Dies ist ein Brief für mich, für uns, ein Versuch meine und unsere Gedanken und Gefühle zu ordnen. Ich muss ihn schreiben, um den Wahnsinn in meinem Kopf zu ordnen, um uns die Möglichkeit zu geben diese traumatischen letzten Wochen einer solch großen Liebe zu verarbeiten.
Es ist gerade mal 4 Tage her, seitdem Du gegangen bist. Ich kann nicht schlafen, kann nichts essen. Ich erwache weinend und schlafe wenn überhaupt mit einem Gefühl einer bleiernden Schwere ein. Alles um mich herum erinnert mich an uns, egal wo ich mich aufhalte. Hier im Büro liegen Fotos von uns, geknipst in einem Fotoautomaten. Auf meiner Festplatte stapeln sich hunderte Bilder einer phantastischen Zeit, die ich weder löschen noch ansehen möchte, in meinem Kopf spuken tausende Erinnerungen an uns, die mich nicht loslassen. Ich kann nicht zu uns in die Wohnung gehen, weil mich alles an uns erinnert. Ich kann nicht bei mir im Büro sitzen, weil mich hier auch alles ans uns erinnert. Ich weiss nicht wohin mit mir, wohin mit meiner Liebe, wohin mit meinen Träumen. Ich kann mich nur noch auf die ganz wesentlichen Dinge konzentrieren. Atmen, essen, schlafen und irgendwie versuchen das Kopfkino auszuschalten das mich fast um den Verstand bringt.
Ich habe so viel nachgedacht in den letzten Tagen und versuche zu begreifen was passiert ist, wo und wann dieser Knacks entstanden ist, der uns in diese schreckliche Abwärtsspirale getrieben hat. Das bringt mich fast um, denn ich will es nicht wahrhaben. Ich vermisse dich so unendlich. Deine Nähe, Deine Berührungen, Deinen Geruch, Deine Stimme, Dein Lachen, Dein Grummeln wenn ich Dich nachts versehentlich wecke, einfach alles. Mein Körper rebelliert er weiss nicht wohin mit all dem Schmerz über den Verlust meiner großen Liebe zu dir.
Ich habe das Gefühl, mir wurde alles gleichzeitig genommen. Meine Vergangenheit mit dir, meine Gegenwart die ich kaum ertragen kann und die gemeinsame Zukunft, die wir uns gerade aufgebaut haben und die wir zusammen leben wollten.
Wer mich auffängt sind meine Familie und meine Freunde, die sich alle um mich versammeln, bei denen ich weinen kann, die mir Tee machen und die mich versuchen zu beruhigen.
Wenn ich das große Puzzle des letzten Jahres zusammensetze beginnt der Knacks in unserer Liebe für mich damit, dass wir ganz einfach zu unterschiedlichen Zeiten unserer Liebe mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen konfrontiert wurden. Welch Ironie des Schicksals, welch gemeiner Tumor, der sich zwischen uns gesetzt hat.
Es begann alles damit, dass wir in unsere gemeinsame Wohnung gezogen sind. Ein Triumph unserer Liebe für uns beide. Welch wunderbares Ereignis. Für Dich war klar, dass dies der letzte Schritt sein wird bevor wir uns den nächsten grossen Schritt zuwenden, nämlich eine Familie zu gründen. Wir hatten schon Namen erdacht, das Kinderzimmer ausgemacht und uns beide gedanklich damit angefreundet.
Leider war ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht bereit für diesen Schritt. Mir war immer klar, dass uns unsere Liebe zu einer Familie machen wird. Das habe ich Dir bereits auf Sizilien versichert, in einem Moment der einfach nur magisch war und der mit gezeigt hat, dass mit uns beiden alles möglich ist.
