Hallo Frechdachs,
deine Sicht der Geschichte ähnelt sehr stark der Version, die mein, ja was eigentlich, Ex, ehemaliger Freund, was auch immer es war einen gemeinsamen Freund erzählt hat, nachdem ich meinen jetzigen Mann geheiratet habe. Das ist jetzt fast 20 Jahre her.
Damals hat er nie gesagt, was das zwischen uns eigentlich ist, er hat auf Nachfrage auch höchstens angegeben mich zu mögen, aber nie für klare Verhältnisse gesorgt. Er hat sich auch nicht verhalten wie in einer Beziehung und er hat nie über Zukunftspläne gesprochen, in denen ich vorkam. Auch auf körperlicher Ebene fand keine Annäherung statt.
Im Gegenteil hatte ich oft und wiederholt den Eindruck, dass er mir immer wieder zeigen und vorführen wollte, dass ich ihm gar nicht so wichtig bin, er mich weder will noch braucht und wenn ich mich mal mit einem anderen Verehrer unterhalten habe, hat er vor mir heftig mit anderen Frauen geflirtet. Dort konnte er dann auch plötzlich überraschend forsch und munter in die Offensive gehen.
Ich war nach einer Zeit sehr frustriert und genervt, wünschte mir eine richtige Beziehung mit Verbindlichkeit, ausgesprochenen Gefühlen und konkreten Zukunftsplänen und ja, auch körperlicher Nähe.
Dazu kam, dass meine Familie und meine Freunde immer wieder fragten, was das mit uns sei und ich dazu nichts sagen konnte, weil von ihm dazu keine Aussage kam und auch keine zu holen war. Sie begannen sich über unser komisches Verhältnis lustig zu machen. Das war nicht schön für mich.
Ich hing sehr an ihm und hätte wahrscheinlich offensiver drängen müssen, war aber zu schüchtern und von seinen Aussagen, er mag mich und sonstigen Drucksereien verunsichert.
Andere Mädchen gingen Hand in Hand mit ihren Freunden und küssten sich, wurden zu Haus abgeholt und ausgeführt, bekamen Blumen und Geschenke und Liebeserklärungen und gemeinsame Träume von der Zukunft und ich bekam nichts. Das hat mich sehr verletzt und natürlich habe ich mir, nachdem er mich am Anfang mit Fragen und Zuneigungsbekundungen hat im Regen stehen lassen auch immer Mühe gegeben, nicht so zu wirken, als würde ich ihm hinterherlaufen oder als wäre es mir wichtig.
Ich schwankte zwischen Sehnsucht mit ihm endlich eine normale, richtige Beziehung zu haben und Wut, Frust und Enttäuschung darüber, wie er sich verhielt. Ich war sehr oft sehr traurig in der Zeit damals.
Bis ich eines Tages meinen jetzigen Mann kennenlernte. Es war plötzlich alles ganz leicht, ein offenes Aufeinanderzugehen, zu sich und seinen Gefühlen und Wünschen stehen. Er verwöhnte mich, sagte mir schöne Dinge, interessierte sich für mich, plante mit mir die nächsten Ferien und sagte sofort, eine Freundin wie mich hat er sich seit der Schulzeit vorgestellt. Damit war klar, dass ich seine Freundin bin. Er sagte, am Samstag hol ich dich ab, dann stell ich dich meinen Freunden vor und am Sonntag lernst du beim Mittagessen meine Familie kennen.
Ganz zu Anfang hing ich noch an dem langjährigen Freund. Ich habe ihm auch einen Brief geschrieben. Es kam wie immer nicht viel zurück.
Auch ich habe das Buch dann zugeklappt. Zwei Jahre später nach meiner Hochzeit hat er dann eben einem Freund sein Leid geklagt und seine Sicht auf unsere Geschichte klang ähnlich wie deine.
Ich war überrascht, dass er das so gesehen hat. In meiner Sicht war er derjenige, der nichts zugelassen hat. Für mich war das auch keine Beziehung, die wir hatten, es war eine Freundschaft, obwohl ich sehr verliebt war. Er hatte im Nachhinein das Gefühl, es wäre sehr wohl eine Beziehung gewesen. Der gemeinsame Freund hat dann etwas entrüstet gesagt, aber du mochtest sie doch nur und warst nicht verliebt, sie war doch ganz traurig die ganzen Jahre deswegen. Da hat er den Freund nur angeschaut und ist gegangen und hat nie wieder drüber gesprochen.
Ganz selten seh ich ihn mal von weitem, bis jetzt ist er alleine geblieben. Ich denk noch immer manchmal an ihn und frag mich, ob wir beide einfach Deppen waren und uns verpasst haben. Ich hab noch eine Eintrittskarte, als wir zusammen im Zoo waren, die hab ich bis heute aufbewahrt. Manchmal denk ich, wir hätten nochmal reden müssen. Ich glaube, in seinem Kopf hatte er Wünsche und Pläne für die Zukunft. Und das hab ich auch irgendwie gespürt, sonst hätte dieses was es auch war, zwischendrin zwischen Freundschaft und Beziehung, gar nicht so lang gehalten. Zugegeben hat er es aber ja nicht und es kam nie was von ihm.
Weil er aber bei anderen schon forsch sein konnte, dachte ich auch es kann daran nicht liegen.
Bis heute weiß ich nicht, woran es bei uns letztlich gescheitert ist. Ich denk, er hat sich dann von mir auch betrogen gefühlt am Ende, weil ich uns aufgegeben hab. Aber ich wär irgendwann kaputtgegangen dran, so zwischendrin gefangen zu sein und nichts von ihm zu bekommen.
Mein Mann hat mich dann gerettet.
Ob es bei dir jetzt so ähnlich war, weiß ich nicht, aber es hilft dir vielleicht, dir ein paar Gedanken zu machen wie die andere Seite aussehen könnte.
Alles Liebe
Doris