Zitat von Florentine:Meine Traum-Florentine ist selbstbewusst, trägt Tanktops, ist tättowiert, schlank und singt in einer coolen Band. Sie hat ein schönes Haus, die Gartentür ist immer offen und meistens ist Besuch oder Familie da. Im Garten laufen die Katzen rum und Enten auf dem Teich. Die arbeitet auf 70% Basis, kocht überwiegend vegetarisch und hat abends manchmal Freunde da zum Kartenspielen oder quatschen. Mit ihrem Mann geht sie manchmal Billard spielen oder auf ein Konzert , wenn der Babysitter da ist. Wenn ihr Mann mit seinen Freunden in der Kneipe ist, arbeitet sie zuhause. Einmal im Jahr machen sie 2 oder 3 Wochen Urlaub, gerne auch mit Freunden und anderen Kindern.
Die Hausarbeit ist mit dem Mann klar aufgeteilt und jeder hat feste Zeiten auch für sich alleine. Gleiches gilt für sämtliche Finanzgeschichten und allen Papierkram.
Die Leute denken an ihren Geburtstag und die Kollegen freuen sich, wenn sie da ist. Manchmal wird sie auf Feiern eingeladen und geht da mit ihrem Mann hin oder alleine.
Das würde ich mir wünschen.
Ich lese Dich. Und weißt Du was ich lese, in einem Wort zusammengefasst:
Isolation.
Weißt Du, Deine Traum-Florentine ist ja nicht besonders weit weg von Dir. Und trotzdem so unerreichbar.
Du kannst jederzeit Tanktops tragen, Du kennst den Witz mit dem Beachbody, hier ist ein Strand, ich bring den Körper mit, fertig ist der Lack.
In den Kinderwagen lassen sich Plastiktüten oder Folie hinein legen und um 20-30 Euro gekaufte Blumen, fertig ist die Deko, die mit dem richtigen Filter fotografiert, eh die meisten Likes kassiert.
All das ist aber mühsam, weil der Zugang zu deiner eigenen Kreativität nicht so gegeben ist.
@Florentine, weißt Du, ich habe den Eindruck als würdest Du auch deshalb so eine mühsame Zeit haben, weil Du ganz vieles bist. Ein Hippie-Mädchen, daß eben doch auch manchmal die Chanel-Handtasche will. Eine Aussteigerin, die dennoch nicht ohne Krankenversicherung leben kann und will.
Ständig auf der Suche, irgendwo hineinzupassen, um dann doch an der Begrenztheit der Kategorien zu scheitern.
Ich muß vorsichtig bei diesem Thema sein, weil ich nicht übertragen will. Aber Du erinnerst mich an meinen Kampf.
Es gibt Tage, da sitz ich mit meinen besten Freunden im grindigsten Wirtshaus bei eins, fünf, sieben Hopfenkaltschalen und nen völlig überfüllten Aschenbecher und andere Tage, da häng ich im Designerkleid auf der Dachterrasse eines 5-Sterne-Hotels herum, betreibe höfliche Konversation beim Cocktail des Tages.
Ich bin sehr politisch interessiert, aber ich liebe auch Trash-TV. Ich lese NZZ, the Guardian genauso wie die Bild oder Dailymail.
Persönlich habe ich Jahre investiert, um endlich das eine oder andere zu sein. Und es hat jedes Mal nicht funktioniert. Jedes. einzelne. Mal.
Natürlich bin ich wie Du auch, in einem Leistungshaushalt groß geworden. Nur gesehen, angenommen und geliebt unter Maßgabe von Performance. Mit schönem Hang zu Kontrollzwang, weil man nun mal als Kind der Idee unterliegt, daß man Gewalt (physisch or psychisch) kontrollieren könnte, wenn man sich nur an die Regeln halten würde.
Dann wird man Erwachsen und trotzdem haben andere ständig eine Meinung. Man kann ja keine Feministin sein, wenn man sich eben auch für Lippenstift interessiert. Man kann keine Tusse sein, wenn es einen fassungslos macht, daß andere so wenig Zusammenhang begreifen.
Immer zwischen allen Welten. Nie die eine.
Das kann in Isolation führen.
Sehr so gar. Insbesondere, wenn man dann auch noch eine Beziehung gewählt hat, in der alle Welten zwar nicht verurteilt werden, aber dann doch keine akzeptiert wird.
Das Ding ist: Du DARFST alles sein. JEDERZEIT.
Nur weil es dafür nicht so viele Rollenmodelle gibt, heißt das doch nichts.
Diese Bandbreite von Wünschen, Vorstellungen, Ideen ist GUT. Die macht dich besonders. Und ja, sie führt dazu ein Jack of all trades, a master of none zu sein.
Aber es bedeutet auch, daß Du unendliche und unglaubliche Ressourcen hast. Es macht Dich zu der, die Du bist. Es macht Dich besonders.
Ich finde Fließenfußboden, mega doof. Brauche Jahre bevor ich mich für ne Lampe entscheiden kann, ich bin da nämlich massiv speziell und habe in meinen bald 40 Jahren noch nicht ein Sofa kaufen können.
