Ich habe gestern Nacht dieses Forum gefunden und stundenlang darin gelesen. Ich finde es toll, was für Hilfe hier von der Forumsgemeinde für die Ratsuchenden kommt. Ich möchte mich auch gerne mit einer Bitte um Hilfe an euch wenden.
Ich (w/Anfang 40) bin seit über 10 Jahren verheiratet und habe zwei Kinder (5 und 7Jahre). Ich bin bis zum vergangenen Mai 2014 immer treu gewesen, obwohl ich mit meinem Mann viele schwierige Zeiten durchgestanden habe.
Mein Mann hat spezielle Probleme, die dazu geführt haben, dass ich immer wieder sehr enttäuscht über ihn gewesen bin. Ich möchte hier nicht weiter auf die Probleme meines Mannes eingehen. Nur ein paar Stichworte, dass er ist ein sog. Konfliktlügner ist, immer wieder seinen Arbeitsplatz verloren und mich darüber angelogen hat, sollen hier genügen. Er ist trotzdem ein guter Mensch, kümmert sich liebevoll um unsere Kinder, macht im Haushalt mit, ist sehr großzügig und unterstützt mich in meinen Plänen und versucht seine psychischen Probleme mit einer Therapie zu bekämpfen. Weil mir einer seiner Therapeuten erklärt hat, dass er nichts für seine Lügen könne, habe ich ihn immer wieder verziehen, doch so richtig umgehen kann ich mit seinen Lügen nicht, da sie auch sehr existenziell bedrohend sind. Auch konnte ich mich nicht mehr richtig auf S. mit ihm einlassen, da ich irgendwie einen inneren Groll auf ihn hatte.
Nachdem letzte Ostern wieder einmal Lügen von ihm aufgeflogen sind (er hatte mich darüber belogen, dass er seine Probezeit bestanden hat, wir haben das groß gefeiert, dabei war er schon zwei Monate arbeitslos und in der Probezeit entlassen), war ich so verzweifelt, dass ich offen für andere Männer war. Ich habe nicht direkt gesucht, aber ich habe jemanden gefunden bzw. der Jan hat mich gefunden. Wir wohnen um die Ecke und er ist mir im Supermarkt mit seinem Einkaufswagen aus Versehen in die Füße gefahren.... so sind wir ins Gespräch gekommen. Der Jan ist zwei Jahre älter als ich und alleinerziehender Vater eines 14jährigen, sehr schwierigen Jungen (hat keinen einzigen Freunde, interessiert sich nur für seine Playstation). Der Junge wird in erster Linie von seinen Großeltern betreut, die Eltern von Jan, zu denen Jan ein mehr als enges Verhältnis hat.
Es begann als große Liebe, der S. mit Jan war großartig, wir wollten heiraten, mit allen Kindern zusammenziehen... Denkt euch einfach an dieser Stelle die übliche Liebesgeschichte, jeder hält seine für einzigartig, aber im Grunde ähneln sich ja alle... Da mein Mann laut schnarcht, übernachten wir in getrennten Zimmern, und da er auch noch Konflikten ausweicht, war es sehr leicht für mich, ihn über das Fremdgehen zu belügen. Ich habe ihm gesagt, ich sei in einer MidlifeCrisis, mit Freunden unterwegs und komme deswegen nachts später wieder. Er hat das so hingenommen, da er eh eher ein ruhiger Typ ist, der gerne fernsieht und seine Ruhe will.
Jan und ich wollten unsere Gefühle erst testen und ich hänge doch sehr an meiner Familie, dh Mann und Kinder und das kleine Häuschen, das wir gebaut haben. Ich war hin und her gerissen. Es kam, wie es so oft kommt: am Anfang idealsiert man den neuen Partner ungeheuer und auf einmal stellt man fest, dass er doch nicht so großartig ist, wie man dachte. Mir ging es so mit Jan. Am Anfang dachte ich, dass er mein absoluter Traummann ist. Aber ich bin keine 20 mehr. Und ziemlich bald ist mir aufgefallen, dass Jan mich nicht glücklicher machen würde als mein Mann. In 10 Jahren mit Jan, da bin ich mir sicher, bin ich unglücklicher als jetzt mit meinem Mann.
