unsere kurze Beziehung bestand fast nur aus Konflikten und fortan war ich innerlich ständig mit ihm/uns beschäftigt. Und zwar nicht im positiven beschäftigt, sondern im negativen: wie könnten wir dieses und jenes Problem lösen? Wie könnte ich ihm helfen? usw.
Kaum ging es also bei mir selbst ans Eingemachte, lenkte ich mich davon mit äußeren Problemen ab.
Ich nahm all meinen Mut zusammen und trennte mich. Denn ich glaube, dass diese problembeladene Beziehung ein Zeichen dafür war, dass ich noch nicht bereit für eine gesunde Beziehung war. Eine gesunde Beziehung hätte nicht so viele Probleme und Schmerzen mit sich gebracht. Erst recht nicht in der Anfangsphase. Ganz im Gegenteil.
Die Schmerzen waren alles andere als angenehm aber ich vermute, sie waren mir lieber, als auf mich selbst zurück geworfen zu sein. Ein gesünderer Mann hätte mich selbst automatisch stärker fühlen lassen- MEINE Unzulänglichkeiten, MEINE Defizite und Probleme.
Was ich damit sagen möchte: wärst Du eine gesündere Beziehung eingegangen, hätte diese dir wesentlich mehr Raum für dich selbst gelassen und das ist nicht nur angenehm.
Versuche es dir einmal vorzustellen: eine Frau, die in deinen Augen gesund, beziehungsfähig und beziehungswillig ist...Mit so einer Frau hättest Du dich selbst viel intensiver gespürt- vielleicht auch deine Depressionen. Und nur wenn man seine Probleme wirklich spürt, ihnen gewissermaßen ganz nah ist, ist man wirklich bereit, sich mit ihnen zu konfrontieren und etwas zu ändern. Verliebtheit, insbesondere eine komplizierte Verliebtheit kann davon gut ablenken.
Zitat:sie hatte keine eigenen interessen, wollte sich aber auch nicht auf meine einlassen, wir hatten wenig zu reden und so viel grundverschiedene Einstellungen.
M.M.n. ein ganz schlechtes Zeichen. Wenig Chance auf eine gemeinsame Zukunft. Das wird sicherlich auch mit ein Grund für ihre oberflächlichen Männerkontakte sein. ero. und Verliebtheit kann auch zur Beschäftigung werden. Und dass sie nun Distanz zu dir nimmt, kann auch ein Zeichen dafür sein, dass sie noch nicht bereit ist, an sich zu arbeiten- nämlich z.B. mal nach einer ernsthaften Beschäftigung, einem Lebenssinn zu suchen. Dann lieber schnell wieder bei FB anmelden und sich umgarnen lassen oder S haben...
Zitat:UND DENNOCH: So clever ich bin und so nüchtern ich es betrachte lässt mich das Gefühl nicht los, ich möchte ihr als Mensch helfen wieder auf die richtige Bahn zu kommen.
Vielleicht willst Du damit auch dir selbst stellvertretend wieder auf die richtige Bahn verhelfen?
Sonderbarerweise fällt es fast allen von uns leichter, anderen zu helfen, anstatt uns selbst (mir persönlich geht es so). Vor allem hilft man mit nichts anderem so sehr auch anderen Menschen, als wenn man ein gesundes Leben vorlebt. Reden, überzeugen wollen...wirkt langfristig nie so stark auf einen anderen Menschen, als wenn man selbst das Lebt, was man predigt.
Ein kurzes Bsp.: ich habe als junge Frau nicht allein sein können und habe mich nicht auf meine Sachen konzentrieren können. Ich hatte einige Partner...bis ich mit einem Mann zusammen kam, der kein einziges Wort über meine Probleme verlor. Wir zogen schließlich zusammen...Und ich ERLEBTE wie er mit sich selbst umging und zwar sehr gut. Statt groß zu reden, widmete er sich seelenruhig seinen Sachen. Und das wirkte im Laufe der Zeit (und wie!) wesentlich intensiver als alle Worte, die ich zuvor zu hören bekam. Ich begann, mir sein Verhalten abzuschauen...Ich habe ihm sehr viel zu verdanken. Ich habe gelernt, was es bedeutet, sich um sich selbst zu kümmern und dennoch liebevoll mit anderen Menschen umzugehen.
Zitat:Warum war Sie so offen zu mir und Sie machte so einen Aufwand nur um alles ganz schnell wegzuschmeißen (Aufwand= Fb löschen,ihre komplette vergangenheit zu erzählen (niemand außer mir weiß alles!))
Zum einen tut es unsäglich gut, sich einmal alles von der Seele zu reden...
Zum anderen war sie in dieser ungewöhnlichen Zeit emotional in deiner Zuneigung geborgen...
Im Alltag jedoch wird man wieder mit den alten Problemen konfrontiert...erst außerhalb der Klinik wird es wirklich schwer, das Gelernte umzusetzen...Viele verfallen dan in alte Muster zurück. Das ist ganz natürlich...Es muss der eiserne Wille vorhanden sein, seine Probleme anderes als gehabt lösen zu wollen. Und meistens muss man dazu zuvor etliche Male gegen die Wand gefahren sein, bis man bereit ist, etwas wesentliches zu verändern. Sie ist aber noch jung und hat viele Ausflüchte zur Verfügung...Das ist ihr möglicherweise noch erträglicher, als sich im Rahmen einer schönen Beziehung mit sich selbst zu befassen.