Das Zusammenziehen mit dir war für mich das Ereignis unsere Partnerschaft zu festigen, einen gemeinsamen Alltag aufzubauen und zu erleben, den wir vorher nur selten zusammen hatten. Das lag zum einem an uns selbst, an unseren Berufen, an all den schönen Reisen und aufregenden Abenteuern, denen wir uns so hingegeben haben. Ich habe im letzten Jahr in mir gespürt, wie ich mich verändere, wie ich langsam aber sicher ruhiger werden, nicht mehr jedem Glücksmoment hinterherjagen muss, weil Du mir zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl vermitteln konntest, zu Hause zu sein, angekommen in der Liebe, im Leben und in einer Partnerschaft. Dieses Gefühl hat mich so beglückt, so fasziniert, dass ich es noch weiter mit Dir auskosten wollte in unserer Villa Erich, in unserem kleinen Liebesnest.
Leider kam alles anders, nämlich ganz plötzlich Dein unbändiger Wunsch Mutter zu werden, in einer Stärke und Intensität, die uns beide vollkommen überfordert hat. Das Begann auf Sri Lanka in dem kleinem Cafe in Ella. Ich habe sofort die unbändige Dringlichkeit deines Lebenswunsches gespürt, die mich so sehr verunsichert hat, weil er mich sofort mit einem möglichen Ende unserer Beziehung konfrontiert hat und weil ich schon in diesem Moment gespürt habe, dass ich noch nicht bereit bin für ein Kind. Wir haben uns dann darauf zusammen geenigt den Wunsch noch um ein Jahr also bis 2014 zu verschieben. Wir haben uns aber glaube ich beide nicht so richtig damit abfinden können. Du konntest den Wunsch nicht weiter aufschieben oder verdrängen, weil er so unbändig in Dir getobt hat. Und ich konnte nichts weiter tun, als zu verdrängen, weil es mich so verängstigt hat an ein evtl. Ende unserer Beziehung zu denken.
Der zweite noch größere Bruch kam dann für uns in diesem Sommer. Das war für uns beide eine schwierige Zeit. Für mich waren diese 10 Wochen Trennung einfach zu lange. Ich saß in unserer gerade gegründeten Wohnung und habe dich so unendlich vermisst, weil ich einfach nur bockig wollte, dass du bei mir bist und mit mir endlich anfängst einen Alltag zu beginnen auf den ich doch schon seit 3 Jahren wartete. Ich habe in dieser Zeit große Fehler begangen. Ich habe angefangen mich von Dir zu entwöhnen, auf Abstand zu gehen, um Dich nicht so sehr zu vermissen. Das war in diesem Moment leider meine einzige Möglichkeit nicht zu sehr unter unserer räumlichen Trennung zu leiden.
Ich habe den großen Fehler begangen, vergessen mich selbst zu lieben. Ich habe in den letzten beiden Jahren all meine Liebe, auch die für mich, in unsere Beziehung gesteckt, weil ich so unendlich in uns verliebt war.
Weil ich ein grosser Romantiker bin und ein sturköpfiger Trotteltiger.
Bei Dir hat sich in dieser Zeit nur noch mehr der Wunsch nach einem baldigen Kind gefestigt. Auch du bist sicherlich ein wenig auf Distanz gegangen und hast aus der Ferne auf unser Leben geschaut und dich gefragt, warum ich mich so einem ganz normalen Wunsch nach einer Familie wiedersetze. Das hat dich verunsichert, wütend oder traurig gemacht und Dich bestätigt nur noch vehementer Deine Ziele einzufordern. Das gipfelte in einem großen Streit in dem wir uns beide sehr verletzt haben.
Ich habe zu dieser Zeit leider keinen anderen Ausweg aus meiner Verlustangst finden können, als mich zu wehren. Zu wehren indem ich gnadenlos gegen ein Kind argumentiert habe. Gnadenlos Deine Träume Stück für Stück demontiert habe. Das war kein feiner Zug von mir, rückblickend war es sogar ein sehr dummes Verhalten von mir. Das tut mir leid. Aber bitte verstehe, dass ich nicht anders konnte, weil ich mich so verletzt und so schwach gefühlt habe, dass ich mich einfach nur schützen musste. Ich habe versucht meine Stärke in unserer Beziehung wiederzufinden, indem ich Dich auch mit einem möglichen Ende konfrontiert habe, das Wort Trennung als Drohgebärde zu oft benutzt habe und in dem ich Dir furchtbare Argumente gegen ein Kind geliefert habe.
