Hallo liebe Mitleidenden und Jene, die hoffentlich schon aus dem seelischen Tief herausgekommen sind. Wie viele hier auch hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich in einem solchen Forum einmal einen Seelenstriptease hinlegen würde. Aber erstens kommt es anders, zweitens
Meine Lebenspartnerin hat mir am Samstag eröffnet, dass sie sich trennen wird. Bamm! Das saß, denn für mich war es nach dreieinhalb Jahren des Zusammenlebens und Pläneschmiedens zu diesem Zeitpunkt völlig unerwartet und von mir natürlich auch nicht gewollt. Wie so oft hat der eine Partner ein ganz anderes Gefühlsleben und auch eine andere Wahrnehmung. Ich versuche, die Umstände möglichst kompakt darzustellen, ohne euch zu langweilen. Vor ca. fünf Jahren lernten wir uns kennen, relativ schnell besser. Ich 49, sie 41. Zu diesem Zeitpunkt litt ich bereits lange unter Depressionen, hatte mich aber wieder ein gutes Stück aus dem Sumpf herausgekämpft und auch eine neuerliche Selbständigkeit bis zur möglichen Umsetzung vorbereitet. Dafür alles locker gemacht, was ich aufbringen konnte. Sie, ebenfalls selbständig, war allerdings noch verheiratet, aber bereits im zweiten/dritten Trennungsjahr. Für mich war klar, dass wir zusammengehören, und so bereitete ich unsere gemeinsame Zukunft vor. Neues, kleines Haus angemietet und ihr Einzug erfolgte früher als geplant/erwartet, weil ihr Noch-Ehemann handgreiflich wurde. Somit zog sie mit Handgepäck zu mir. Mit der geplanten Selbständigkeit lief es nicht so wie gewünscht. Da ich vorher noch im Hartz4-Bezug war und mich erstmal auch am neuen Wohnort melden musste, musste ich das Spiel der Behörden mitspielen. Aber während das alte Jobcenter meine Pläne vollumfänglich unterstützt hatte, lief ich am neuen Wohnort gegen die Wand. Fatal, denn das trieb mich wieder zurück in die Depression. Mittlerweile umfasst mein Kampf gegen dieses Amt zwei Ordner an Schriftverkehr und Schreiben der Anwälte und des Gerichtes. Bisher alles haushoch gewonnen, aber dieser ständige Kampf zerrte an meinen Nerven.
Unterdessen stand meine Lebensgefährtin treu an meiner Seite, ich wiederum habe sie ein ums andere Mal aus ihrem Tief herausgeholt, denn ihr EX hatte ihr viele, viele Probleme hinterlassen. Finanzieller wie emotionaler Natur. Für mich als Depressiven nicht förderlich, aber ich habe jedes Theater mit ausgestanden und so weit ich konnte Halt geboten.
Ich glaube, wir durften uns als glücklich einschätzen. Die Pläne waren langfristig, aufgrund unseres Alters leichtfertig "für immer" gesagt. Die Anschaffung von Haustieren (Hund und Katze) kommentierte sie scherzhaft wie ernst mit "jetzt gehen wir ja eh nicht mehr auseinander". Wir hatten sogar eine Auswanderung geplant. Mögliches Ziel: Ungarn. Vollkommen abseits der aktuell politischen Diskussionen, sondern rein aus praktischen Gründen. Westlicher Standard, angenehmes Klima und vor allem bezahlbar, während eigener Grund und der Traum von vielen Tieren hier kaum umsetzbar wäre.
