Hallo zusammen,
Meine Freundin (20) hat mich (25) vor drei Wochen nach 1,5 Jahren verlassen und ich durchlebe gerade eine der schlimmsten Phasen meines Lebens. Es fühlt sich an, als hätte ich meine bessere Hälfte verloren. Ich danke jedem, der sich die Zeit nimmt, sich den ganzen Roman durchzulesen.
Wir lernten uns vorletzten Sommer im Urlaub kennen und es war quasi Liebe auf den ersten Blick. Ich war vorher 7 Jahre lang single. Sie verlängerte sogar ihren Urlaub um eine weitere Woche, um länger bei mir zu sein.
Wir kommen aus unterschiedlichen Bundesländern, was die Situation natürlich nicht leichter machte. Statt es als Urlaubsflirt abzutun sahen wir uns danach wieder. Sie besuchte mich auch immer wieder für mehrere Tage/Wochen und nach drei Monaten zog sie sogar für ein soziales Jahr in meine Stadt. Irgendwie hat mich das ganze überfordert und ich bekam Zweifel daran, ob das alles so richtig wäre. Ob es vernünftig von ihr wäre, dass sie für einen Typen den sie kaum kannte ein neues Leben beginnt. Sie war zu dem Zeitpunkt 18 und zog aus einem sehr behüteten Umfeld weg. Ich fühlte mich verantwortlich dafür und bekam Panik. Das Resultat war dann dass ich sie auch aufgrund meiner stressigen Jobsuche immer ein Stück auf Abstand hielt. Mir fiel es aber allgemein sehr schwer, meine Gefühle zu äußern. Da spielte allerdings auch meine Verlust- bzw. Bindungsangst eine große Rolle. Es kamen einfach viele Faktoren zusammen, die mich so handeln ließen, wie ich es tat. Wahrscheinlich konnte ich mein Glück einfach nicht glauben und wollte sie irgendwie testen und sehen ob sie es wirklich ernst meinte. Trotz meiner Eigenarten blieb sie jedoch. Sie schenkte mir Liebe, Zuneigung, unterstützte mich und ich versuchte so gut es ging für sie da zu sein, denn schließlich war ich ein wichtiger Grund für sie, herzuziehen. Mich ihr völlig zu öffnen war mir zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht möglich, auch wenn ich es gerne wollte. In meinem Kopf kreisten so viele Fragen. Was wäre wenn ich mich ihr öffnete und sie mich verließ? Wenn sie dann doch für ihr Studium in eine andere Stadt zöge? Wenn sie wieder zurück in ihre Heimat wollte? Was wenn ich sie verließ und sie doch extra für mich diesen Schritt gemacht hat? Bin ich überhaupt gut genug für sie? Das waren meine Gedanken, die mich unglaublich gelähmt haben, diese Beziehung als das anzunehmen, was sie war: genau das was ich immer wollte.
Ich habe ihr in 1,5 Jahren kein mal sagen können dass ich sie liebe, dass ich ihr unendlich dankbar bin dass sie bei mir war. Es fühlte sich einfach unwirklich an, dass diese wundervolle Frau so viel für mich und unsere Beziehung auf sich nahm. Das einzige was ich tun konnte war, trotz meiner Ängste und Zweifel immer weiter aus diesem Panzer auszubrechen den ich mir selbst gebaut habe. Das brauchte allerdings eine ganze Weile. Sie blieb geduldig.
Ich habe viele Fehler gemacht. Habe sie oft gemaßregelt, ihr zu wenig Wertschätzung entgegengebracht und auch ihr Bedürfnis nach körperlicher Nähe nicht ausreichend befriedigt. Damit meine ich nicht 6, sondern kuscheln, Umarmungen, Händchen halten etc. ich wollte es zwar tief in mir drin, aber der Gedanke an ihre Nähe hat mich oft irgendwie abgeschreckt. Sie akzeptierte das und hielt weiter aus.
Nach unserem gemeinsamen Urlaub im September erhielt sie tatsächlich einen Studienplatz in der Stadt und fand auch eine feste Wohnung. Allerdings war das auch die Zeit in der sie langsam zu zweifeln begann. Ich hatte es zwar geschafft, mich ihr weiter zu öffnen und versuchte auch immer wieder durch kleine Gesten meine Liebe zu zeigen, aber sagen konnte ich es immernoch nicht und auch wenn es gut zwischen uns lief, wir uns irgendwie eingependelt hatten, fehlte ihr wahrscheinlich auf Dauer einfach die nötige Wärme meinerseits.
