Nun nochmal im Ernst. Bei mir war es damals so, dass ich in diese Affäre geriet, weil ich meine Ehe als goldenen Käfig empfand. Wir waren so sehr mit allen möglichen kleinen und großen Problemchen des Alltags beschäftigt, dass wir uns aus den Augen verloren hatten. Mein Mann ist außerdem ein eher stiller und introvertierter Mensch und mir fehlte es an Lebendigkeit und Lebensfreude. Unsere Kinder waren in der Pubertät, unsere Eltern mussten versorgt werden oder waren bereits verstorben. Beruflich waren sowohl ich als auch mein Mann am Ende der Fahnenstange angekommen. Überall roch es nach Abschied, Alter und Tod. Hinzu kamen bei mir noch depressive Verstimmungen aufgrund der herannahenden Wechseljahre. Da rannte der AM natürlich offene Türen ein.
Heute weiß ich, dass das so ziemlich der größte Fehler meines Lebens war, mich auf diesen Typen einzulassen. Die ersten Wochen waren toll. Ich war verliebt und fühlte mich lebendig und energiegeladen. Schnell träumte ich von einem Neubeginn an der Seite des AM, doch da hatte ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der wollte ja nur ein bisschen Spaß und den hat er ja dann auch bekommen. Als er merkte, das ich mehr wollte, beendete er das ganze sehr schnell, hielt mich aber noch über ein Jahr lang warm, indem er mir immerwieder Hoffnungen machte. Push und Pull nennt man dieses Spielchen wohl. Mal zog er sich komplett zurück, dann plötzlich bombardierte er mich wieder mit SMS und Anrufen. Es war der reinste Horror, denn ich muss dir nicht erzählen, was das mit einer verliebten Frau macht. Es ist ein sehr effektives Mittel der Manipulation, was die meisten AMs wie aus dem Effeff beherrschen.
Nach einem weiteren Jahr auf der Warmhalteplatte hatte ich aber die Spielchen zum Glück dicke. Ich ließ mich auf keine weiteren Treffen mehr ein und blockierte ihn so gut es ging. Das ganze aber unter starken Seelenschmerzen. Der Traum vom Prinzen, der mich wie Dornröschen durch seine Liebe wieder zum Leben erweckt, war einfach zu schön gewesen. Für meinen Mann konnte ich in dieser Zeit kaum etwas empfinden. Im Gegenteil, ich gab ihm sogar die Mitschuld an meinen Qualen. Dennoch blieb ich bei ihm, denn ich hatte eine Heidenangst, meine finanzielle und soziale Sicherheit und meine Familie zu verlieren. So spielte ich also die ganze Zeit Theater zu Hause und hinterging meinen Mann, den ich ja die meiste Zeit mindestens emotional betrog. Das war natürlich alles andere als fair und wird den AFs hier im Forum zurecht vorgeworfen.
Dennoch muss ich dir sagen, den größten Schaden fügte ich in dieser Zeit mir selbst zu. Ich pendelte emotional zwischen dem Sicherheits- und Nähebedürfnis einerseits und der Abenteuerlust andererseits hin und her. Das ist extrem anstrengend und geht auf die Dauer an die Substanz. Wenn mein Mann Zärtlichkeit und Nähe einforderte, gab ich ihm die, denn ich durfte ja nicht auffallen. Du kannst dir denken, was dabei in mir vorging. Wenn der AM nach mir rief, was zu meinem Leidwesen immer seltener der Fall war, lebte ich auf. Dann aber ging er wieder in den Rückzug und meine Welt brach erneut zusammen. Tage, an denen er sich per SMS oder Messenger meldete waren gute Tage. Tage und Wochen, in denen er Stillschweigen hielt, waren die Hölle. Aber ich durfte meine Qualen niemandem zeigen, also trug ich eine Maske und die blieb sogar dann auf, wenn ich mit meinem Mann S. hatte. Vielleicht kennst du das inzwischen?
Du denkst sicher auch, das das eben der Preis ist, den du bezahlen musst. Und du hoffst vielleicht immernoch auf ein Happy End in den Armen deines AM? Ich muss dir leider sagen, mit ziemlicher Sicherheit bleibt dieses Happy End aus. Dennoch bezahlst du Tag für Tag für einen Traum, der nie wahr werden wird.