Ich aber befand mich noch im Teufelskreis: Arbeitslos, Theater mit den Behörden, keine beruflichen Erfolgserlebnisse und kein Therapeut zu finden. Dafür aber hatte ich einen Neurologen als Facharzt. Bisher hatte ich Antidepressiva strikt abgelehnt. Gemeinsam mit meiner Lebensgefährtin entschied ich dann aber, doch einmal Medikamente auszuprobieren, denn mir stand der fehlende Antrieb im Wege. Währenddessen habe ich in der Anfangsphase meine Ersparnisse aufgebraucht, um unser "Nest" zu bauen, sie sorgte später für den Lebensunterhalt. Und wir haben nicht auf den Cent achten müssen, dafür bin ich ihr dankbar. Ein erster Medikamentenversuch schlug fehl, es war die falsche Wahl. Dann ein weiterer Versuch des Neurologen, dem ich vertraut hatte. Erst spät fiel uns auf, dass dieses neue Medikament echt gefährlich war, da ich durch Zahnprobleme häufig schwere Schmerzmittel einnehmen musste. Mit diesem Antidepressivum hochgefährlich. Noch schlimmer: Dieses Medikament machte mich äußerst gereizt. Nicht, dass ich handgreiflich geworden wäre. Niemals hätte ich sie angerührt. Aber ich war sehr reizbar. Dabei war die Absprache: Meine Lebensgefährtin beobachtet mich und zieht die Reissleine, sobald ich mich verändere. davor hatte ich immer Angst. Diese Phase war kurz, das Mittel habe ich abgesetzt, aber sie war schon zu lang und die Notbremse kam zu spät. Das war im Herbst letzten Jahres. Ab m.M.n. Jahresanfang veränderte sich unsere Beziehung. Sie ging immer mehr, fast unmerklich auf Distanz, die Zärtlichkeiten wurden weniger. Aus meiner Sicht ein schleichender Prozess. Vor vier Wochen beklagte sie weinend, dass sie nervlich am Ende, total überarbeitet sei. Was ich auch glaubte und was auch nachvollziehbar ist, denn sie hat viel geackert. Ich Idiot bestärkte sie dann in dem Vorhaben, mal alleine eine Woche Urlaub zu machen. Geplant war Wandern in Bayern, was sie bereits früher oft und gerne gemacht hatte. Eine Woche, vielleicht zehn Tage. In dieser Woche waren die SMS selten und kurz, Anrufe kamen gar nicht. Ich wollte aber nicht nerven und sie entspannen lassen. Aber auch der zehnte und elfte Tag ging vorbei, von Rückkehr keine Rede. Durch reinen Zufall hatte ich erfahren, dass sie sich in Ungarn aufhält. Ich kochte zwar vor Wut, aber was sollte ich aus der Ferne machen? Also wartete ich bis zu ihrer Rückkehr nach drei Wochen statt einer. In ihren SMS hatte sie auf Nachfrage angegeben sie sei noch in Bayern, also klar gelogen. Als wir dann am Samstag zuhause zusammensaßen, konfrontierte ich sie damit. Die Antwort war dann der Hammer: Dass sie sich trennen werde.
Ich war schockiert, ratlos, am Boden zerstört, tieftraurig und bin es noch. Die Begründung: Sie liebt mich nicht mehr. Was soll man da anderes tun als bohren und nachzufragen? Man will ja wissen, warum. Was ist schief gelaufen? Nach ihrer Erklärung war die entscheidende Zeit die des falschen Medikamentes. Nur zwei, drei Wochen. Aber das in Zusammenspiel mit dem ganzen Ärger, den ich mit den Behörden hatte und den dadurch blank liegenden Nerven sowie ihrer Arbeitsüberlastung scheint zu dieser Entwicklung geführt zu haben.
Ich empfinde das als zutiefst unfair. Meine Depression war bekannt. Für den Ärger konnte ich nichts, auch nicht für die Falsch-Medikamentation. Und meine Depression wurde durch den fast zwei Jahre langen Ärger durch ihren Ex-Mann inkl. Gerichtsvollziehern, Anzeigen, etc. etc. nicht besser. Aber ich stand immer an ihrer Seite. Ich muss aber auch eingestehen: Sie hat für mich gesorgt. Sie hat viel gearbeitet, teilweise mit etwas Unterstützung von mir, aber sie hat das Geld rangeschafft. Während ich kindheitsbedingt nie gelernt hatte, wirklich mit Geld umzugehen. Umgekehrt hat sie nie gelernt, über Probleme zu reden. Wenn wir mal etwas Zoff hatten (sehr, sehr selten und leise), war ich es, der geredet und gekittet hat. Da ich um die finanzielle Situation nicht wirklich wusste, ging ich einfach davon aus, dass es gut lief. Lief es nicht, denn durch die Eskapaden ihres Ex-Mannes hatte sie selbst nie eine Altersvorsorge aufbauen können. Was ihr gehörig Angst machte. Eine Angst, die sie mir verschwiegen hat. Daher gehe ich davon aus, dass nicht das "Entlieben" der wahre Grund ist. Sondern vielmehr ihre Zukunftsangst, ihre Überarbeitung (ich befürchte bei ihr wirklich Burnout) und ich der Loser, der bislang durchgezogen wurde als Gesamtpaket. Heute abend eröffnete sie mir dann, warum weiss ich nicht, dass sie überlegt in Ungarn ein Haus zu kaufen. Als Altersvorsorge. Das war wieder ein Hammer, denn dies war schließlich meine Idee, mein Plan, meine erdachte gemeinsame Zukunft. Das hat gerade nochmal richtig reingehauen.