Dann gab es diesen Moment. sie saß gemeinsam mit mir auf meiner Fensterbank, wir rauchten eine Zig. und ich sah sie an. Es war als hätte ich sie vorher noch nie wirklich angeschaut. Vor mir saß die schönste Frau der Welt. Die Frau, die mich trotz meiner Macken und Fehler liebte wie ich war. Die mir alles verzieh und mir immer das Gefühl gab, der einzige für sie zu sein. Das mag in einer Beziehung zwar irgendwie normal sein, aber das Gefühl kannte ich einfach nicht. Es war als hätte ich das erste mal meine Augen geöffnet. Ich wollte ihr in diesem Moment so sehr sagen was ich für sie empfinde. Ihr sagen wie sehr ich sie liebe und wie glücklich sie mich macht. Es brannte regelrecht in mir. Noch immer bekam ich es nicht gebacken und ich sagte statt ich liebe dich nur deine Haare gefallen mir heute sehr. Ich war mir sicher, dass ich bald so weit wäre und es nicht mehr lange dauern würde, bis ich endlich über meinen eigenen Schatten springen konnte. Wahrscheinlich haut der ein oder andere schon in die Tasten um mir zu sagen was für ein riesen Idiot ich bin. Dass ich sie gar nicht verdient habe. Glaubt mir: Niemand hasst mich mehr für diese verpassten Chancen als ich selbst und es gibt seit 6 Wochen keinen einzigen Tag, an dem ich es nicht bereue und darum weine. Dass ich zu oft und zu lange einfach nur zugesehen habe, wie sie die ganze Wärme in unsere Beziehung trug und ihre eigenen Bedürfnisse hinten anstellte. Es ist einfach paradox und ich erkenne mich rückblickend selbst nicht wieder. Was sie mir gab war alles was ich wollte, also wieso verdammt nochmal konnte ich es nicht zulassen?
Jedenfalls fing sie vor ein paar Wochen an, sich immer mehr zurückzuziehen und ich dachte dass das daran läge, dass sie einfach erstmal im Studium und ihrem neuen Leben ankommen muss. Das war auch das was sie mir auf meine Nachfrage was mit ihr los sei antwortete.
Ab da machte ich eigentlich alles falsch, was man falsch machen konnte. Ich geriet einfach nur in Panik und hatte unglaubliche Angst, sie zu verlieren. Ich versuchte mit ihr zu reden, rief sie an ihrem Geburtstag an weil ich es nicht mehr aushielt und gestand ihr weinend das erste mal in unserer Beziehung meine Liebe. Wie schlecht das ankam kann sich jeder vorstellen. Wir vereinbarten dass ich nicht zu ihrer Party käme, da ich befürchtete, schlechte Stimmung zu verbreiten und ihr nicht ihren Geburtstag versauen wollte. Wir vereinbarten dass wir uns am nächsten Tag treffen würden um uns über die Situation zu unterhalten. Sie schrieb mir dann Mittags dass es ihr nicht gut ginge und sie das Treffen lieber verschieben würde. Ich drängte sie jedoch dazu und fuhr abends zu ihr. Wir sprachen etwa eine Stunde, weinten, sagten dass wir uns lieben uns diese Beziehung nicht einfach wegwerfen wollten. Ich schlug ihr vor dass sie sich erstmal Zeit nehmen solle. Sie war einverstanden und bedankte sich. Ich schaffte es gerade so, sie vier Tage lang nicht zu kontaktieren, dann fragte ich sie ob sie Lust hätte etwas zu unternehmen. Sie sagte dass sie wegen der Uni keine Zeit hätte. Am nächsten Tag rief ich sie an und bat sie erneut um ein Treffen.
Das nächste Treffen lief gut. Ich ging auf sie zu, blieb offen, Suchte Körperkontakt, versuchte so entspannt wie möglich zu sein und einfach anzunehmen, was passieren würde. Wir unterhielten uns lange und ausgiebig. Wahrscheinlich war es das offenste Gespräch das wir jemals führten. Wir sagte uns wieder dass wir die Beziehung nicht einfach aufgeben wollten und küssten uns zum Abschied innig und liebevoll. Sie hatte das Gefühl einen völlig neuen Menschen kennengelernt zu haben, sagte sie.
Ich schrieb ihr im Laufe der Woche noch einen langen Brief, in dem ich versuchte ihr zu erklären was mich bewegt und wieso ich sie des öfteren auf Abstand hielt. Ich schrieb auch von diesem Klick-Moment und dass ich mir nichts sehnlicher wünsche, als ihr all die Liebe und Zuwendung zu geben, die ich ihr nicht in der Lage war zu geben - vielleicht auch nicht geben wollte, ich weiß es nicht.