Ich habe so sehnlichst in dieser Zeit auf einen Schritt von dir gewartet. Eine Umarmung, einen Kuss oder auf Deine Stimme, die mir sagt, dass Du mir noch ein bisschen Zeit gibst mich auf ein Kind vorzubereiten und uns noch ein bisschen Zeit gibst unsere Partnerschaft noch weiter zu festigen und über diese erste, große Krise hinwegzugehen.
Wir standen da in einer kompletten Pattsituation, konnten beide nicht aus unserer Haut, gelähmt weil erschüttert in den Grundwerten unsere Liebe. Traurig und so tragisch. Wir haben beide große Fehler begangen in dieser Zeit. Wir haben es versäumt sie zu beheben und zu lösen, weil der Druck auf uns beide so hoch war. Rückblickend ärgere ich mich, dass wir nicht schon damals z.B. eine Paartherapie gemacht haben, das hätte uns vielleicht gerettet. Das ging aber auch nicht, weil Du ja schon wieder den nächsten Pilcherdreh gemacht hast und daher haben wir alles aufgeschoben und auf eine letzte, entscheidende Reise gesetzt, die alles lösen sollte.
Es war ganz toll mit Dir auf den Azoren. Ich erinnere mich an diesen tollen Ausritt mit den wilden Pferden, an die tollen Aussichten auf Vulkanseen und unsere unbändige Leidenschaft, als wir uns auf Felsen geliebt haben. Das werde ich niemals vergessen können, diese Erinnerungen bleiben für immer in meinem Herzen. Ich erinnere mich aber auch an viele Tränen und daran, dass du begonnen hast Dich zu entlieben weil auch du nicht mehr mit der Gesamtsituation zufrieden warst.
Das tragischste an dieser Phase war aber, dass ich kurz nach diesem Urlaub eine Entscheidung für mich getroffen habe, die zu spät kam. Ich habe mich dazu entschlossen Vater werden zu wollen. Mit dir. Das ist eine Entscheidung, zu der ich zu 100% gestanden hätte, die ich für mein Leben und nicht für den Moment getroffen habe. Ich habe mich dazu entschlossen, weil ich an unsere große Liebe glauben wollte. Daran dass es was ganz Besonderes und Einzigartiges ist, so lieben zu dürfen. Wir werden beide wieder Menschen finden, die wir lieben werden, aber es wird anders werden. Es wird vielleicht niemals wieder so intensiv und heftig werden, weil es die eine, große Liebe nicht oft gibt.
Manche finden sie nie, mit viel Glück findet man sie, so wie wir sie gelebt haben.
Ich erinnere mich an den Moment des endgültigen Abschiedes von uns. Als wir in der Küche saßen, ich dir ein Jahr Zweisamkeit geboten habe und Du mich gefragt hast ob es auch 6 Monate sein können. Ich habe das verneint, weil ich so sehr gekämpft habe um uns, so sehr geglaubt habe an uns. Daher konnte ich nicht von dem Angebot weichen, weil ich zu stur dafür bin und weil ich geglaubt habe, dass du auf mich zukommen wirst. Dieser Moment tobt in meinem Kopf. Wie hätte alles geendet, wenn ich in diesem Moment eingelenkt hätte?
Der Rest war dann nur noch ein gemeinsames Trampeln im Scherbenhaufen. Ich war so verstört von der Situation, dass ich angefangen habe dir nachzuschnüffeln, um plausible Gründe für deine Entfremdung zu finden. Ein schändlicher Zug von mir.
Du hast versucht in Deiner Entfremdung zu bestätigen, indem Du Dich mit Lukas getroffen hast, auch kein feiner Zug aber in der Situation verständlich.
Und nun? Nun ist alles aus.