Jetzt wird es aber erst richtig komisch und seltsam. Eine Trennung bedeutet für mich aktuell: Ich stehe schlimmer dar als vor der Beziehung. Mit Kosten für das kleine Häuschen, den Garten, das Auto, etc., die ich von Hartz4 alleine nicht bestreiten kann. Sie möchte mich aber weiter unterstützen. Internet, ev. KFZ-Versicherung, andere Kosten möchte sie erst einmal weitertragen. Ev. sogar noch etwas Bargeld für Hundefutter monatlich. Für wie lange weiss ich nicht, im Detail wurde noch nicht gesprochen. Auch noch nicht geklärt, was mit den Tieren passiert. Der Hund, den wir vor 1,5 Jahren ins Haus geholt haben, war als meine "Lebensversicherung" gedacht. Für den Fall, dass meinem ersten Hund, nun schon Senior, mal etwas passieren sollte. Es sollte MEIN Hund sein. Aber er ist auch zu ihrem Liebling geworden und ich glaube, dass sie ihn mitnehmen möchte. Aber was, wenn sie ihn mitnimmt, in ein paar Tagen gegangen ist und meinem Senior etwas passiert? Er war mein Halt, meine Stütze im Leben. Und er IST es noch. Aber wenn ihm etwas passiert, stehe ich ganz allein und einsam hier. Ohne Freunde, ohne Familie, ohne Frau, ohne tierischen Freund. Mich fängt keine Sau auf, während ich sie aus ihrer Ehe geholt, getröstet, gerettet und aufgebaut habe.
Ich weiss es und habe es oft genug gelesen, dass man eine Trennung annehmen und wieder durchstarten soll. Nicht betteln, nicht auf Wiederkehr hoffen, sondern die schmerzhafte Zeit ertragen und dann neu anfangen. Für mich aber nicht machbar. Ich bin zu alt, um in einer Mietskaserne neu anzufangen. Diesen Start schaffe ich nicht. Mein Hunde-Senior kann nur im Erdgeschoss leben, eine Billig-Bude im dritten Stock schafft er nicht. Das Auto brauche ich, um ihn zu seinem täglichen Auslauf zu bringen, ist aber teuer im Unterhalt. Er braucht auch meine Betreuung und ich habe immer selbstständig gearbeitet, Arbeitnehmer sein kenne ich nicht. Also arbeite ich trotz Depression weiter an einer Selbstständigkeit und habe gerade mit einem Fern-Studium begonnen. An guten Ideen mangelt es mir nicht, wohl aber am Antrieb, an der Umsetzung.
Wie also soll ich diese Trennung angehen? Verliere ich mich darin? Kontakt möchte sie halten. Wie eng weiss ich nicht. Sie möchte mir jetzt auch noch helfen und finanziell in Vorleistung gehen, dass ich unsere bisherige Familienkutsche tauschen kann in ein Fahrzeug, was (hoffentlich) langlebig und etwas sparsamer ist. Ein Schlussstrich wäre wichtig. Aber auch das Überleben.
Noch schlimmer oder dümmer: Ich weiss, dass sie sich beruflich zu viel zugemutet hat. Ich habe oft genug gewarnt, denn ich selbst bin durch Überarbeitung in die Depression gerutscht. Das weiss sie. Aber jede Warnung wurde ignoriert. Und ehrlich gesagt hoffe ich, dass wenn sie wieder "runtergekommen" ist, auch einen klareren Blick haben wird. Also habe ich angeboten, einen Teil ihres Business zu führen, damit sie für Zeitraum X entlastet wird. Das bedeutet zwangsläufig Kontakt. Aber auch nur virtuell, denn wohin sie der Weg führen wird, das möchte sie nicht preisgeben. Süd, Nord, West, Ost keine Ahnung. Was die Sache für mich wieder undurchsichtiger macht.
Momentan habe ich einfach nur Angst. Angst vor der Zukunft. Angst einsam zu sein. Es fühlte sich so toll an jemanden an seiner Seite zu haben, dem man voll vertrauen konnte und den man liebte. Noch ist sie hier, weiss angeblich nicht, wohin es sie ziehen wird. Und trotzdem ist es schon einsam. Ich habe Angst vor der Wohnung, in die ich zum ersten Mal allein rein muss. Die erste Nacht allein. Angst, dass plötzlich keiner da ist, dem man die Tiere anvertrauen kann. In meinem Alter kann jeden Tag ein Krankenhausaufenthalt nötig sein. Was dann? Angst, dass der Mensch, mit dem man den Rest des Lebens plante, plötzlich gegangen ist. Und ich habe auch Angst, dass sie den jungen Hund mitnimmt. Meinen Hund, der mir Egoisten das Leben retten soll. Und ich habe auch ein bisschen Wut. Denn ich habe bewusst nichts falsch gemacht, immer nur eingesteckt und ich war für sie da. Und dennoch werde ich bestraft. Und ich habe Chaos im Kopf. Sehr großes Chaos. Gebe ich mich in dieser Trennung selbst auf? Oder ist es vertretbar?
Und sorry, sorry, sorry für diesen langen Text.
29.06.2021 20:08 •
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