Was will diese Frau? Warum schreibt sie dann hier? Warum trennt sie sich nicht einfach von Jan? Das fragt ihr euch jetzt wahrscheinlich. Ich baue diesen Text aber chronologisch auf, so dass meine konkrete Frage erst am Schluss kommt.
Jan hat sich als sehr schwieriger und komplizierter Mensch herausgestellt. Er kommt aus der IT-Branche und redet am liebsten über seine technischen Probleme. Am Anfang habe ich ihm stundenlang über Cloud-Projekte und wie man Mails verschlüsselt etc zugehört und nachgefragt, und fand das sogar spannend, obwohl ich gar nichts mit diesem Bereich zu tun habe. Ich habe mir seine beruflichen Sorgen angehört, wie sein Chef ihn übergangen hat, und dass sein anderer Chef keine Ahnung von Netzwerken hat und wie doof und ungeeignet die Kollegen sind. Ich habe mir seine Hetze über seine Ex-Frau angehört, die angeblich allein daran schuld ist, dass der Sohn so missraten ist (seine Wortwahl). Die Ex-Frau hatte er vor 15 Jahren als 20jährige in Russland über eine Agentur gekauft. Sie ist drei Monate später schwanger geworden, hat dann hier studiert und nachdem sie einen Job gefunden hat, hat sie Jan und seine Familie verlassen und lebt nun mit ihrem Chef ein neues Leben. Jan hat seine Ex-Frau niemals das gemeinsame Auto fahren lassen, sie musste jeglichen Kontakt nach Russland abbrechen, da Jan Russland hasst, sie musste das Kind nach seinem Vater nennen (die nennen sich jetzt mit senior und junior hinter ihrem gleichen Vornamen!) und sie haben eine Wohnung direkt neben der Wohnung seiner Eltern bezogen, die dann das Kind betreut haben. Jan selbst ist auch Einzelkind, sehr verwöhnt und seine Mutter wäscht und kocht heute wieder für ihn.
Er hat eine rasende Wut in sich, wenn man ihm widerspricht bzw einen Streit anfängt. So habe ich mehrmals versucht, ihm bei seiner einseitigen Darstellung über seine Ex-Frau zu widersprechen, was jedesmal zu riesigen Streiten führte. Ich habe versucht, ihm zu sagen, dass er doch mal was mit seinem Sohn unternehmen solle, um ihn von der Playstation wegzubekommen - Ergebnis: Riesenstreit, ich würde mich einmischen, ihn kritisieren, sei nicht loyal. Er verträgt keinerlei Kritik, keinerlei Konflikt, er will 100prozentige Übereinstimmung, seine Aussage ist, dass er sich am liebsten eine Frau wünscht, die einfach nur gut zu ihm sei, bspw eine Krankenschwester oder Altenpflegerin. Er meint dies nicht als Scherz. Er kennt keine Ironie. Jan ist kein reflektierter Mensch. Er denkt nicht über sich nach. Er fordert nur von anderen Anerkennung und Bewunderung für sich ein. Wenn ich ihm dies gegeben habe, habe ich bekommen, was ich wollte: idealisierte Liebesbeteuerungen, dass ich die Tollste, Beste, Wundervollste, Schönste sei, meine tolle Figur, so s.y, die langen Haare, warum haben wir uns nicht schon vor 15 Jahren kennengelernt, 5 lange Whatsapp-Nachrichten jeden Tag, schmachtende Blicke, Zukunfstspinnereien.
