Zitat von BlueWoman45: Darf ich kurz fragen, wie deine persönliche Beziehungssituation ist?
Ich bin verheiratet, schon seit vielen Jahren. Die Eheschließung erfolgte zu einem Zeitpunkt als ich mir dachte, dass wir uns doch nun schon sehr lange kennen und trotz vieler Stürme beieinander sind. Es fühlte sich richtig an, schon auch wegen äußerer Gegenheiten. Mit zunehmendem Alter kommen Gedanken wie, was ist, wenn er oder ich in der Klinik sind. Da hat man als Lebensgefährte schlechte Karten.
Eineinhalb Jahre nach der Heirat stellte sich Frust ein. Ich langweilte mich und ich war unzufrieden mit allem und jedem. Ich stellte die Heirat innerlich in Frage. Wozu das, wenn es jetzt doch wieder so dahindümpelte und ich wieder eine leere und sinnlose Phase hatte?
Die Rettung war dann eine Affäre, die mir das große Glück bringen sollte. Alles passte, das Alter, der berufliche und soziale Hintergrund, ja sogar gemeinsame Vorlieben stellten sich heraus. Ein Traum! Jeder von uns beiden glaubte das Glück nun endlich gefunden zu haben.
Aber dann. Nach den ersten rauschhaften Monaten ging es langsam, aber stetig bergab. Meinem Mann hatte ich es irgendwann gesagt, ich wollte nicht weiter irgendwelche Halb- und Unwahrheiten sagen. Er blieb ruhig und sagte, ich müsse das selbst entscheiden, aber wenn ich es wüsste, wünscht er eine klare Aussage.
Damals hätte ich mich nicht entscheiden können, denn die Affäre war halt eine Affäre. Zwar mit dem Wunsch nach fester Bindung, aber dann kamen seine Verhaltensweisen des Einzelgängers wieder durch. Er brauchte Freiraum, wo wir uns ja eh nur jedes zweite WE sahen. Er entschied alles für sich, ich war nur ein Zaungast. Ansprüche konnte ich nicht erheben, denn da war ja immer noch meine Ehe. Ich pendelte ratlos zwischen Ehe und Affäre hin und her, wobei mich die Affäre immer mehr auffraß.
Alte Bekannte kamen wieder: Verlustängste, Versagensängste, Eifersucht, ein Gefühl des Nichtgenügens. Ich strampelte mich ab, aber ohne Erfolg. Ich mutierte zur besten aller Frauen und hatte doch das Gefühl, das reicht nicht.
Ich war nicht mehr ich, sondern durch irgendwelche inneren Mächte gesteuert, die stärker waren als ich.
Ich merkte, hier läuft was falsch, aber ich hätte nicht gehen können. Ich hielt aus, steckte Verletzungen ein, weinte oft im Stillen und stand tausend Ängste um ihn aus. Ich war wie ferngesteuert und hatte mich verloren. Er hatte mich sozusagen aufgefressen und ich fühlte mich wie eine Marionette, denn er bestimmte wie ich mich fühlte.
Es kam dann eines zum anderen und auf einmal merkte ich wie froh ich war, dass ich noch mein Zuhause hatte - weg von der Affäre. Wie schön das doch alles war. Es fühlte sich nach Heimat an, nach Geborgenheit, während mich die Affäre aufrieb. Ich war hoffnungslos unterlegen, er gab den Ton an.
Nach noch ein paar Runden mit der Affäre machte er Schluss und ich ging in den Entzug. Und fühlte mich bescheiden. Unglücklich, wertlos, war ja klar, ich hatte versagt, wie so oft. Ich war nicht genug gewesen. Ich hätte anders sein müssen, dann ... Es dauerte lange bis ich mich innerlich halbwegs losgelöst hatte. Meine Ehe lief derweil weiter, aber ich war beschäftigt mit meiner Heilung. Ich musste das alles erst verdauen und das war schwer.
Hassgefühle, Wut, Traurigkeit mussten durchlebt werden, man kriegt nichts geschenkt und ertet, was man sät. Selbst schuld! Ja, ich hatte meinen Teil dazu getan, dass es mir dreckig ging, während der AM locker flockig weiter lebte.
Was mir oft half, war mein Trotz. Diese miese Ratte würde mich nicht klein kriegen, ich würde was aus meinem Leben machen und entwickelte viele Aktivitäten. Das war heilsam, weil es mich ablenkte, aber mir vor allem zeigte, was ich alles machen konnte, ohne fremde Hilfe, ohne den Beistand eines anderen Menschens. Wie sehr hatte ich mir immer im Weg gestanden! Nicht mal allein auf einen Kongress wollte ich fahren vor lauter Feigheit. Ich machte es dann genau deswegen, um den inneren Schweinehund zu übertölpeln und es gelang.