Wir trafen uns einige Tage später erneut und ich wollte ihr weiterhin beweisen, wie ernst es mir war. Dass mir meine Fehler bewusst waren und ich von nun an alles besser machen wollte. Ich wollte mich nicht verstellen, aber endlich aus mir herauskommen und die Gefühle die ich für sie hatte zulassen.
So fuhr ich nach der Arbeit bei ihrem Lieblingsrestaurant vorbei, kaufte Kerzen, richtete alles möglichst schön her um ihr eine Freude zu machen. Sie war sichtlich überrascht, sagte mir aber sofort dass das einfach zu viel sei. Autsch.
Ich bekam keinen Bissen runter und nach anfänglichem oberflächlichem Herumgeplänkel sprachen wir dann über uns und die Beziehung.
Ich entschuldigte mich bei ihr für meine Gefühlskälte, die Gefühle von denen sie zwar wusste, die ich aber bisher nie formulierte und beteuerte abermals dass ich sie liebe und sie nicht verlieren wollte. Wir fingen beide an zu weinen und sie sagte dass ich nichts falsch gemacht hätte, dass sie trotz allem glücklich mit mir war und dass ich gar nicht wüsste, was für ein wundervoller Mensch ich sei. Das hat mir bis dahin noch nie jemand gesagt. Auch sagte sie, dass sie sich ihrer Gefühle nicht mehr sicher sei aber es ihr in letzter Zeit auch nicht gut ginge mit der Situation. Sie sagte, sie sei emotional noch nie so weit von mir entfernt gewesen wie in letzter Zeit. Mein Bauchgefühl sagte mir dass das vielleicht die letzte Chance wäre, mich ihr wahrhaftig zu öffnen und ganz egal ob sie sich trennen würde, wollte ich ihr die Dinge sagen, über die ich mit sonst niemandem jemals ernsthaft gesprochen habe. Trotz meiner Macken gibt es niemanden, dem ich so sehr vertraue wie ihr. Ich wollte nicht, dass sie mich verließ, ohne mich wirklich gekannt zu haben. So erzählte ich ihr von dem Abend vor 14 Jahren an dem meine Mutter tödlich verunglückte und ich alles hautnah miterlebte. Der Abend, der mich wohl zu dem Menschen machte, der ich nun bin. Sie wusste zwar vorher schon dass ich Halbwaise bin, aber ich habe ihr nie im Detail davon erzählt.
Wir hielten uns stundenlang im Arm, weinten, küssten uns und sagten dass wir uns lieben und wie viel wir einander bedeuten. Sie meinte aber auch dass sie so nicht weitermachen könne und Zeit bräuchte. Ich akzeptierte dies und lies sie gehen. wir verabschiedeten uns so, als würden wir uns am nächsten Tag wiedersehen. seit diesem Abend haben wir jedoch keinen Kontakt mehr.
Ich weiß nicht ob ich ihr zu viel zugemutet habe, mit meiner Offenheit. Vielleicht war es der falsche Zeitpunkt und hat sie nur zusätzlich überfordert. Ich wollte auch kein Mitleid erregen, sondern ihr dieses Geschenk machen, mich so zu kennen wie es sonst fast niemand tut. Das war das letzte was ich tun konnte und sie war die Person, die es von allen am meisten verdiente, Bescheid zu wissen.
Nun lerne ich mich selbst neu kennen. Ich vermisse sie jeden Tag und wünsche mir zu Weihnachten nichts mehr, als eine Zweite Chance, bei der ich alles besser machen könnte. Dass ich diese Chance bekomme, bezweifle ich sehr stark und das letzte was mir bleibt, ist ihren Wunsch zu respektieren und ihr Zeit zu geben. Ich hoffe dass sie sich irgendwann melden wird und wir uns wieder annähern. Aber mir ist auch bewusst, dass das vielleicht nie passieren wird.
Sie hat mein Herz berührt, es wieder zum schlagen gebracht und mich verändert. Mir die Liebe gegeben, die ich nicht kannte. Sie war schlichtweg meine (erste) große Liebe und ich werfe mir vor dass ich Chancen nicht nutzte als sie da waren und ihr nicht gerecht werden konnte. Nun arbeite ich sowohl an der Verarbeitung der Trennung, als auch der Wunden, die diese wieder aufgerissen hat. Aber neben der Trauer trage ich auch die Liebe im Herzen, die ich die letzten anderthalb Jahre erfahren durfte.
Danke fürs Lesen.
20.12.2018 18:10 •
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