Ich bin nicht ganz blöd und habe natürlich gemerkt, dass dies keine echte Liebe ist, sondern nur die Wiederspiegelung seines Bedürfnisses nach Anerkennung. Jan kennt keine Grautöne: er kennt nur Idealisierung und Abwertung. Wenn ich mich nicht verhalten habe, wie er wollte, wenn ich in seinen Augen Problemgespräche, dh Kritik in irgendeiner Form an ihm, geführt habe, war ich nicht mehr gut, haben wir nicht mehr zusammen gepasst und er wollte - ganz nüchtern - die Beziehung beenden. Seine Worte waren, dass er die totale Harmonie will.
Obwohl ich schon sehr lange wusste, dass Jan nicht der richtige Mann für mich ist, konnte ich mit diesen Trennungen nicht umgehen. Ich hatte große Verlustängste. Ich hatte Angst, dass Jan eine einfache, devote Frau kennenlernt (ich bin nicht unterwürfig, sondern eher temperatmentvoll), so wie er es sich wünscht, die sich unterordnet und ihm nach dem Munde redet und er mich vergisst.
Ich weiß, das klingt paradox: Aber ich wollte unbedingt haben, was ich doch eigentlich nicht haben wollte. Ich habe mich elend gefühlt, wenn er mir seine Liebe entzogen hat. So elend, dass ich einen Psychologen aufgesucht habe. Mit dem habe ich dann herausgefunden, dass ich bei Jan die Beziehung mit meinem Vater wiederhole, auf der Suche nach Liebe bin, die ich nicht bekomme und von Jan diese Liebe haben will, die mir mein Vater aber nie gegeben hat. Jan kann mir aber diese Liebe ebensowenig geben wie mein Vater, denn er ist unfähig zur Liebe. Und ich versuche anscheinend, die Nicht-Beziehung zu meinem Vater zu heilen, indem ich den nichtbeziehungsfähigen Jan beziehungsfähig machen will. Alles schön und gut und kann ja auch so sein. Aber selbst diese Erkenntnis hilft mir nicht so besonders weiter. Ich finde das alles sehr kopflastig. Was für Konsequenzen soll ich daraus ziehen?
Ok. Zur aktuellen Situation. Jan und ich hatten wieder einen Streit. Er will sich ein neues Auto kaufen. Sein Auto ist alt und kaputt und kommt nicht mehr durch den TÜV und ich habe ihn immer mein Auto (auch relativ neu) fahren lassen. Auf meine Frage, ob er mich denn dann auch sein neues Auto fahren lassen würde, sagte er, dass ihn diese Frage von mir aufrege, denn ich wüsse doch, dass er niemanden mit seinem Auto fahren lassen würde und ich sei auf Konflikte aus und er wolle sich trennen. Wieder der Verlustangsteffekt bei mir, der dazu führt, dass ich in den Nachlauf-Modus schalte. Habe auf ihn eingeredet, dass wir uns nicht trennen, habe ihn nach dem Munde geredet, Bewunderung geheuchelt, mit ihm über seine Chefs und Ex-Frau gelästert, ihm erzählt, wie toll er ist. Nun will er noch mal einen neuen Versuch, aber wir müssen es schaffen, uns nie mehr (!) zu streiten. De facto bedeutet das: ich müsste mich total zurücknehmen.
Wie schon beschrieben, bin ich nicht total blöd und weiß natürlich, dass diese Affäre, als die ich es inzwischen betrachte, keine Zukunft hat. Ich möchte aber das Steuer in der Hand behalten, wie man so schön sagt. Ich möchte selbst den Zeitpunkt wählen, wann ich diese Affäre beende. Ich möchte dazu bereit sein. Der Hauptgrund dafür: ich habe während der Kindererziehungszeiten nochmal ein Studium begonnen und die Abschlussklausuren stehen in den kommenden Wochen an. Ich habe diese Klausuren wegen der damals recht frischen Jan-Geschichte schon mal im vergangenen Sommer verschoben. Ich fühle mich schon jetzt wieder so innerlich unruhig bezüglich Jan, dass ich mich kaum aufs Lernen konzentrieren kann. Ich habe bereits wieder eine ganze Woche wegen des Hickhacks mit Jan verloren.