Im Lauf der Monate ging es mir besser und ich gewann an Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. Meine Ehe lief weiterhin dahin. Mein Mann, der Magier, hatte begriffen, dass ich eine totale Bruchlandung erlebt hatte und Zeit für die Heilung brauchte. Zeit für mich.
Parallel dazu aber kam etwas in Gang. Wieso war ich wieder mal in so eine Beziehung geschlittert, die mir doch so viele negative Gefühle bescherte? Ich wusste natürlich theoretisch, dass die Kindheitserfahrungen eine große Rolle spielten, aber wie sehr diese einen steuern wusste ich nicht. Ich stellte zu wenig Relation zu mir her.
Und dann kam ich zu einem Therapeuten, der keine richtigen Therapien mehr anbietet, aber eine Anlaufstelle für Menschen mit Problemen war. Das war mehr als hilfreich, obwohl ja eigentlich nicht viel passierte.
Die verlorene Affäre war uninteressant, sie war Nebensache. Unbegreiflich, denn deswegen war ich doch da! Aber er kam kaum zur Sprache. Warum erfuhr ich etwas später. Man sucht sich den Partner ja gezielt aus, gesteuert von unbewussten Mustern. Und der Partner zeigt Dir glasklar, was bei Dir im Argen liegt. Ein Werkzeug der Seele, die uns zeigt, womit wir uns endlich mal befassen sollten.
Die unglaubliche Objektivität des Therapeuten war wohltuend. Es gab irgendwie kein Gut und Böse mehr, keine Opfer und Täter, es gab nur das was geschehen war. Ohne Verurteilung, ohne blödes Mitleidsgetue, ohne Bewertung von ihm und von mir.
Er sagte eine banale Wahrheit: Affären beruhen immer auf einem Mangel.
So einfach war das. Ja, es stimmte, die Leere meines Lebens war Ausschlag gebend gewesen, dass meine Antennen auf Empfang waren. Ein Mangel an Liebe, an Zuwendung und vor allem dieses Gefühl, das eigene Leben nicht im Griff zu haben. Ich war wie ein Segelboot auf dem Meer, aber ohne Kompass. Nur einen Heimathafen hatte ich, immerhin.
Der Therapeut fing sofort mit der Kindheit an. Eltern, Vater da, aber hatte immer sein Dinge gemacht, wollte vorwärts kommen, Meisterprüfung. Ich vergötterte ihn, aber ich empfand auch eine Ferne zu ihm, die ich später in Beziehungen nachlebte.
Die Männer blieben immer gefühlt ein wenig fern, oft zu sehr. Mutter, Heimatvertriebene aus dem Sudetenland, deren Vater lange in russicher Kriegsgefangenschaft, Bruder gefallen in Rumänien und dann kamen die Tschechen und vertrieben die Deutschen brutal und rücksichtslos. Sie rissen meiner Oma Ohrringe ab durch die Ohrläppchen. Diese sinnlose Brutalität aller Orten und eine verlorene Generation, die mit ihrem Kriegstraumata leben musste - ohne Therapeuten. Kriegskinder und das wirkt bis heute nach. Sie tragen allesamt was mit sich rum, denn was damals passierte, war alles zu viel. Und sie vererben viel an die Kriegsenkel. Meine Generation, die auch ihre Blessuren abkriegt.
Und dann starb meine Oma, als meine Mutter 16 war. Auch das etwas, was sie nie ganz verwand.
Ich bekam Mitleid und merkte dass ihre Wut und ihre Unausgeglichenheit und Unzufriedenheit (die ich übernommen hatte) Auswüchse und Nachwirkungen waren. Sie war ja nicht böswillig, sie wollte das Beste. Vor allem aber das perfekte Kind. Mich, die Erstgeborene, die sie formte und dressierte, maßregelte, lobte, liebte und wieder kalt stellte. Liebe gegen Leistung, das hatte ich gelernt und verinnerlicht. Liebe bedeutet Leid, auch das ein inneres Mantra. Du kriegst nichts geschenkt, weder im Beruf noch in der Liebe. Sei so wie Du sein musst, dann kriegst Du was Du willst. Meinte ich und hoffte ich, oft umsonst.