Und dafür mag ich mich.
Habe ich aber nicht immer gekonnt. Ganz im Gegenteil. Ich war total verloren.
Wollte immer dazu gehören, und habe dennoch nie gepasst.
bin ausgewandert, liebe, die inzwischen erarbeitete, Sicherheit und suche dennoch Ausbruch,
finde ihn aber immer besser.
Wir kommen also zur Frage, wie mir das gelang:
Ich befürchte, die Antwort wird Dir so wenig gefallen, wie mir damals.
Therapie.
Ja, ich weiß. Aber ich brauchte jemanden, der mich darin unterstützt, herauszufinden, was ich eigentlich will. Der ohne eigene Agenda mir hilft zwischen all den Ideen, Vorstellungen, Ansprüchen und Lasten, langsam und in meinem Tempo Unterscheidungen zu treffen.
Ich brauchte nach all den Jahren der Suche von Zugehörigkeit, einen Schutzraum, der es mir ermöglicht, meine eigene Zugehörigkeit zu definieren.
Liebe Florentine, so ein schöner Name, gibt ein ganz großartiges Kinderbuch dazu.
Manche von uns sind echte Anarchistinnen.
Nicht unbedingt im politischen Sinne, sondern im existenziellen.
Das Problem ist nicht, sich damit abzufinden vielleicht nur Mittelmaß zu sein. Denn als Weltenwandlerin gibt es bei solcher Bandbreite einfach keine 100%.
Das Ding ist, eine Situation zu schaffen, die es DIR erlaubt, DEINE 100% zu erkennen, zu definieren und Wege zu finden, Dein Leben so zu gestalten, daß Du nah an sie heran kommst.
Dazu hast Du leider auch Verpflichtung. Das ist jetzt ein bißchen gemein, aber das schlechte Gewissen von dem Du erzählst, könnte (!) das Bauchgefühl des Wissens um Sabotage sein (. ) Das Gefühl: Eigentlich ist doch alles toll, warum aber will ich das doch nicht? Das Wissen darum, daß es nicht echt ist.
Der Wunsch nach Zugehörigkeit zur einen oder anderen Gruppe, verletzt langfristig die, die wir lieben.
Die Idee, daß Du Dich zwischen Bauernhof und Loft mitten in der Stadt entscheiden müsstest, ist eine in Deinem Kopf. So lange Du da keinen Weg findest, machst Du andere brauchbar. Die sollen nämlich Zugehörigkeit vermitteln.
Das aber können andere nicht. Es von ihnen zu erwarten ist zudem nicht nett, weil diese nun mal weder über Deine Bandbreite verfügen noch daher verstehen, wie das ist.
Du DARFST aber MUßT auch, Deinen Weg finden.
Ein Weg, der Dir erlaubt ganz DEUTLICH zu sagen, ich kann vieles aber Fließen am Fußboden kann ich nicht.
Ein Weg, der es Dir erlaubt auch mal 9 Jahre zu warten, um die Lampe zu kaufen und bezahlen zu können, die Dich glücklich macht, aber bis dahin Freunde einzuladen unter der Glühbirne und lächelnd zu sagen, mäh ich bin da eigen.
Ein Weg, der DIR erlaubt, all Deine Widersprüche, Kanten, abgebrochene Ecken und starke Meinungen zu teilen.
Denn, Isolation ist immer Ergebnis daraus, daß wir das Falsche tun, (wenn auch) aus den richtigen Gründen.
Am Anfang dieses Threads gab es den wundervollen Satz, sei weniger Annika und mehr Pippi.
Nichts könnte deutlicher sein.
Deine Bandbreite VERDIENT und VERPFLICHTET Dich dazu, gelebt zu werden.
Frag Dich, wie ein Hippie-Leben mit Krankenversicherung für Dich ausschauen kann, lern anzuerkennen, daß das bedeutet, daß es nicht darum geht wozu Du Dich zugehörig fühlst, sondern such nach denen, die sich Dir anschließen und Liebes, wir alle müssen das lernen, aber zu glauben mit einem Fließenfußboden leben zu können, ist ein Anfängerfehler.
Weißt Du warum, Du so angefressen ob der Fliesen bist und Dir Holz wünscht?
Weil Holz lebt.
Weil Holz arbeitet.
Weil Holz sich entwickelt.
Ich hab mal versucht in einem Einzimmer-Apartment Neubau mit der schönsten Dachterrasse der Welt aber nur Dusche zu leben.
Beim nächsten Mal wurde es mit Ende 20 (sollte ich nicht ne eigene Wohnung haben) ne fünfer WG, völlig verraucht und Fenster im Erdgeschoss auf ne Brandmauer, Tageslicht von 12:00-12:15.
Die Fünfer-WG hatte allerdings 3.80m hohe Räume, Altbau, Fischgrätparkett und ne Katze.
Liebe @Florentine
es ist an der Zeit, die zu sein, die Du bist.
Dafür wünsche ich Dir Mut, Entscheidung und daß Du die Unterstützung findest, die es braucht.