Nun, mich hat es Jahre gekostet, das alles zu verarbeiten. Recht früh schon beichtete ich meinem Mann sogar die Wahrheit, jedoch verschwieg ich ihm, dass nach dem offiziellen Affärenende dieses ganze Theater noch monatelang weiterging. Das machte es umso schlimmer. Mein Mann hatte mir ja sogar verziehen und gab sich nun so viel Mühe, unsere Ehe zu verbessern. Es war wirklich rührend, wie sehr er sich dafür ins Zeug legte. Ich aber kam nicht los von diesem Typen, der jeden Tag meine Gedanken und Gefühle beherrschte. Kannst du dir vorstellen, wie ich mich fühlte, wenn ich in den Spiegel sah? Ich verstand mich selbst überhaupt nicht mehr. Mein Spiegelbild widerte mich an. Das ist natürlich alles andere als positiv für das eigene Selbstertgefühl. Geht es dir vielleicht genau so?
Irgendwann wollte und konnte ich so nicht mehr weiter machen. Ich hatte schlimme psychische und physische Beschwerden bekommen. Ich ging also zu meiner Hausärztin und berichtete ihr von meiner Misere. Sie war sehr verständnisvoll und mitfühlend und schickte mich zum Facharzt, also zum Psychiater. Von dort aus ging es in eine Therapie, die ich bis heute mache und die mir sehr hilft, das alles wieder ins rechte Licht zu rücken.
Meine Ehe besteht immernoch und sie verbessert sich stetig. Wir reden inzwischen wieder offen über alles, auch über meine Affärenzeit. Ich habe wirklich Glück, denn ich habe einen wunderbaren Mann, der mich liebt und der trotz seiner eigenen Verletzungen mit mir fühlt. Wir bringen wieder Leben in unsere Ehe und machen viele Dinge gemeinsam, an die wir früher nicht im Traum gedacht hätten. Für mich war diese Offenheit auch im Umgang mit der Affäre unverzichtbar. Mein Mann ist der Mensch in meinem Leben, der mir neben meinen Kindern, am nächsten steht. Ich hätte es nicht ertragen, weiterhin Geheimnisse vor ihm haben zu müssen. Dennoch muss ich dich warnen, denn so souverän würde bei weitem nicht jeder Mann reagieren. Die meisten Paare in unserem Bekanntenkreis, die ebenfalls von der Sache wissen, schütteln wohl insgeheim über uns den Kopf. Mein Mann wurde auch schon als Weichei beschimpft. Dabei ist er nun wirklich der stärkste und besonnenste Mann von allen.
Ich will dir auch nicht vormachen, dass bei uns nun immer eitel Sonnenschein herrscht. Das bei weitem nicht. Unsere Ehe ist und bleibt beschädigt. Sie ist wie eine Suppenschüssel, die wir mühsam wieder zusammengeklebt haben und nun behandeln müssen, wie ein rohes Ei. Aber je länger die Sache her ist, desto dicker wird der Kleber zwischen den Scherben und desto belastbarer werden wir wieder. Ach ja, und die Lebendigkeit, die ich damals so vermisst habe, die holen wir uns nun gemeinsam Stück für Stück zurück.
Ich wünsche dir viel Glück und alles Gute! Und bitte tue dir selbst einen Gefallen und beende diese Affäre ein für alle mal. Auch gedanklich. Erst dann können die Gefühle für deinen Mann überhaupt wieder zurück kommen. Und sei dir im klaren, dass du dafür einen langen Atem brauchst. Es dauert Monate oder Jahre, je nachdem wie konsequent du vorgehst. Wir sind nunmal Menschen und reagieren nicht auf Knopfdruck. Es ist ein langwieriger Prozess, sich vom AM zu entlieben und sich in den EM wieder zu verlieben. Das Handwerkszeug dazu bekommst du bei einem Paartherapeuten oder bei einem Psychotherapeuten, der erstmal nur dich alleine behandelt. Aber es ist möglich! Alles liegt - wie immer im Leben- bei dir!