Beruflich ging es gut, ich treffe gerne Entscheidungen, ich trage gerne Verantwortung, mir macht es oft Spaß und ich weiß was ich kann und was ich nicht kann. Ich muss nicht alles können, das kann keiner. Aber ich bin gut genug. Mein sicherer Hafen war immer mein Beruf und vorher Schule und Studium. Aber im Beziehungsleben herrschen andere Regeln, da kommt man mit Logik und Verstand nicht weit, vor allem, wenn man vieles nicht begreift, sondern nur diffus erfühlt.
Irgendwie kam dann im Lauf der Zeit was in Gang. Ich machte mir viele Gedanken über meine Kindheit, meine Erfahrungen und vieles ist glasklar abgespeichert. Aber ich musste meinen Frieden damit machen, sonst würde ich nie bei mir ankommen. Das war mir klar. Und ich lebte so vieles nach, dass es schon erschütternd war. Das kam damals durch den Therapeuten in Gang, der mich nicht aburteilte, bei dem ich nicht schuldig war, aber auch nicht unschuldig, Bei dem ich einfach nur war, eine Frau mit Problemen, mit mangendem Selbstwertgefühl, zu wenig Eigenliebe und Selbstständigkeit und zu vielen Ängsten.
Es kam dann eines zum anderen, es kam was in Gang, das fühlte ich. Längst vergessene Dinge kamen wieder auf. Einfach war es nicht, aber irgendwie heilsam.
Und dann wurde vieles besser. Ich fühlte mich wohler mit mir, die permanente Unzufriedenheit verschwand, ich wurde innerlich friedlicher, ruhiger. Irgendwie als ob ich über einen Berg gegangen wäre und nun ein ruhiges Tal vor mir lag.
Ich entdeckte Vorlieben, denen ich von Zeit zu Zeit nachgehe. Ich habe ein paar Freunde, Hand verlesen. Ja, und auch meine Ehe verbesserte sich signifikant. Irgendwann hatte ich kapiert, dass ich nicht halb oder dreiviertel verheiratet sein kann, sondern ein Ja oder ein Nein sagen musste. Das Ja fühlte sich entschieden besser an. Und seither fühle ich mich auch in der Ehe gut aufgehoben. Ich, der Unruheherd, das unbeständige Segel im Wind, das nie wusste, wohin es treiben würde, wurde ruhiger und stabiler.
Mein Wohlbefinden ist mir wichtig. Darum kümmere ich mich gut.Ich habe begriffen, dass ich nicht gut mit anderen bin, wenn ich nicht gut mit mir selbst bin. Und ich selbst kann meine Lebensqualität in die Hand nehmen, natürlich in Grenzen wie Krankheit, Tod, Naturkatastrophen. Aber wenn ich mich nicht um mich kümmere, tut es keiner. Das kann auch kein Ehepartner übernehmen. Der ist auch nur Mensch, aber ein sehr geduldiger und nachsichtiger. Er ist nie neidisch, das kennt er nicht, Materielles ist ihm nicht wichtig, so lange er ein akzeptables Leben hat und er ist gut zu mir. Eigentlich und immer noch unglaublich. Duldsam und mit einer großen inneren Stärke versehen.
Warum ich damals zu diesem Typen rannte, kann ich heute nicht mehr nachvollziehen. Aber ich bin ihm zu Dank verpflichtet, denn er zeigte mir ungeschminkt, wie es um mich bestellt war. Erbärmlich. Durch ihn bin ich gewachsen, ein guter Wegweiser.
Ob ich was bei ihm bewirkt habe, weiß ich nicht. Jegliche Verbindung ist gekappt und wenn wir uns zwangsläufig mal begegnen, grüßen wir uns beiläufig und jeder geht weiter. Ansonsten tut er so als ob ich nicht da wäre. Es ist bequemer so für beide Seiten. So als ob wir uns nie gekannt hätten wo doch jeder weiß, dass wir uns beide sehr gut kennengelernt haben, vor allem unsere Baustellen. Das bringt mich oft zum Lächeln.
Meine Ehe wird bestehen bleiben, das weiß ich. Ich weiß manche Dinge im voraus. Ich wusste auch dass die Affäre scheitern würde, aber ich wollte es nicht wahrhaben. Aber der innere Kompass hat meistens Recht.
Das Leben ist Veränderung. Mal geht es in die eine Richtung, dann in die andere. Ehen ändern sich, Beziehungen von Menschen verändern sich. Aus eng wird fern und aus warm wird kalt und umgekehrt. Aber es geht immer weiter und das ist auch tröstlich, denn nichts bleibt wie es war.