Was bleibt ist unsere Erinnerung an 3 wundervolle Jahre. Die schönsten und glücklichsten Jahre meines Lebens. Ich habe Dich wahrhaftig uns selbstlos geliebt ohne Reue und ohne Bedingungen. Ich hoffe Du hast diese Zeit genauso genossen wie ich und hoffe, dass Du sie niemals vergessen wirst. Es ist so tragisch. Wir müssen nun beide wieder bei Null anfangen. Wir müssen uns erst voneinander lösen, uns wieder finden und auf die Suche nach neuen Partnern begeben. Das kann Jahre dauern. Das wird furchtbar werden, ich kann mir noch gar nicht vorstellen, wie es sich anfühlen wird, wenn Du Deine Sachen aus unserer Wohnung räumen wirst.
Und weißt Du was das Tragischste an dieser Situation ist? Ich bin gerade durch unsere Trennung durch unseren Streit zu dem wundervollen Gefühl gekommen, dass ich Vater werden möchte. Ich möchte ein Kind in diese Welt setzen mit einer Frau, die ich liebe. Und ich möchte damit nicht mehr sehr lange warten, weil ich eigentlich bis max. 40 soweit sein möchte.
Ich habe die letzten Wochen sehr viel reflektiert, sehr viel nachgedacht und beobachtet. Ich habe Freunde getroffen, die kinderlos und Single sind und sich damit glücklich schätzen. Ich habe Freunde getroffen, die Väter sind und ich sehe in ihrem Herzen ein Glück und eine Freude, die einer ganz grossen Liebe gleichkommt.
Ich habe mich in Paris 1 Stunde auf einen Spielplatz gesetzt und Eltern und Kindern beim Toben zugesehen, ich habe das Lachen und die Freude in mich aufgesogen, habe die Liebe und Verbundenheit zwischen Eltern und Kindern gespürt und es hat klick gemacht.
Ich wünsche mir gerade so sehr schwanger zu werden oder anders gesagt, ich fühle wie meine Uhr anfängt zu ticken.
Wie soll ich das alles verarbeiten? Ich weiss du vertraust uns nicht mehr, hast den Glauben daran verloren, dass ein Kind mit uns der richtige Weg gewesen wäre. Ein Kind wird und kann keine Beziehung retten, das weiss ich doch auch. Aber ich weiss auch, dass ich ein wundervoller Vater gewesen wäre, dass ich Dich wie auch in den letzten Jahren in allem unterstützt hätte und dass es mich letztendlich sehr, sehr glücklich gemacht hätte mit Dir eine Familie zu gründen.
Ich weiss du hat abgeschlossen, Dich entliebt und entschlossen wieder deinen eigenen Weg zu gehen. Bitte denke aber kurz darüber nach, wie bitter und steinig das für uns beide werden wird. Wir müssen alles hinschmeißen und von Vorne beginnen. Unserem Schicksal, unsere Liebe wurde das letzte große Glück verwehrt, weil sich unser biologisches Timing um ein dummes Jahr verpasst hat. Ein dummes Jahr, dieses Drecksjahr 2013 hat unsere Liebe beendet. Das macht mich so traurig.
Und hier keimt noch ein allerletzter Funke Hoffnung in mir. Ein allerletzter Strohhalm an den ich mich klammern kann bevor ich ganz Abschied nehmen muss. Wenn Du mir jetzt wieder in der Küche gegenübersitzen würdest in dem letzten, finalen Moment vor dem Abschied, würde ich sagen, ok wir machen ein Kind und zwar dann wenn Du es möchtest. Weil ich habe Frieden gefunden in meiner Entscheidung Vater werden zu wollen. Ich würde das Schicksal in Deine Hände legen und ich würde mich auf alles einlassen was danach kommt.
Hier brauche ich eine Antwort von Dir, nicht sofort aber bald, um mich final lösen zu können und den letzten Halm loszulassen zu können. Das würde sehr, sehr hart für mich werden aber ich werde es irgendwie überstehen. Ich möchte Dich aber dann auch bitten gut auf dich aufzupassen und nicht blind in eine neue Liebe zu rennen, nur weil Deine Uhr doch so sehr tickt. Das Versprechen, dass ich Dir unter Spucke auf den Azoren gegeben habe, werde ich übrigens auch halten. Denn ich will immer noch, dass Du glücklich wirst, denn das macht mich immer noch zum glücklichsten Tiger der Welt.