Ich MUSS diese Klausuren und die Abschlussarbeit schreiben. Dies sagt mir mein Verstand. Ich bekomme danach einen besseren Job, die ganze Arbeit der vergangenen Jahre wäre sonst umsonst. Ich will deshalb Ruhe an der Jan-Front. Diese Ruhe, dh seine Liebe bekomme ich nur, wenn ich komplett auf die Bedürfnisse von Jan eingehe. Beim geringsten Konflikt wird er sich trennen. Er kennt keine Rücksicht. Er interessiert sich nicht für mein Studium, für meine Pläne etc. Er interessiert sich grundsätzlich nicht für andere Menschen und hat auch keine Freunde, deshalb hatte er ja immer Zeit für mich. Ich habe mir das bisher damit erklärt, dass er ITler ist. Letzten Endes kann ich ihn niemals ändern, das muss ich akzeptieren. Und ich muss einsehen, dass seine angebliche Liebe keine echte Liebe ist, sondern nur eine Illusion. Ich werde von Jan niemals bekommen, was ich brauche: einen Partner, einen reifen, erwachsenen Mann, der mich nicht idealisiert, sondern mit meinen Fehlern liebt, der sich für mich und mein Leben und meine Gefühle interessiert, der Konflikte konstruktiv lösen kann und der weiß, dass das Leben oft ein Kompromiss ist. Ich habe das verstanden. Nur meine Gefühle kommen mit dem Verstand nicht mit.
Hier nun mein Konflikt, meine Frage an euch: Ich möchte selbst den Zeitpunkt bestimmen, wann ich die Geschichte mit Jan beende. Ich weiß noch nicht, wann ich dazu bereit bin. Ich brauche auf alle Fälle die nächsten Wochen keine Trennungs-Unruhe wegen der Klausuren. Dies bedeutet aber, dass ich Jan das geben muss, was er will. Dazu gehört Bewunderung und Anerkennung heucheln und keinerlei Kritik an ihm äußern. Das ist noch kein so großes Problem. Das Problem für mich ist der S. ex. Ich bin diesem in den vergangenen zwei Wochen ausgewichen. Ich habe Angst, dass ich durch den S. ex wieder mehr positive Gefühle für Jan bekomme und dann wieder unruhig bin und die ganze Geschichte nicht mehr steuern kann.
Aus irgendwelchen Gründen ist Jan nämlich beim S. ex eher unterwürfig - ganz anders, als im echten Leben. Er sagt, er fühle sich nur als Mann, wenn er die Wünsche der Frau erfüllen kann, wenn ich glücklich beim S. sei, sei er es auch usw usf. Der S. ex war das, was uns bisher verbunden hat und was mich immer wieder auch zu ihm hingezogen hat. Am Anfang war ich geradzu süchtig nach S. ex mit ihm, da ich so viel männliche Hingabe gar nicht kannte. Aber die Lebenswirklichkeit hat den S. ex eingeholt und ich seit mir klar ist, dass seine große Liebe eine Illusion ist, hat meine Lust rapide abgenommen. S. ex ohne dass ich an die Liebe glaube, gefällt mir nicht so gut. Wenn ich Jan aber halten will, dann muss ich auch S. ex mit ihm haben. Ansonsten merkt er, dass was nicht stimmt, nimmt meine S.-Verweigerung als Kritik an ihm auf, will sich dann trennen und ich habe wieder inneres Chaos und Unruhe.
Vielleicht fällt ja irgendjemandem aus der Forumsgemeinde eine Lösung für mich ein. Gibt es einen Trick, wie man beim S. ex seine Gefühle abschalten kann? Ich möchte diese Nähe, diese innere Vertrautheit, die entsteht, wenn man miteinander schläft im Grunde für mich nicht mehr zulassen. Ich bin aber wegen der meiner Prüfungens-Endzeit derzeit in einem echten Dilemma. Ich brauche jetzt wirklich innere Ruhe, um zu lernen.
Sorry, dass der Text so lang geworden ist. Ich hoffe, dass ihn überhaupt jemand liest...
11.03.2015 13:33 •
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